Abschiebegesetz:Buschmann befürchtet "verfassungsrechtliches Risiko"

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Justizminister Marco Buschmann warnt Innenministerin Nancy Faeser vor einer allzu dünnen Begründung für die geplante Ausdehnung des Ausreisegewahrsams. (Foto: Carsten Koall/DPA)

Der Bundesjustizminister hält Teile des geplanten Rückführungsgesetzes für verfassungsrechtlich bedenklich - und fordert Innenministerin Faeser zu mehr Sorgfalt auf.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Es fehlt in diesen Tagen nicht an Vorschlägen, in der Asylpolitik eine härtere Gangart anzuschlagen. Regelmäßig folgt von anderer Stelle dann der Einwand, die Vorschläge seien gar nicht umsetzbar oder womöglich sogar rechtswidrig. Jüngstes Beispiel: Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat verfassungsrechtliche Bedenken gegen das von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) geplante Rückführungsgesetz angemeldet, das für schnellere Abschiebungen sorgen soll.

Weil zwei von drei Abschiebungen scheitern, will Innenministerin Faeser mit ihrem "Gesetz zur Verbesserung von Rückführungen" erreichen, dass vollziehbar ausreisepflichtige Asylbewerber auch tatsächlich das Land verlassen, jedenfalls in höherer Zahl als bisher. Ihr Gesetzentwurf wurde kürzlich im Kabinett beschlossen. Er sieht vor, kinderlosen Asylbewerbern ihre Abschiebung nicht mehr vorher anzukündigen. Räume und Smartphones sollen von der Polizei leichter durchsucht werden können. Aber auch die Zeitspanne, in der abgelehnte und ausreisepflichtige Asylbewerber im Ausreisegewahrsam festgehalten werden können, will Faeser verlängern. Bisher galt hier eine Maximaldauer von zehn Tagen, in Zukunft soll sie bei 28 Tagen liegen, das ist fast dreimal so lang.

Buschmann mahnt eine "strikte Beachtung der Verhältnismäßigkeit" an

Justizminister Buschmann, sonst nicht zimperlich bei der Verschärfung der Asylpraxis, hat verfassungsrechtliche Bedenken gegen dieses Vorhaben angemeldet. Der digitale Informationsdienst Table Media zitierte am Sonntagabend aus einer Stellungnahme, in der das Bundesjustizministerium eine "strikte Beachtung der Verhältnismäßigkeit" bei der geplanten Ausweitung des Abschiebegewahrsams angemahnt hat, und zwar noch bevor Faesers Gesetz ins Kabinett ging. Je stärker die Freiheit eines Individuums beschränkt werde, "umso wichtiger müssen die Gründe sein, die sie tragen sollen und umso strenger wird die Erforderlichkeit zu prüfen sein", hieß es in der Stellungnahme. Eine Sprecherin des Bundesjustizministerium wollte sie am Montag nicht kommentieren, dementierte den Bericht aber auch nicht.

Demnach warnte Justizminister Buschmann die Kollegin Faeser vor einer allzu dünnen Begründung für die geplante Ausdehnung des Ausreisegewahrsams, also haftähnlicher Bedingungen unmittelbar vor der Rückführung: "Die fachlichen Gründe für eine nahezu Verdreifachung der bisher gesetzlich vorgesehenen Höchstdauer des Ausreisegewahrsams sind bisher nicht dargelegt." Der Ausreisegewahrsam sei "in zeitlicher Hinsicht auf das unmittelbare Vorfeld der Abschiebung" zu begrenzen. Ohne bessere "fachliche Aufbereitung" der Gründe für eine Ausdehnung des Gewahrsams "dürfte ein verfassungsrechtliches Risiko bestehen", so Buschmanns Haus.

Mit anderen Worten: Wenn Faesers Ministerium an dieser Stelle nicht sorgfältiger arbeite, könnte das Rückführungsgesetz in Karlsruhe scheitern. Auch der Deutsche Anwaltverein hatte vor Kurzem erhebliche Bedenken gegen die geplante Ausweitung von Ausreisegewahrsam und Haftgründen für Asylbewerber vorgebracht.

Der Richterbund hält die Dreimonatsfrist bei Asylverfahren für illusorisch

Und noch ein weiterer Einwand gegen die Asylpolitik von Bund und Ländern wurde am Wochenende laut. Der Deutsche Richterbund warnte vor der Illusion, Asylverfahren in Zukunft so beschleunigen zu können, dass sie nicht länger als drei Monate dauern. Das hatten die Ministerpräsidenten der Länder kürzlich als bundesweites Ziel ausgegeben. Die aktuellen Bearbeitungszeiten der Verwaltungsgerichte seien "von der politisch angestrebten Dreimonatsfrist überwiegend noch weit entfernt", warnte nun der Richterbund.

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Richtig sei zwar, dass das Tempo von Asylverfahren bundesweit angezogen habe. Während erstinstanzliche Asylklagen 2022 im bundesweiten Durchschnitt noch 20 Monate gedauert hätten, sei die Verfahrenslaufzeit inzwischen auf rund 17 Monate gefallen. Die gewünschten drei Monaten lägen aber noch in weiter Ferne, auch wegen erheblicher regionaler Unterschiede.

Während ein Asylverfahren in Trier im Schnitt 3,5 Monate dauere, seien es im brandenburgischen Cottbus 38,5 Monate, also mehr als drei Jahre. In Hessen brauchten Gerichte im Schnitt mehr als 30 Monate, in Niedersachsen 23,4 Monate. "Die Bundesländer müssen der politischen Ankündigung schnellerer Asylverfahren rasch Taten folgen lassen", sagte der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbunds, Sven Rebehn: "Ohne personelle Verstärkungen für die Verwaltungsgerichte wird es nicht gehen." Nötig seien auch spezialisierte Kammern für Asylklagen und die Konzentration solcher Verfahren bei zentral zuständigen Gerichten.

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