Deutschland reagiert auf Bombenfunde:Terrorschock mit Verspätung

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War Deutschland in Gefahr? Eine der beiden Paketbomben aus dem Jemen hat deutschen Boden berührt. Mit dieser Erkenntnis hat der Terroralarm nun auch die Bundesrepublik erreicht.

Eines der im Jemen aufgegebenen Sprengstoffpakete für die USA ist am Flughafen Köln/Bonn umgeladen worden, ohne dass die Behörden es stoppen konnten. Dies bestätigte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) am Sonntag in Dresden. "Wir nehmen den Vorgang ernst, auch wenn Deutschland wohl nicht Anschlagsziel war", sagte der Minister und fügte hinzu: "Es ist vollständig unklar, wann ... dieser Sprengstoff hätte gegebenenfalls gezündet werden können."

Frachtgut ist offenbar eine Schwachstelle der Terrorismusabwehr. (Foto: dapd)

Deutsche Behörden sind nach Angaben des Innenministers in der Nacht zum Freitag von einem befreundeten Geheimdienst auf das Luftfrachtpäckchen mit dem Sprengstoff hingewiesen worden. Obwohl das Bundeskriminalamt die in Köln umgeladene Sendung aufspürte, konnte es sie nicht mehr zurückgehalten. Das Paket hatte eine halbe Stunde vor der Entdeckung Deutschland in Richtung Großbritannien verlassen. Dort wurde es dann aus dem Verkehr gezogen. Eine zweite Paketbombe wurde am selben Abend in Dubai sichergestellt.

"Dass der Umschlagsort Deutschland war, kann uns nicht ruhig stellen", sagte de Maizière. Als Konsequenz sagte er seine für Sonntag geplante Israel-Reise ab. Zudem stoppte die Bundesregierung alle Frachtgüter für Deutschland aus dem Jemen.

Der Minister räumte zugleich ein, wie sehr die Sicherheitsbehörden von der geplanten Anschlagsserie überrascht wurden. "Die Luftfracht wurde bisher relativ wenig kontrolliert", sagte er. Es habe wenig Hinweise darauf gegeben, dass es Anschläge auf diesem Weg geben könnte. "Dies ist ein neuer Vorgang." Das Defizit sei von den Terroristen erkannt und ausgenutzt worden.

Bombe flog in Passagiermaschinen mit

Am Sonntag wurde auch bekannt, dass die in Dubai gefundene Paketbombe an Bord von zwei Passagierflugzeugen transportiert wurde. Ein Sprecher der Fluggesellschaft Qatar Airways erklärte, das Paket sei zunächst von der jemenitischen Hauptstadt Sanaa nach Doha in Katar geflogen worden. Von dort sei es weiter nach Dubai gebracht worden, wo es von den Behörden sichergestellt wurde.

Der stellvertretende Nationale Sicherheitsberater der USA, John Brennan, erklärte, möglicherweise gebe es weitere Paketbomben. Der vereitelte Anschlagsplan deute auf den Al-Qaida-Ableger im Jemen hin, sagte Brennan. "Sie sind eine gefährliche Gruppe. Sie sind eine entschlossene Gruppe", sagte er dem Sender NBC. "Sie werden versuchen, Schwachstellen im System zu finden."

Beide Paketbomben waren aus dem Jemen versandt worden und an Synagogen im Großraum Chicago adressiert. Die Pakete enthielten ersten Analysen zufolge den Industriesprengstoff PETN, der auch Weihnachten 2009 bei einem vereitelten Anschlag auf ein US-Passagierflugzeug verwendet worden war.

Weltweite Spurensuche

Die Hintermänner der Anschlagsversuche sind noch unbekannt. US-Ermittler haben aber offenbar einen ersten Hauptverdächtigen im Visier: Laut New York Times vermuten die amerikanischen Behörden den Saudi Ibrahim Hassan al-Asiri als Drahtzieher der geplanten Attentate. Er gilt als eine der führenden Figuren der Terrororganisation al-Qaida auf der arabischen Halbinsel.Die Tatsache, dass der Sprengstoff PETN für eine der Bomben verwendet wurde, deutet für die amerikanischen Fahnder auf al-Asiri hin.

Die jemenitischen Sicherheitsbehörden nahmen unterdessen eine Frau fest, die in Verdacht steht, die beiden Paketbomben aufgegeben zu haben. Ihre Handynummer wurde auf einem Formular gefunden,das bei der Aufgabe eines der Pakete ausgefüllt worden war. Auch ihre Mutter sowie weitere Personen, die in der Anruferliste ihres Handys standen, wurden festgenommen.

Der Anwalt der verhafteten 22-Jährigen erklärte jedoch, sie sei möglicherweise Opfer eines Identitätsdiebstahls geworden. Es mache keinen Sinn, dass jemand, der einen Bombenanschlag plane, eine Kopie seines echten Ausweises und seine Telefonnummer hinterlasse, zitierte ihn die britische Sunday Times. Möglicherweise habe jemand ihre Nummer und ihren Ausweis ohne ihr Wissen genutzt. Er beschrieb seine Mandantin als "zurückhaltend".

© sueddeutsche.de/dpa/dapd/AFP/beu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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