Landwirtschaft:Mehr Platz für Tiere

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Bei der Schweinehaltung gibt es ganz unterschiedliche Formen, gerade in großen Betrieben kann es eng zugehen. Doch die Landwirtsfamilie aus dem Landkreis Ansbach hat ihre Tiere wohl besonders schlecht behandelt. (Foto: imago)

Agrarminister Özdemir plant ein verpflichtendes staatliches Siegel, um artgerechte Schweinehaltung zu fördern. Die Aufregung in der Branche ist groß.

Von Constanze von Bullion

Wenn am Freitag die Grüne Woche beginnt in Berlin, dann wird das nicht nur eine Demonstration des guten Essens und Lebens. 1400 Aussteller der kulinarischen Riesenschau werden auch nicht sparen mit Hinweisen auf Nachhaltigkeit und Tierschutz. Keine Bäuerin und kein Berufsverband will noch auf sich sitzen lassen, beim Thema Ernährung nicht auf Umweltschutz oder artgerechte Aufzucht zu achten. Hinter den Kulissen aber wird gekämpft, vor allem um die Tierhaltung.

Auch im Bundestag wird am Montag darüber gestritten. Dort tagt der Agrarausschuss, und so wie es aussieht, wird es Kritik regnen an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir. Der Grüne plant ein staatliches Siegel für unverarbeitetes Schweinefleisch, das Landwirtinnen und Landwirte unterstützen soll, die ihren Tieren mehr Platz geben als vorgeschrieben.

Wer im Laden beispielsweise ein rohes Schweineschnitzel kaufen will, soll künftig an einem Aufkleber erkennen können, ob die Tiere in einem engen Stall gemästet wurden oder artgerechter. Diese Kennzeichnung soll nicht freiwillig sein, sondern verpflichtend, anders als bei bisherigen Siegeln.

Per Aufkleber erkennbar

"Der Endverbraucher kann durch die Einführung einer verbindlichen Kennzeichnung bewusst Haltungsformen wählen, die sich vom gesetzlichen Mindeststandard abheben und den Tieren Möglichkeiten bieten, arteigenes Verhalten in höherem Maße auszuführen", heißt es in Özdemirs Gesetzentwurf. Er sorgt für Zoff, auch weil unerfreuliche Tierhaltung per Aufkleber sofort erkennbar werden soll.

Als niedrigste Stufe ist die Bezeichnung "Stall" geplant. Hier müssen Tierhalter ihren Schweinen nur gesetzliche Mindeststandards bieten. Stufe 2, also etwas tierfreundlicher, ist die Haltungsform "Stall + Platz", bei der es 20 Prozent mehr Raum geben muss und etwas Abwechslung. Stufe 3, der "Frischluftstall", erlaubt den Tieren auch, mal das Wetter zu spüren und "Umwelteindrücke" zu sammeln. Stufe 4 "Auslauf/Freiland" setzt eine erreichbare Außenfläche voraus. Oberste Stufe ist das Label "Bio" - und einer von vielen Steinen des Anstoßes.

Bei konventionellen Schweinehaltern ist der Ärger groß über die geplante Kennzeichnungspflicht. Die Branche steht wirtschaftlich unter Druck, weil in Deutschland immer weniger Schweinefleisch gegessen und exportiert wird. Und wenn die Verbände am Montag zu Özdemirs Plänen gehört werden, wird der Deutsche Bauernverband wohl am lautesten schimpfen. "So wird der Umbau der Tierhaltung nicht gelingen", heißt es in seiner Stellungnahme. Das Fleischlabel führe zu mehr Bürokratie und einer Ungleichbehandlung der heimischen Betriebe gegenüber ausländischen. Denn mehr Platz zu schaffen oder Ställe umzubauen, das kostet. In anderen Ländern gälten solche Vorgaben nicht.

"Mogelpackung"

Moniert wird auch, dass das Tierhaltungslabel nur für Mastschweine gelten sollen, also für Tiere, die schon um die 30 Kilo wiegen und meistens als Jungtiere aus dem Ausland zugekauft werden, um sie dann in Deutschland zu mästen. Was aber, fragt der Deutsche Bauernverband, wenn diese Tiere im Ausland nicht artgerecht gehalten oder ohne Betäubung kastriert worden waren, bevor sie nach Deutschland importiert wurden? Dann könnte ihr Fleisch bei entsprechender Stallgröße in Deutschland trotzdem noch eine hohe Stufe bei Özdemirs Kennzeichnung erreichen. Das Vorhaben sei eine Mogelpackung und habe ein "immenses Glaubwürdigkeitsproblem".

Ähnlich kritisch sieht das die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, die man sonst oft an der Seite der Grünen sah. "Ein reines Einsortieren der Tierhaltung in bestimmte Kategorien erzeugt noch keinen Anreiz für Betriebe, ihre Ställe in artgerechtere Haltungssysteme umzubauen", heißt es in der Stellungnahme des Verbands. Nötig seien "finanzielle Anreize". Bei der Fleischkennzeichnung müssten auch Sauen und Ferkel berücksichtigt werden. Andere kritisieren, dass das Siegel nur für Schweine gilt, nicht aber für Rinder oder Geflügel - oder dass Tiertransporte nicht berücksichtigt werden. Und warum, fragen Landwirte, drängt der Minister konventionelle Tierhalter zu teuren Investitionen, während Biobetriebe automatisch das beste Haltungssiegel bekommen?

Cem Özdemir verweist darauf, dass seine Pläne nur ein erster Schritt sind - und dass er seine Kennzeichnungspflicht in Brüssel genehmigen lassen muss. Würde er sie auf andere Nutztiere in allen Lebensphasen ausdehnen, sei das Vorhaben zum Scheitern verurteilt. Eine Milliarde Euro hat Özdemir als Anschubfinanzierung für die nächsten Jahre beim Finanzminister lockermachen können. Schweinehalter sollen Geld für Investitionen in Ställe bekommen, auch für Mehrkosten durch artgerechte Haltung, also etwa Stroh. Der Betrag reicht vorn und hinten nicht. Mehr aber ist bisher mit der FDP nicht zu machen.

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Im Agrarausschuss wird Özdemirs Parteifreundin Renate Künast den Zorn der Branche abzuwettern haben. "Viele Beteiligte tun so, als seien sie bei der Tierhaltung veränderungsbereit. Aber wenn es so weit ist, kämpfen sie dagegen", sagte die frühere Verbraucherschutzministerin der SZ. Freiwillige Maßnahmen wie bisher reichten nicht. "Ein verpflichtendes Kennzeichen ist Basis für zukunftsfesten Umbau, der nicht nur Nischen bedient", so Künast. Der Kennzeichnungspflicht würden eine Änderung des Tierschutzgesetzes folgen und Vorgaben für Tiertransporte, noch 2023. "Ich hoffe, dass wir alle wirklich einen ehrgeizigen Wandel wollen", sagte Künast. Mit Kämpfen ist zu rechnen.

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