Drogenpolitik:Ampelregierung stimmt dafür, Cannabis teilweise freizugeben

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Bundesgesundheitsminister Lauterbach stellt neben dem Gesetzentwurf für die Legalisierung von Cannabis auch eine Aufklärungskampagne vor. (Foto: Annegret Hilse /Reuters)

Das Bundeskabinett beschließt eine Legalisierung light. Trotzdem kritisieren Politiker der Union und aus den Ländern die Pläne scharf. Der FDP dagegen gehen sie nicht weit genug. Was jetzt erlaubt ist und was nicht.

Von Paul-Anton Krüger, Berlin

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat die von der Bundesregierung geplante Legalisierung des privaten Anbaus und Besitzes von Cannabis gegen Kritik verteidigt. Bei der Vorstellung des zuvor vom Kabinett beschlossenen Gesetzentwurfs sprach er am Mittwoch in Berlin von einer "langfristigen Wende in der deutschen Drogenpolitik", die wegen der bisherigen "leider gescheiterten Cannabis-Drogenpolitik" erforderlich sei. Die Tatsache, dass sowohl Befürworter einer weitergehenden Liberalisierung als auch die Gegner einer bedingten Freigabe das Vorhaben kritisierten, wertete Lauterbach als Beleg dafür, dass die Regierung einen Gesetzentwurf "mit Augenmaß" vorgelegt habe.

Mit dem Gesetz will die Ampelkoalition nach Lauterbachs Worten drei Problemen entgegentreten: Der Cannabis-Konsum steige seit Jahren. Der Trend betreffe auch Jugendliche und Heranwachsende und sei auch in Bundesländern mit einer repressiven Verfolgungspraxis festzustellen, wie Bayern. Auch stehe die Hälfte aller Drogendelikte in Zusammenhang mit Cannabis. Die Regierung will Strafverfolger und Justiz entlasten. Zudem gebe es einen großen Schwarzmarkt, der wegen toxischer Beimengungen und hoher Konzentrationen des berauschenden Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) problematisch sei. Die Gegner der Liberalisierung hätten darauf keine Antworten.

25 Gramm zu besitzen, soll legal werden - genau wie Anbau in Vereinen

Die Bundesregierung will nun für Erwachsene den Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis, sei es in der Form von Marihuana (Blüten und Blätter THC-haltiger Hanfpflanzen) oder Haschisch (Harz), straffrei stellen, ebenso den Anbau von bis zu drei Cannabis-Pflanzen. Zudem sollen genossenschaftlich organisierte Vereine mit bis zu 500 Mitgliedern Cannabis für den Eigenbedarf gemeinschaftlich anbauen und an ihre Mitglieder abgeben dürfen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben müssen.

Die Vereine müssen von den Behörden genehmigt werden und sicherstellen, dass ihre Mitglieder volljährig sind. Die Abgabe ist auf 50 Gramm pro Monat und 25 Gramm pro Tag beschränkt. An Heranwachsende bis zum Alter von 21 Jahren will die Bundesregierung die Abgabe auf 30 Gramm Cannabis begrenzen, das höchstens zehn Prozent Wirkstoff enthalten darf. Zu Schulen, Spielplätzen, Jugend- und Sporteinrichtungen müssen die Vereine einen Mindestabstand von 200 Metern halten; in diesen Schutzzonen darf auch kein Cannabis konsumiert werden.

Lauterbach stellte mit dem Gesetzentwurf eine Kampagne der Bundesregierung zur Aufklärung über die Gefahren des Cannabis-Konsums vor, die vor allem Jugendliche und Heranwachsende ansprechen soll. Man nehme deren Schutz ernst, sagte Lauterbach und beklagte, dass viele nicht ausreichend darüber informiert seien, dass bis zum Alter von 25 Jahren das Gehirn durch Cannabis-Konsum teils irreversibel geschädigt werden könne.

Der Minister verweist auf Kanada, wo der Konsum bei Jugendlichen nicht angestiegen sei

Jeder junge Mensch solle darüber aufgeklärt werden. Das Thema müsse enttabuisiert werden. Dazu trage auch die kontroverse Debatte über den Gesetzentwurf bei, die Lauterbach ausdrücklich begrüßte. Er verwies auf positive Erfahrungen in Kanada, wo es im Zuge der Legalisierung gelungen sei, zumindest den weiteren Anstieg des Konsums unter Jugendlichen zu stoppen.

Der Gesundheitsminister äußerte zudem die Erwartung, dass die Teilfreigabe der Droge und die Cannabis-Klubs dazu beitragen werden, den Schwarzmarkt in Deutschland zurückzudrängen. In den Klubs könnten Konsumenten Cannabis in kontrollierter Qualität zu wettbewerbsfähigen Preisen beziehen, stellte Lauterbach in Aussicht. Bei den Grenzen für die Abgabe habe man darauf geachtet, dass das Schwarzmarktangebot an Attraktivität verliere, erläuterte der SPD-Politiker. Man habe genau die negativen Folgen von Legalisierungen in anderen Ländern betrachtet, sagte Lauterbach. In den Niederlanden gehe ein hoher Druck vom Schwarzmarkt aus, in den USA vom kommerziellen Verkauf von Cannabis-Produkten in einigen Bundesstaaten.

Die Ampelparteien hatten sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, die "kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften" einzuführen. Darauf verzichtet Lauterbach zunächst, auch weil dagegen europarechtliche Bedenken bestehen. Er kündigte aber an, noch in diesem Jahr einen zweiten Gesetzentwurf vorzulegen, der in Modellregionen eine kommerzielle Abgabe von Cannabis ermöglichen würde. Auch stellte er einen Grenzwert ähnlich wie für Alkohol für die Teilnahme am Straßenverkehr in Aussicht. Eine entsprechende Regelung werde Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) ausarbeiten.

Auch SPD-Politiker kritisieren den Plan der Ampel

Scharfe Kritik an dem Gesetzentwurf kam vor allem aus der Union. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) forderte Kanzler Olaf Scholz auf, die Pläne zu stoppen. Lauterbach dürfe die Kritik der Bundesärztekammer, des Deutschen Richterbundes und der Gewerkschaft der Polizei nicht ignorieren. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) warnte, die Ampel werde Polizei und Justiz stärker belasten. Der Gesetzentwurf beinhalte eine Vielzahl von Regeln, Verboten und Beschränkungen. "All das muss kontrolliert und Verstöße müssen strafrechtlich verfolgt werden", sagte er. Aber auch Hamburgs Innensenator Andy Grote von der SPD sagte: "Wenn wir irgendetwas jetzt nicht brauchen, dann ist es dieses Gesetz." Die Länder haben nach Ansicht Lauterbachs keine Möglichkeit, das Gesetzgebungsverfahren zu blockieren. Im Bundesrat sei der Entwurf nicht zustimmungspflichtig.

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Dagegen monierte die sucht- und drogenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Kristine Lütke, der Entwurf bleibe "deutlich hinter den Erwartungen zurück". Durch kleinteilige Regularien entstehe ein "unkontrollierbares Bürokratiemonster". Eine Besitzobergrenze lehne die FDP entschieden ab. Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert, unterstützte den Entwurf, forderte aber mehr Mittel für die Prävention, etwa für die Drogenberatung an Schulen.

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