Schutzmaßnahmen:Die Masken fallen

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Kyoto, Japan: Frühling mit Mundschutz. (Foto: REUTERS)
  • Überall auf der Welt werden derzeit Schutzmasken benötigt. Sie wurden bisher überwiegend in China hergestellt, andere Länder ziehen aber nach.
  • Oft wollen Regierungen aber den Bedarf im eigenen Land zuerst decken und erlassen Ausfuhrbeschränkungen. Auch die EU hat nun strenge Regeln für den Export von Schutzmaterial eingeführt.

Von K. M. Beisel, L. Deuber, B. Dörries, K. Ludwig, O. Meiler und C. Hulverscheidt 

Ein Fernsehteam und Fotografen waren da, als spätabends am vergangenen Donnerstag ein Airbus A-350 der China Eastern aus Shanghai am römischen Flughafen Fiumicino landete - ein Charter mit 31 Tonnen Gütern und neun Ärzten des chinesischen Roten Kreuzes. Es gab Gruppenfotos am Fuß der Maschine, kurz darauf postete Italiens Außenminister Luigi Di Maio auf Facebook: Das nenne er mal Solidarität. Italien werde nicht vergessen, wer in der Not mit einer "generösen Spende" geholfen habe, während andere Staaten medizinische Geräte und Schutzmasken horteten oder deren Transport nach Italien blockierten. Der Beitrag sorgte für viel Aufsehen.

Die rechte Opposition erinnerte daran, dass Di Maios Partei, die Cinque Stelle, wie sonst keine andere vor einem Jahr für Italiens Partnerschaft beim chinesischen Infrastrukturprojekt "Neue Seidenstraße" lobbyiert hatte. Di Maio, damals noch als Minister für wirtschaftliche Entwicklung, reiste oft nach Peking, so oft, dass seine Gegner ihn auch "Ministro cinese" nannten, chinesischer Minister. Italien braucht gerade sehr viel Material, um der Krise beizukommen, unter anderem 90 Millionen Gesichtsmasken pro Monat, und Beatmungsapparate für die Intensivstationen.

Durch die rasante Ausbreitung des Coronavirus steigt der Bedarf an Schutzmasken aber auch in anderen Ländern. China produziert den Großteil, gibt aber aktuell nur wenig davon frei. Und auch andere Länder verfahren nach dem Motto: Erst wir, dann die anderen. In den USA, wo Präsident Donald Trump noch in der vorvergangenen Woche von einer ernsthaften Bedrohung durch das Coronavirus nichts wissen wollte, sind Atemmasken so knapp, dass immer mehr Menschen versuchen, sich privat welche im Ausland zu besorgen. Mitarbeiter großer Konzerne berichten, Kollegen in China hätten ihnen angeboten, Masken aus dem eigenen Fundus zu schicken. Der Krisenstab der Bundesregierung hatte als eine der ersten Maßnahmen gegen das Coronavirus den Export medizinischer Schutzausrüstung verboten, Frankreich sogar alle Schutzmasken beschlagnahmt.

Im Krankenhaus sind die Masken vorgeschrieben

In Deutschland ist das Tragen der FFP-Masken bei der Behandlung von Corona-Patienten für medizinisches Personal vorgeschrieben. Ohne den Schutz können Krankenhäuser die Versorgung nicht aufrechterhalten. In China erkrankten in den ersten Wochen mehr als 4000 Ärzte und Pfleger bei der Behandlung Infizierter, weil ihnen die richtige Ausrüstung fehlte. Ähnlich wie in anderen Branchen ist China international auch der wichtigste Produzent von medizinischer Schutzkleidung. Bereits vor der Krise stellte das Land fast jede zweite Maske weltweit her, immerhin etwa 20 Millionen Stück am Tag. 14 Millionen Masken davon gingen ins Ausland.

Das Problem: Die Regierung in Peking betont zwar, sie habe seit Ausbruch der Epidemie keinerlei Beschränkungen und Verbote für den Export von Schutzmasken und ähnlichen Materialien erlassen. Doch viele Zulieferer in Europa und den USA erhalten schon seit Wochen keine Lieferungen aus der Volksrepublik mehr. Auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung bestätigen mehrere Unternehmen in China, dass sie in den vergangenen Wochen keine Waren ins Ausland exportieren durften. Ein Unternehmen aus Shanghai erklärte sogar, dass es zuletzt ausschließlich die Stadtregierung Shanghais beliefern musste.

Riad, Saudi-Arabien: Geschützt auf der Tahlia Street. (Foto: AFP)

Die Notlage im Ausland wird auch durch die anfänglichen Aufkäufe Chinas verschärft. Mitte Februar hieß es, das Land habe mindestens 400 Millionen Masken aus dem Ausland gekauft. Im Februar hatte die Regierung dafür auch um die Mithilfe chinesischer Privatfirmen gebeten. Sie sollten in ihrem Namen Masken im Ausland beschaffen und in angemieteten Maschinen nach China bringen. Gleichzeitig haben viele Länder und Privatunternehmen zu Beginn der Krise Masken nach China gespendet. Jordean Eksteen, ein Unternehmer aus Südafrika, der sonst Atemschutzmasken für Bergbaugesellschaften herstellt, erzählt, er habe 30 000 Masken nach China geschickt. "Wir sind immer die, die die Hände ausstrecken", sagte der Geschäftsmann vor zwei Monaten. "Jetzt sind wir endlich in einer Position, auch anderen helfen zu können."

Seit der Spende bekommt der Südafrikaner täglich Anfragen, selbst von BMW oder einem südkoreanischen Handyhersteller. Hunderte Millionen Masken könne er aktuell verkaufen, erst einmal schafft er bis Oktober, zwei Millionen zu produzieren. Südafrika hat zuletzt 800 000 Masken nach Italien exportiert. Jetzt, mit einigen Wochen Verzögerung, steigt auch in dem afrikanischen Land die Nachfrage - doch die Läden sind leer.

Schuld an der Lage ist auch die US-Handelspolitik

Bereits im Februar hatte sich Peter Navarro, der Handelsberater von US-Präsident Trump, in einem Interview empört: Peking habe amerikanische Firmen in China faktisch übernommen, um seinen eigenen Bedarf zu decken, sagte er. Die betroffenen Unternehmen würden in normalen Zeiten rund die Hälfe der Masken für die USA liefern. Im Streit zwischen Peking und Washington hatte China aber zuletzt sogar offen gedroht, keine Masken mehr zu liefern, wenn Washington die Führung weiter kritisiere.

Algeciras, Spanien: Ein Marokkaner sitzt an der Grenze fest. (Foto: AFP)

Dass mit den USA ausgerechnet die bedeutendste Wirtschaftsmacht der Welt so schlecht da steht, hat nach Ansicht von Experten außer mit Überheblichkeit auch mit der aggressiven Handelspolitik zu tun, die Trump in den vergangenen zwei Jahren betrieben hat. "Die Zölle der Regierung auf Medizinprodukte aus China dürften zu der Knappheit und zu den gestiegenen Preisen für lebenswichtige Ausrüstung beigetragen haben", sagte Chad Bown vom Washingtoner Peterson-Institut für Internationale Wirtschaft.

In China hat man indes schnell reagiert. Nachdem in der besonders betroffenen Region Hubei in Zentralchina in kurzer Zeit Tausende an dem Coronavirus erkrankt waren, sorgten die Behörden dafür, dass die Werke, die während des Frühlingsfests im Januar geschlossen waren, schnell wieder ans Laufen kamen. Peking versicherte, Masken bei einer Überproduktion aufzukaufen. Lokalregierungen zahlten Betrieben Subventionen und boten Steuererleichterungen, wenn sie ihre Produktion ausweiteten oder sogar als fachfremde Fabriken auf die Herstellung von Masken umstellten.

Pearson Airport in Toronto: Der Pilot mit der Maske. (Foto: REUTERS)

Allein zwischen 1. Januar und 7. Februar erweiterten 3000 Firmen im chinesischen Handelsregister ihre Geschäftsbereiche um die Produktion von Masken, Schutzkleidung, Desinfektionsmittel und medizinischen Geräten. Vor einigen Tagen erklärte der chinesische Autobauer BYD, der eigentlich für seine Elektroautos bekannt ist, er betreibe mittlerweile die größte Maskenfabrik der Welt. Am 8. Februar nahm das Unternehmen aus Shenzhen die Produktion auf. Fünf Millionen Masken und 300 000 Flaschen Desinfektionsmittel stellt das Werk mittlerweile am Tag her.

Ende Februar wurden chinaweit pro Tag mindestens 116 Millionen Masken hergestellt, fast sechs Mal so viele wie einen Monat zuvor - wobei nicht klar ist, um welche Masken es sich handelt. Ein Großteil der Menschen im Land trägt, seit die Regierung eine entsprechende Schutzpflicht eingeführt hat, einfache OP-Masken, die gar nicht vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus schützen.

In der Europäischen Union gelten seit Sonntagabend strenge Regeln für den Export von Masken und Schutzkleidung. "Wir müssen die Schutzausrüstung, die wir brauchen, innerhalb der Europäischen Union behalten", sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Sonntagabend in einer auf Twitter verbreiteten Botschaft. Solche Produkte dürfen nun nur noch mit ausdrücklicher Genehmigung an Länder außerhalb der EU verkauft werden. Im Gegenzug forderte von der Leyen die EU-Mitgliedstaaten auf, Schutzausrüstung untereinander zu teilen. "Nationale Verbote für den Verkauf von Schutzausrüstung in andere Mitgliedstaaten sind nicht gut. Wir müssen einander helfen."

Am Samstag kündigte das Auswärtige Amt in Berlin einen Kurswechsel an und dass es Vorschriften anpassen werde, um den Export in andere EU-Länder zu ermöglichen; aber nicht ohne einen "Deutschland-first"-Vorbehalt: "Damit ist es möglich, dringend benötigte Güter in andere Länder zu senden, solange lebenswichtiger Bedarf in Deutschland erfüllt wird", hieß es. Erste Lieferungen seien auch schon unterwegs: nach Italien, in die Schweiz, zu den Vereinten Nationen. Nach Italien sollen eine Million Masken gehen.

China öffnet indes nur langsam seine Speicher. Als eine führende Macht in der Welt müsse man natürlich hilfesuchenden Staaten helfen, erklärte die Regierung. Medien weltweit berichteten über die chinesischen "Hilfslieferungen". Am Sonntag korrigierte Italiens Außenminister Di Maio allerdings seine Darstellung von der ersten chinesischen Lieferung nach Italien. Er sagte, die Frage sei nicht, ob solche Sendungen gratis seien oder ob Italien dafür bezahle, solange sie nur ankämen. "Wir sind bereit, dafür zu bezahlen", beonte er. "Die Regierung hat schließlich 25 Milliarden Euro zur Seite gelegt (für den Kampf gegen das Virus, Red.), das ist kein Problem."

© SZ vom 17.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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