Migration:Die Bundespolizei zählt mehr als 90 000 illegale Einreisen

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Lob für die Bundespolizei: Bundesinnenministerin Nancy Faeser bei der Präsentation des Jahresbericht 2022 am Mittwoch in Berlin. (Foto: Christophe Gateau/DPA)

Vor allem die Migration über die Balkanroute und Belarus machte der Grenzpolizei 2022 Arbeit. Ihr Bericht verzeichnet mehr Fahndungserfolge, aber auch mehr Straftaten.

Von Markus Balser und Constanze von Bullion, Berlin

Größere Fahndungserfolge, mehr registrierte Gewalt auch gegen die Polizei, mehr Sexualdelikte, mehr Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht, dafür aber weniger Betrug und Hausfriedensbruch - so lässt sich der Jahresbericht der Bundespolizei für 2022 zusammenfassen. Das Jahr, in dem der Krieg gegen die Ukraine begonnen hat und die Gaspipeline Nordstream 2 gesprengt wurde, aber auch der G-7-Gipfel im bayerischen Elmau stattfand. Es hat deutschen Sicherheitsbehörden deutlich vor Augen geführt, wie angreifbar lebenswichtige Infrastrukturen sind, aber auch Vertreter demokratischer Institutionen.

Seit dem Überfall der islamistischen Hamas auf Israel hat sich die Sicherheitslage auch in Deutschland nach Angaben der Bundesregierung verschärft. Laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat es seither etwa 450 propalästinensische Demonstrationen gegeben. Dem stünden 413 proisraelische Versammlungen gegenüber, sagte die SPD-Politikerin am Mittwoch in Berlin.

Die dichteren Grenzkontrollen zeigten Effekt, sagt der Bundespolizeichef

Faeser kündigte eine harte Reaktion gegen antisemitische Hetze und antiisraelischen Hass an. "Der Nahost-Konflikt darf nicht auf deutschen Straßen ausgetragen werden", sagte sie. In einer liberalen Demokratie wie Deutschland seien Rede-, Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit hohe Güter. Wenn aber hierzulande die Vernichtung von Juden propagiert werde, sei das unerträglich und erfordere die volle Härte des Rechtsstaats.

Die 54 442 Beschäftigten der Bundespolizei sind unter anderem für die Kontrollen von Flughäfen und Schienenwegen zuständig, für die Überwachung der Meere, aber auch für Schleierfahndung und Kontrollen an deutschen Grenzen oder die Unterstützung internationaler Grenzschutzagenturen wie Frontex. Im vergangenen Jahr habe vor allem die Migration über die Balkanroute und Belarus die grenzpolizeiliche Arbeit dominiert. Allein die Zahl unerlaubter Einreisen stieg im Vergleich zum Vorjahr um etwa 60 Prozent auf fast 92 000. Im laufenden Jahr fallen die Zahlen noch höher aus.

Seit der Einführung vorübergehender stationärer Grenzkontrollen auch an den Grenzen zur Schweiz, zu Tschechien und zu Österreich Mitte Oktober habe die Bundespolizei den Kampf gegen illegale Einreisen und Schleuser aber forciert. Allein in den vergangenen drei Wochen seien mehr als 9600 unerlaubte Einreisen festgestellt worden. Rund 3900 seien zurückgewiesen worden. Die dichteren Kontrollen hätten einen deutlichen Effekt, sagte Bundespolizeipräsident Dieter Romann.

Zu den Aufgaben der 54 442 Bundespolizistinnen und -polizisten gehören Kontrollen wie diese an der deutsch-polnischen Grenze. (Foto: Patrick Pleul/DPA)

Seit 2016 wächst die Bundespolizei schneller als jede andere zivile Bundesbehörde in Deutschland. Bis 2026 wurden ihr 17 500 zusätzliche Stellen zugesagt. Inzwischen schlägt sich dieser Personalaufwuchs auch in der jährlichen Bilanz bei der Kriminalitätsbekämpfung nieder.

Vor allem der Diebstahl von Taschen und Gepäck hat zugenommen

702 478 Straftaten registrierte die Bundespolizei 2022, das waren 5,2 Prozent mehr als im Vorjahr. Zugenommen hat nach dem Jahresbericht vor allem der Tatverdacht Eigentumsdelikt, die Zahlen stiegen hier um mehr als 65 Prozent auf 56 652 Fälle. In den meisten Fällen wurden Taschen oder Reisegepäck gestohlen, die Bundespolizei kontrolliert in Deutschland Bahnhöfe und Flughäfen. Ein großer Teil der 2022 registrierten Straftaten ging auf Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht zurück, ein Anstieg von fast 65 Prozent auf 281 506 Delikte.

Auch gegen das Waffenrecht wurde öfter verstoßen, der Zuwachs lag bei 29 Prozent. Die registrierten Sexualdelikte nahmen um mehr als ein Drittel zu, was allerdings auch an verändertem Anzeigenverhalten liegen könnte. Stark rückläufig war nach der Bilanz dagegen der Deliktbereich Betrug, hier registrierte die Bundespolizei mit 72 431 Fällen nur noch halb so viele Vorkommnisse wie im Vorjahr.

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Romann zeigte sich bei der Präsentation der Statistik am Mittwoch zufrieden mit den Fahndungserfolgen seiner Behörde. Hier stieg die Trefferquote erneut, um 13,1 Prozent. "Statistisch stellte die Bundespolizei täglich etwa 645 Personen oder Sachen fest, die zur Fahndung ausgeschrieben waren", heißt es in dem Bericht. Damit erzielte sie mehr als die Hälfe aller Fahndungserfolge im Schengener Informationssystem der EU. Mehr als 19 000 offene Haftbefehle seien vollstreckt worden, "der höchste jemals erzielte Wert". Bei 132 vollstreckten Haftbefehle bestanden Bezüge zur politisch motivierten Kriminalität, mehr als die Hälfte betrafen Beschuldigte aus dem rechten Spektrum.

Sorgen bereitet der Bundesregierung, dass zunehmend auch Polizisten zum Angriffsziel werden. Die Angriffe auf Beamte hätten im vergangenen Jahr stark zugenommen, sagte Bundespolizeichef Dieter Romann. Bundesinnenministerin Nancy Faeser verurteilte das scharf. Dem Bericht zufolge gab es im vergangenen Jahr 2807 tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte, zwölf Prozent mehr als im Jahr 2021.

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