Bundeswehr in Afghanistan:Jung, das ewige Sicherheitsrisiko

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Verteidigungsminister Guttenberg entlässt den Generalinspekteur der Bundeswehr. Doch der wahre Schuldige für die Versuche, die zivilen Opfer des Bombardements nahe Kundus zu vertuschen, sitzt heute im Arbeitsministerium.

Thorsten Denkler, Berlin

Der Mann, der den ganzen Schlamassel zu verantworten hat, sitzt jetzt im Bundesarbeitsministerium und weiß angeblich von nichts. Mehr als 140 Menschen sind nach einem Nato-Bericht in der Nähe von Kundus umgekommen, als am 4. September dieses Jahres auf Befehl eines deutschen Obersts amerikanische Kampfjets zwei steckengebliebene Tanklaster in die Luft jagten.

Der ehemalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung ist wieder in Bedrängnis. (Foto: Foto: Reuters)

Dass nicht nur Taliban sondern auch Zivilisten unter den Opfern sein könnten, dass es Alternativen zur Bombardierung gegeben hätte, dass die Gefährdungslage doch nicht so eindeutig war, wie der diensthabende deutsche Oberst mit dem Rufnahmen "Red Baron 20" glaubte, dass der Dienstweg nicht eingehalten wurde: All das kam danach nur scheibchenweise ans Licht. Die Bombardierung beschädigte nicht zuletzt auch das relativ gute Vertrauensverhältnis schwer, das die Afghanen zur Bundeswehr hatten.

Der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung ist dabei nicht gerade als Chefaufklärer aufgefallen. Er hat noch zwei Tage nach dem Luftschlag in einem Interview am 6. September erklärt, es habe sich bei den Opfern ausschließlich um Taliban-Kämpfer gehandelt. Am Tag vorher aber hatten schon die Außenminister der Europäischen Union die hohe Zahl ziviler Opfer scharf verurteilt. Jetzt sagt Jung, er habe alles richtig gemacht.

Vertuschen und verschleiern - die einzige Kommunikationstechnik

Jung muss jedoch schon früher als bisher bekannt Kenntnis davon gehabt haben, dass einfache Bauern getötet wurden. Längst vor dem 6. September hatten offenbar interne Berichte über die zivilen Opfer und die vielen Pannen bei der Aktion die Führungsspitze der Bundeswehr erreicht, wie jetzt die Bild-Zeitung berichtet.

Im Video: Der ehemalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung gerät unter Druck. Offenbar wurden Informationen über einen Luftangriff in Afghanistan mit zivilen Opfern zurückgehalten. Weitere Videos finden Sie hier

Vertuschen und verschleiern. Das scheint die einzige Kommunikationstaktik gewesen zu sein, die im Verteidigungsministerium in Betracht gezogen wurde. Plausibel, angesichts der anstehenden Bundestagswahl. Wenig plausibel aber ist, dass Jung von den internen Berichten nichts gewusst haben soll, wie Unionsfraktionschef Volker Kauder jetzt glauben machen will.

Der neue Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg macht nun Druck. Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan hat er erfolgreich den Rücktritt nahegelegt. Staatssekretär Peter Wichert auch. Allerdings bleibt der schale Nachgeschmack, dass es vielleicht nicht die Falschen, aber nicht den Richtigen trifft.

Es ist der Bevölkerung auch ohne die 140 Toten vom 4. September schon schwer genug zu erklären, warum Deutschland am Hindukusch verteidigt werden muss. Wenn aber zu so einem katastrophalen Fehler wie den tödlichen Bomben auf Zivilisten auch noch die Unfähigkeit und vielleicht die mangelnde Bereitschaft der Verantwortlichen hinzukommt, den Fehler schnell und klar zu benennen, dann wird schnell auch der letzte Funken Vertrauen zerstört, den Bürger und Soldaten noch in die politische Führung haben.

Jung ist Sprengstoff

Jetzt darf Guttenberg den Scherbenhaufen zusammenkehren, den Jung hinterlassen hat. Das muss mehr Konsequenzen haben als den Rücktritt eine Staatssekretärs und eines Generalinspekteurs.

Jung sollte sich überlegen, ob er überhaupt geeignet ist ein Ministerium zu führen. Wenn er tatsächlich nichts gewusst hat von den Berichten, dann hatte er sein Ministerium nicht im Griff. Wenn er sie kannte, dann hat er dreist gelogen.

Viele haben gelacht, als bekannt wurde, dass er das wichtige Arbeits- und Sozialministerium übernehmen wird. Wer sich jetzt sein Erbe als Verteidigungsminister ansieht, dem dürfte das Lachen schnell vergangen sein. Angst und bange kann einem werden, dass Jung noch im Kabinett sitzt.

Jung ist Sprengstoff. Er hatte als Generalsekretär der hessischen CDU Parteispenden als jüdische Vermächtnisse tarnen lassen. Im Zuge dieser Affäre musste er 2000 als Chef der Staatskanzlei zurücktreten. Als Verteidigungsminister hat er die Aufklärung eines Luftangriffs blockiert, bei dem mehr als 140 Menschen ums Leben kamen.

Wenn schon Jung nicht sieht, dass er nicht mehr tragbar ist, es müsste wenigstens die Kanzlerin merken. Angela Merkel sollte Jung den Rücktritt nahelegen, ihn notfalls rauswerfen. Das wäre nicht nur ein Akt politischer Hygiene. Es wäre auch ein sichtbares Zeichen an die Hinterbliebenen der Opfer, dass ihr Leid in Deutschland endlich ernst genommen wird.

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