Cannabis-Gesetz:Die Union hofft auf den Bundespräsidenten

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Bei der Prüfung durch den Bundespräsidenten geht es weniger darum, ob Frank-Walter Steinmeier ein Gesetz gut oder schlecht findet - sondern darum, ob es korrekt zustande gekommen ist. (Foto: Britta Pedersen/dpa)

CDU und CSU fordern Frank-Walter Steinmeier auf, dem Gesetz zur Cannabis-Legalisierung die Unterschrift zu verweigern. Ist das realistisch?

Von Angelika Slavik, Berlin

Dass die Union sich für den Bundespräsidenten begeistert, kommt auch nicht alle Tage vor. Nun aber ist Frank-Walter Steinmeier plötzlich zum Hoffnungsträger der CDU avanciert, wenn auch unfreiwillig. Denn der Bundespräsident, so stellen die Christdemokraten sich das vor, möge doch bitte das Gesetz zur Cannabis-Legalisierung aufhalten.

Am vergangenen Freitag hatte der Bundesrat das umstrittene Gesetzesvorhaben passieren lassen. Es sieht vor, dass von April an, wenn auch unter Einhaltung zahlreicher Auflagen, in Deutschland legal Cannabis konsumiert werden kann. Tino Sorge, der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, hofft nun, dass Steinmeier dem Gesetz die Unterschrift verweigert. "Das Gesetz sollte nach der chaotischen Debatte vorerst gestoppt werden", sagte Sorge dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Man prüfe "sehr gründlich", teilt das Bundespräsidialamt mit

Ob Steinmeier also die Idee vom legalen Kiffen beerdigt? Allzu große Hoffnungen sollte sich die Union wohl nicht machen. Im Bundespräsidialamt gibt man sich auf Anfrage zurückhaltend: Man prüfe jedes Gesetz "sehr gründlich", sagt ein Sprecher. Diese Prüfung werde noch einige Tage in Anspruch nehmen. Bei der Prüfung durch den Bundespräsidenten geht es allerdings weniger darum, ob Steinmeier die Cannabis-Legalisierung persönlich gut oder schlecht findet. Im Vordergrund steht vielmehr die Frage, ob das Gesetz korrekt zustande gekommen ist und ob es mit dem Grundgesetz in Einklang steht.

Dass ein Bundespräsident ein Gesetz nicht unterschreibt, ist in der Geschichte der Bundesrepublik die absolute Ausnahme. Frank-Walter Steinmeier hat es allerdings schon einmal gemacht: 2020 verweigerte er einem Gesetz der damaligen schwarz-roten Bundesregierung die Unterschrift. Steinmeier hatte Sorge, ein Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität könnte in Teilen verfassungswidrig sein. Die Koalition musste nachbessern, erst dann unterschrieb Steinmeier - mit mehreren Monaten Verspätung.

Dass ein Gesetzesvorhaben endgültig scheitert, weil der Bundespräsident die Ausfertigung ablehnt, ist noch seltener. Zuletzt hatte Bundespräsident Horst Köhler im Jahr 2006 seine Unterschrift verweigert - und das gleich zweimal binnen weniger Wochen. So lehnte Köhler ein Gesetz zur Teil-Privatisierung der Flugsicherung ab, nur kurze Zeit später eines zur Neuregelung des Rechts auf Verbraucherinformation. Bei der Verbraucherinformation besserte die Regierung nach, die Flugsicherung wurde erst mehrere Jahre später wieder ein Thema.

Zum ersten Mal leistete Theodor Heuss 1951 Widerstand

Oft ging es beim Widerstand des Staatsoberhaupts eher um formelle denn um inhaltliche Fragen. Zum ersten Mal verweigerte 1951 der damalige Bundespräsident Theodor Heuss seine Unterschrift: Einem Gesetz über die Verwaltung der Einkommen- und Körperschaftsteuer fehlte die Zustimmung des Bundesrats. Gustav Heinemann wies erst 1969 das Ingenieurgesetz und 1970 das Architektengesetz zurück, weil er der Auffassung war, beide fielen nicht in den Kompetenzbereich des Bundes.

Bereits zuvor war Heinrich Lübke 1960 gegen ein Gesetz über den Betriebs- und Belegschaftshandel - er sah die Freiheit der Berufsausübung beeinträchtigt. 1976 stellte sich Walter Scheel gegen die Abschaffung der Gewissensprüfung von Wehrdienstverweigerern. Und Richard von Weizsäcker hatte 1991, ähnlich wie Jahre später Köhler, Bedenken bei einem Gesetz zur Flugsicherung. Er unterschrieb erst nach einer Verfassungsänderung.

2002 übte Johannes Rau Kritik am Zustandekommen des Zuwanderungsgesetzes: Damals war im Bundesrat eine uneinheitliche Stimmabgabe des Landes Brandenburg als Zustimmung gewertet worden. Rau unterschrieb, regte aber eine Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht an - das kassierte das Gesetz.

Eine uneinheitliche Stimmabgabe im Bundesrat gab es auch jetzt beim Cannabis-Gesetz: Weil die sächsische Landesregierung sich nicht einigen konnte, wurde ihr Votum, wie vorgesehen, als ungültig verbucht. Für die Union bleibt also nur noch der Hoffnungsträger im Schloss Bellevue.

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