Bund und Länder:Gesetzgebung im Schnelldurchlauf

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Manuela Schwesig (Mitte) ist seit 1. November Präsidentin des Bundesrats. (Foto: Bernd von Jutrczenka/DPA)

Der Bundesrat klagt schon länger, dass ihm die Ampel Vorhaben oft kurzfristig vorlegt. Jetzt gibt es eine Sondersitzung. Einziger Grund: der Nachtragshaushalt der Regierung.

Von Robert Roßmann, Berlin

Es passiert nicht oft, dass der Bundesrat eine Sondersitzung einberufen muss - in diesem Jahr gab es noch keine einzige. Doch das ändert sich jetzt. Auf Bitten der Bundesregierung kommt die Länderkammer an diesem Donnerstag zu einer Sondersitzung zusammen. Einziger Tagesordnungspunkt ist das Nachtragshaushaltsgesetz 2023, mit dem die Ampelkoalition ihr verfassungswidriges Haushaltsgebaren reparieren möchte. Wegen des Zeitdrucks, in den sich die Koalition gebracht hat, kann die Angelegenheit nicht bis zur nächsten regulären Bundesratssitzung warten. Die Vertreter der Landesregierungen sollen den Gesetzentwurf deshalb unter Missachtung der eigentlich geltenden Fristen im Schnelldurchlauf billigen.

Die Bundesregierung hat den Gesetzentwurf zum Nachtragshaushalt am 27. November beschlossen. Noch am selben Tag hat der Kanzler den fast 100 Seiten dicken Entwurf an Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig weitergeleitet. Er übersende den Gesetzentwurf "gemäß Artikel 110 Absatz 3 des Grundgesetzes", schreibt der Kanzler in dem Brief. In diesem Absatz steht, dass der Bundesrat bei derartigen Änderungsvorlagen drei Wochen Zeit hat, Stellung zu nehmen. Die Frist würde also erst am 19. Dezember ablaufen.

Es eilt: Nächste Woche soll schon der Bundestag abstimmen

So viel zur Verfassungslage. Aber so viel Zeit hat die Bundesregierung nicht. Deshalb hat sie den Bundesrat um eine Fristverkürzung gebeten. Und deshalb gibt es an diesem Donnerstag die Sondersitzung für den ersten der beiden nötigen Durchläufe des Gesetzentwurfs durch den Bundesrat.

Nach der für den 14. Dezember geplanten Bundestagsabstimmung soll es in der nächsten regulären Bundesratssitzung am 15. Dezember dann auch den zweiten und abschließenden Durchlauf in der Länderkammer geben. Der Gesetzentwurf könnte dann, wie erforderlich und von der Bundesregierung gewünscht, noch in diesem Jahr in Kraft treten.

Der Zeitplan ist ambitioniert, aber er scheint aufzugehen. Der dafür zuständige Finanzausschuss des Bundesrats hat der Länderkammer bereits empfohlen, keine Einwendungen gegen den Gesetzentwurf zu erheben. Mit dem Nachtragshaushalt der Bundesregierung werden auch Projekte und Leistungen abgesichert, von denen die Länder profitieren - da verzichtet man schon mal auf die im Grundgesetz verankerten Fristen, die eine intensive Prüfung von Gesetzentwürfen ermöglichen sollen.

Die Länderkammer hat ein grundsätzliches Problem mit solchen Bitten

In diesem Fall gibt es also keinen Verfahrensstreit zwischen Bundesregierung und Bundesrat. Prinzipiell ist die Länderkammer über die vielen Fristverkürzungsbitten der Ampelkoalition aber nicht sonderlich erfreut. Es sei "dem Bundesrat sehr bewusst, dass das Gesetzgebungsverfahren für dringliche Vorhaben in Zeiten besonderer Herausforderungen im Einzelfall beschleunigt ablaufen muss", schrieb die Vorsitzende des Ständigen Beirats des Bundesrats bereits vor einem Jahr an die parlamentarischen Geschäftsführer der Ampelfraktionen. Gleichwohl bitte sie "dringend darum, die Zahl der Fristverkürzungsanfragen auf absolut notwendige Fälle zu beschränken".

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Auch in schwierigen Zeiten seien "die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrats zu wahren und die Vorgaben unserer Verfassung einzuhalten". Durch "eine fristverkürzte Beratung im Bundesrat sollen und können Verzögerungen im Bundestag oder innerhalb der Bundesregierung nicht ausgeglichen werden - die Beratungsfristen, die unsere Verfassung vorsieht, haben ihren Grund". Es sollte deshalb gemeinsamer Anspruch sein, "auch in herausfordernden Zeiten geordnete Gesetzgebungsverfahren zu wahren".

Diesen Anspruch erfüllt die Bundesregierung im Moment allerdings nicht so recht. Denn es muss ja nicht nur der Nachtragshaushalt 2023 verabschiedet werden. Bis Jahresende sollte auch noch ein verfassungsfester Bundeshaushalt 2024 beschlossen werden. Doch auf den haben sich die Ampelpartner wegen erheblicher Differenzen bisher noch nicht einmal innerhalb der Regierung verständigen können - geschweige denn haben sie dem Bundesrat schon etwas Beschlussreifes vorgelegt.

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