Myanmar:Eine Freiheitsikone als Faustpfand der Generäle

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Statt 33 nun noch 27 Jahre Haft: Myanmars Militärmachthaber halten Ex-Premierministerin Aung San Suu Kyi weiter gefangen. (Foto: Imago)

Die Junta in Myanmar kündigt an, die Haft für die demokratisch gewählte Ex-Regierungschefin Aung San Suu Kyi zu reduzieren. Doch wie groß ist die Chance, dass die 78-jährige Nobelpreisträgerin jemals freikommt?

Von Arne Perras

Im Kampf um die Macht in Myanmar ist die frühere Demokratieikone und zivile Regierungschefin Aung San Suu Kyi ein wichtiges, vielleicht sogar das wichtigste Faustpfand in der Hand der Generäle. Wie das Militär taktiert, um den internationalen Druck auf das Regime und den Widerstand im eigenen Land abzufedern, ist in diesen Tagen gut zu beobachten: Die Armee versucht, sich selbst in mildes Licht zu rücken, indem sie sich gnädig gibt im Umgang mit Aung San Suu Kyi. Das Militär kündigte über das Fernsehen eine Teilamnestie für die inhaftierte Nobelpreisträgerin an. Demnach würde sich ihre Haftzeit um sechs Jahre reduzieren.

Doch welche Bedeutung hat dieser Schritt? Und wie glaubwürdig ist er? Mit ihrem politisches Manöver versucht die Junta offenkundig, von einer anderen Härte des verhassten Militärregimes abzulenken: Die Generäle haben nahezu zu gleichen Zeit den Ausnahmezustand verlängert und versprochene Wahlen abgesagt.

Die Armee führt Krieg gegen das eigene Volk

Seit dem Militärcoup im Februar 2021 herrscht die Armee mit drakonischen Mitteln, sie führt einen Krieg gegen das eigene Volk. Die demokratische Bewegung hat sie in den Untergrund gezwungen, viele sind geflohen. Gleichzeitig ist die Junta mit zivilem, aber auch militärischem Widerstand konfrontiert. Internationale Sanktionen befördern die Isolation des Regimes, das mit China und Russland allerdings noch schwergewichtige antiwestliche Paten hinter sich hat.

Langfristig will sich die Junta politisch salonfähig machen. Und Aung San Suu Kyi dient ihr hierfür als Hebel. Vor zweieinhalb Jahren hatten die Generäle über Nacht geputscht, die zivile Regierungschefin entführt und an einem geheimen Ort weggesperrt. Es folgte eine bizarre Serie von Schauprozessen gegen Aung San Suu Kyi, die Vorwürfe reichten von Wahlbetrug bis Korruption. Die Verfahren mündeten schließlich in Urteile mit einer akkumulierten Haftzeit von 33 Jahren Gefängnis. Keines der Verfahren entsprach auch nur annährend internationalen Rechtsstandards.

Auf das Trommelfeuer politisch motivierter Anklagen gegen die demokratisch gewählte Regierungschefin folgt nun offenbar eine Phase, in der sich die Junta als gnädiger Souverän präsentieren möchte. Ob das verfangen wird, ist noch nicht abzusehen. Für Aung San Suu Kyi blieben, wenn es so kommt, immer noch 27 Jahre Haft.

Thailands Außenminister durfte die Gefangene besuchen

Die angekündigte Amnestie soll allerdings nicht nur für Aung San Suu Kyi gelten, sondern auch für Tausende weitere politische Gefangene. Wie die Junta erklärte, diene der Schritt "der Einheit der Ethnien und dem inneren Frieden". Ob Aung San Suu Kyi, sollte sie jemals freikommen, immer noch eine zentrale Rolle für das Land spielen könnte, ist allerdings ungewiss. Manche Myanmarkenner glauben daran eher nicht, weil sich das Land durch die jüngsten Konflikte bereits sehr verändert hat.

Ein Bus mit Begnadigten verlässt am Dienstag das Insein-Gefängnis in Yangon: Zu einem buddhistischen Festtag wurden Tausende freigelassen. (Foto: Thein Zaw/AP)

Auch wenn das Amnestiemanöver durchsichtig anmutet, so scheint sich die Junta davon etwas zu versprechen. Sie setzt auf symbolträchtige Ankündigungen, um das eigene Image aufzubessern. Wichtiger noch: Sie demonstriert ihre Macht. Alle sollen sehen, dass nur das Militär darüber bestimmt, wer sich bewegen darf in diesem Land und wer nicht. Dazu passt, dass die Junta auch den vagen Hinweis gestreut hat, Aung San Suu Kyi könnte aus dem Gefängnis in den Hausarrest in einem Regierungsgebäude verlegt werden.

Was sich die Junta von der Taktik verspricht, deutete sich schon beim Besuch des thailändischen Außenministers Don Pramudwinai Mitte Juli an. Erstmals seit der Inhaftierung von Aung San Suu Kyi hatte das Regime einem Vertreter aus dem Ausland erlaubt, sie zu besuchen. Der Thailänder erwiderte dieses Zugeständnis, indem er sogleich dafür warb, den Dialog mit Myanmars Generälen zu suchen. Auf dem Treffen des Verbandes südostasiatischer Staaten (Asean) berief er sich auf einen angeblichen Wunsch der Inhaftierten, die Konflikte durch Gespräche beizulegen. Unabhängig überprüfbar ist dies nicht, denn nicht einmal ihre Anwälte dürfen über sie sprechen. Auch Dons Aussage, dass es der 78-Jährigen gut gehe, ist ohne die Expertise unabhängiger Ärzte wenig wert.

Eine monumentale Statue soll das fromme Volk gewogen stimmen

Die Junta in Myanmars Hauptstadt Naypyidaw geht nicht zufällig auf den östlichen Nachbarn Thailand zu. Denn auch in Bangkok hat das Militär eine beherrschende Rolle in der Politik und schränkt die demokratische Bewegung ein, wenn auch weniger brutal als in Myanmar. Außerdem verbindet beide Staaten, zumindest was die Bevölkerungsmehrheit betrifft, eine starke Prägung durch den Buddhismus. Und die Religion wollen sich die Machthaber in Myanmar gerne zunutze machen, indem sie sich als deren oberste Wächter präsentieren.

Am 1. August wurde die Einweihung einer gigantischen Buddha-Statue aus weißem Marmor erwartet, wie das Sprachrohr des Regimes, The Global New Light of Myanmar, verkündete. Das Monument ist 5300 Tonnen schwer und fast 25 Meter hoch. Armee-Chef Min Aung Hlaing tritt als frommer Patron ins Licht.

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"Egal ob Min Aung Hlaing die größte Buddha-Statue baut oder das größte Kloster - er kann seine Sünden nicht loswerden. Er ist ein Teufel." Mit diesen Worten zitierte die regimekritische News-Plattform Frontier Myanmar eine Bewohnerin in Naypyidaw während des Baus. Das Regime weiß um den Widerstand gegen die Gewaltherrschaft. Dennoch setzt es darauf, dass religiöse Signale womöglich den einen oder die andere unter den frommen Buddhisten gewogen stimmen. Mehr als 100 Geschäftsleute sollen große Summen für den Bau gespendet haben. Schon frühere Militärregime scharten Günstlinge um sich, die sich unter dem Schirm der Generäle bereicherten und ihnen im Gegenzug die Treue hielten.

Was Aung San Suu Kyi betrifft, so sind die jüngsten Schritte aber noch kein Signal, dass sie bald freikommen könnte. Die Amnestie soll nur fünf von 19 angeblichen Vergehen gelten. Unwahrscheinlich, dass die Junta ihr größtes Faustpfand jetzt ganz rasch freigibt. Erst einmal dürfte sie ausloten, ob sich eine Teilamnestie und Hafterleichterungen schon auszahlen, etwa durch Gespräche mit den Nachbarn, um die Isolation aufzubrechen. So wird womöglich jedes einzelne Haftjahr, das gegen Aung San Suu Kyi verhängt wurde, zum Pfund, mit dem die Junta wuchern möchte.

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