CDU-Vorstandsklausur:Projekt Wiederauferstehung

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Haben große Pläne: CDU-Parteichef Friedrich Merz (li.) und Generalsekretär Carsten Linnemann. (Foto: Chris Emil Janssen/Imago)

Die CDU inszeniert sich in der Opposition als Bundesregierung auf Abruf und hat ein neues Positionspapier geschrieben. Nur, um es umzusetzen, müsste sie erst mal Wahlen gewinnen - vor allem gegen die AfD.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Für die CDU im Allgemeinen und Parteichef Friedrich Merz im Besonderen hat das neue Jahr gleich mit einer erfreulichen Nachricht begonnen. Bundeskanzler Olaf Scholz hat es geschafft, seine ohnehin schon schwachen Zustimmungswerte im ARD-Deutschlandtrend noch einmal nach unten zu korrigieren: Nur noch 19 Prozent der Wahlberechtigten sind mit der Arbeit des Sozialdemokraten zufrieden; das gab's noch nie seit Beginn der Erhebung im Jahr 1997. Auch die Ampel insgesamt kommt weiterhin nur auf desaströse 17 Prozent Zustimmung, was umgekehrt für die CDU und ihren Chef natürlich nur eins bedeuten kann: Rückenwind.

Vor dieser Kulisse will der CDU-Bundesvorstand am Freitag und Samstag in Heidelberg die Weichen für 2024 stellen. Die "Heidelberger Erklärung" für die Klausurtagung zum Jahresauftakt liegt als Entwurf bereits vor, ein acht Seiten langer Ritt durch die politischen Hotspots der Gegenwart: Wachstumsschwäche, Bürgergeld und Finanzen; die Funktionstüchtigkeit des Staates, Energie und Klima; Zusammenhalt, Recht und Ordnung; Sicherheit, Europa und Migration.

Gegen die von ihr attestierte Misere will die CDU das Wachstum ankurbeln

Das Vertrauen in die Regierung sei auf dem Tiefpunkt, heißt es in dem Papier gleich im ersten Absatz, die Stimmung sei "so schlecht wie selten zuvor". In diesen Zeiten brauche es "eine Politik, die Stabilität schafft, und eine kraftvolle Führung, die Probleme anpackt". Die Ampel aber werde dieser Verantwortung nicht gerecht, der Kanzler ducke sich weg und rechtsradikale sowie populistische Kräfte würden immer stärker.

Gegen diese von ihr attestierte Misere will die CDU das Wachstum ankurbeln, mit einer "attraktiven Unternehmensteuer" oder auch mit weniger Bürokratie durch weniger Berichtspflichten - etwa mit Blick auf die in der Wirtschaft verhasste Lieferkettenregulierung. Auch kleine und mittlere Einkommen will die CDU steuerlich entlasten. Wer arbeitslos wird, soll zunächst mehr Arbeitslosengeld bekommen als bisher, das Bürgergeld aber will die CDU wieder abschaffen, zugunsten von mehr Mitwirkungspflichten und Sanktionsmöglichkeiten.

Beim Klima wiederum heißt es in dem Papier, dass "Wirtschaft und nachhaltiger Klimaschutz" keine Gegensätze seien, "sondern einander bedingen". Zentrales Element aber soll der Emissionshandel sein; das Heizungsgesetz der Ampel will die CDU dagegen "abschaffen". Und, wo es schon ums Abschaffen geht: Die von der Regierung beschlossene Abschaffung des Agrardiesel-Privilegs für die Bauern muss "vom Tisch", findet die CDU. Auf den Tisch soll dagegen ein "verpflichtendes Gesellschaftsjahr für alle Schulabgänger".

Die anstehenden Wahlen werden auch für die CDU keine Selbstläufer

Dass Merz nichts dagegen hätte, wenn in Deutschland nicht erst im Herbst 2025 eine neue Bundesregierung gewählt würde, daraus hat er zuletzt keinen Hehl gemacht. In dem Papier für die Vorstandsklausur heißt es folgerichtig: "Als CDU stehen wir bereit, Verantwortung zu übernehmen." Allerdings kommen auf die größte Oppositionspartei auch so schon schwierige Wahlen zu: die Europawahl im Juni und im September die Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen. Trotz Abwärtstrend von Kanzler und Regierung werden diese Wahlen für die Union keine Selbstläufer, vor allem nicht die im Osten.

Am besten sieht es noch in Sachsen aus, wo die CDU von Ministerpräsident Michael Kretschmer in der neuesten Umfrage bei 30 Prozent liegt. Das ist aber immer noch weniger als die 34 Prozent der AfD. Und dass SPD und Grüne mittlerweile im einstelligen Bereich gelandet sind, erschwert das Schmieden potenzieller Koalitionen.

In Thüringen wiederum steht die CDU mit 20 Prozent vor dem diffizilen Problem, womöglich ihr Verhältnis zur Linken (17 Prozent) neu sortieren zu müssen, um im Zweifel eine Regierung gegen die in den Umfragen auf 36 Prozent enteilte AfD bilden zu können. Anders als in den beiden anderen Ländern liegt die CDU in Brandenburg derzeit nur auf Platz drei. Dass die SPD von Ministerpräsident Dietmar Woidke dort lange nicht so schwach ist wie in Thüringen und Sachsen, könnte eine Regierungsbildung gegen die vorn liegende AfD allerdings erleichtern.

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Die Aussichten sind also nur bedingt rosig, und gleichzeitig profitiert Merz persönlich in puncto Beliebtheit von der Misere des Kanzlers in nicht mal annähernd proportionaler Weise. Dennoch muss man sich Merz in diesen ersten Tagen des neuen Jahres als einen durchaus zufriedenen Parteichef vorstellen. Denn auch wenn er im Windschatten der Ampel-Krisen nicht zum Umfrageliebling avanciert ist: Seine Partei ist mit dem Projekt Wiederauferstehung nach der verlorenen Bundestagswahl durchaus zügig vorangekommen.

Im Mai soll der Parteitag das neue Grundsatzprogramm beschließen, der Zusammenhalt innerhalb der CDU gilt als weitestgehend wiederhergestellt und im Bund kommt die Union derzeit auf etwa den gleichen Umfragewert wie die drei Regierungsparteien zusammen. Bleibt noch die bislang ungeklärte Frage der Kanzlerkandidatur, über die sie Union beim letzten Mal gestolpert sind. Immerhin hat CSU-Chef Markus Söder diese Woche versprochen: "Es wird keinen Ärger geben." Merz wird ihn bei Gelegenheit daran erinnern.

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