Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will es besser machen als sein Vorgänger Jens Spahn (CDU). "Mein Ziel ist, dass wir der Corona-Pandemie im kommenden Herbst und Winter besser begegnen als in den vergangenen Jahren." Das hat der Minister am Dienstagabend seinen Kolleginnen und Kollegen in den 16 Bundesländern geschrieben - und einen Sieben-Punkte-Plan beigefügt. Lauterbach nennt das seine "Corona-Herbststrategie". Die aber weist noch erhebliche Lücken auf. Vieles ist noch zu klären.
Die bislang kostenlosen Schnelltests für alle Bürgerinnen und Bürger sollen Ende Juni auslaufen, aber in eingeschränktem Umfang fortgesetzt werden. Und zwar bei Leuten, die Covid-19-Symptome aufweisen, bei deren Kontaktpersonen sowie bei ausgewählten Personengruppen.
Geplant sind vorsorgliche Tests in Pflegeheimen und Krankenhäusern, bei Kleinkindern, bei Leuten mit vielen Kontakten etwa vor Großveranstaltungen, bei Geflüchteten aus der Ukraine sowie für den Fall, dass es regional hohe Infektionszahlen gibt - also eine sich ausbreitende Infektionslage im "Hotspot". Auch Leute, bei denen medizinische Gründe gegen eine Impfung sprechen, sollen sich weiter kostenlos testen lassen dürfen.
Exklusiv Hunderte Ermittlungsverfahren:Lauterbach will Schnelltest-Betrügereien beenden
Der Bundesgesundheitsminister plant strengere Kontrollen für Corona-Untersuchungen. Außerdem sollen nur noch bestimmte Personengruppen auf Kosten des Staates getestet werden. Ermittler vermuten beim bisherigen System Milliardenbetrug durch private Betreiber.
Für den Bund spielt dabei auch das Geld eine wesentliche Rolle. Lauterbach will die Ausgaben für Schnell- und PCR-Tests "um etwa die Hälfte" verringern. Gezahlt hat der Bund in mehr als einem Jahr mehr als zehn Milliarden Euro. Nach dem Sieben-Punkte-Plan des Gesundheitsministers würde die Fortsetzung des Tests bis zum nächsten Frühjahr oder Sommer noch einmal mehrere Milliarden Euro kosten. Offen ist aber noch die Frage, wer das zahlt. In der Berliner Ampelkoalition wird darauf gedrängt, mit den Bundesländern über eine "angemessene Kostenverteilung" zu verhandeln.
Manche Länder befürchten einen "nutzlosen Sommer"
Darüber kann Lauterbach mit seinen Kolleginnen und Kollegen aus den Ländern sprechen, die er jetzt bei einer Konferenz in Magdeburg trifft. Dort will der Gesundheitsminister seinen Sieben-Punkte-Plan besprechen, um "das weitere Vorgehen abzustimmen". Für Zündstoff ist in Magdeburg ohnehin gesorgt, nachdem Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen auf schärfere Maßnahmen drängen: "Dazu zählen insbesondere Maskenpflicht in Innenräumen, 3-G/2-G-Zugangsregeln, Testpflichten, Personenobergrenzen und Kontaktbeschränkungen."
Hier wird Lauterbach in seinem Plan nicht sehr konkret. Er nennt drei mögliche Entwicklungen ab Herbst: Günstigstes, mittelschweres und ungünstigstes Szenario. Die mittlere Variante sei das "Basisszenario": mehr Infektionen und Arbeitsausfälle in der gesamten kälteren Jahreszeit, aber keine schwereren Krankheitsverläufe als zuletzt.
Trotz einer "moderaten Covid-19-Belastung" auf den Intensivstationen der Kliniken könnten "Arbeitsausfälle erneut flächendeckende Maßnahmen" wie Masken und Abstand in Innenräumen oder Kontaktbeschränkungen auf regionaler Ebene nötig machen. Ohne weitere Maßnahmen wäre ansonsten mit 1500 Corona-Toten pro Woche zu rechnen, warnt Lauterbach.
Im Hinblick auf eine Maskenpflicht in Innenräumen und Kontaktbeschränkungen macht der Gesundheitsminister darüber hinaus erwartungsgemäß keine konkreten Ansagen. Er will stattdessen, wie auch von Kanzler Olaf Scholz angekündigt, vor weiteren Vorschlägen den Bericht einer Sachverständigenkommission abwarten. Und erst dann das Infektionsschutzgesetz überarbeiten.
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Bei einem Masken-Geschäft des Gesundheitsministeriums häufen sich Ungereimtheiten. Politisch zu verantworten hat das Geschäft Ex-Minister Spahn, gegen den nicht ermittelt wird.
So steht es in Punkt sieben. Es ist also noch völlig offen, ob die Bundesländer weitgehend Maskenpflichten verfügen können, wenn die Infektionszahlen ab Herbst voraussichtlich weiter und noch viel stärker steigen könnten, als das derzeit schon wieder der Fall ist.
Etliche Länder befürchten, dass ihnen die Zeit für Maßnahmen gegen die Pandemie davonläuft, sollte es erst nach der Sommerpause des Bundestags, also erst im September, ein neues Infektionsschutz geben. Das wäre dann erneut ein "nutzloser Sommer", heißt es aus Länderkreisen. Die FDP gilt hier als Bremser innerhalb der Ampelkoalition.
Was in Lauterbachs Strategiepapier auch auffällt: "Kitas und Schulen müssen offenbleiben", so lautet Punkt sechs. Aber wie das genau geschehen soll, verrät der Gesundheitsminister nur in Ansätzen. Kinder und Jugendliche sollten für Impfungen "besonders angesprochen werden". Alles andere sollen Bund und Länder bei einer gemeinsamen Konferenz der Gesundheits- und Kultusministerien erarbeitet. Wann dieses Treffen stattfinden soll, steht nicht in Lauterbachs Herbststrategie.
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Ansonsten sehen Lauterbachs Pläne, die er zum Teil in den vergangenen Tagen schon öffentlich genannt hat, so aus: weiter impfen und eine bessere Behandlung von Covid-19-Patientinnen und -Patienten - "gegenwärtig werden wirkungsvolle Medikamente zu spät oder zu selten eingesetzt", so Lauterbach. Außerdem fordert er bessere Daten von den Krankenhäusern und spezielle Maßnahmen für Pflegeheime.
Auch da fällt eine Lücke auf: Schnellere und bessere Daten aus den Gesundheitsämtern über die Verbreitung des Virus kommen in Lauterbachs Strategie nicht vor. Diese beschränkt sich auf die Frage nach den vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten und Bettenzahlen der Kliniken. Hier droht der Minister sogar mit Sanktionen, wenn die Daten nicht täglich gemeldet werden. "Die verspätete und unvollständige Datenmeldung muss beendet werden." Bei den Gesundheitsämtern ist davon aber keine Rede.
Ebenso wie Kitas und Schulen will Lauterbach auch Pflegeeinrichtungen offenhalten; mit "Impfen, Testen, Masken" für Personal, Bewohnerinnen und Bewohner sowie Besucherinnen und Besucher. Jedes Pflegeheim soll unter anderem Hygienebeauftragte einsetzen und darüber hinaus Hygiene- und Besuchsregeln schaffen. Was vielerorts aber überhaupt nichts Neues, sondern schon längst der Fall sein dürfte.