Unwetter:"An viele Stellen kommen wir nicht ran"

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Das Technische Hilfswerk im Einsatz in Hagen. (Foto: INA FASSBENDER/AFP)

In Hagen hat es besonders stark geregnet. Einsatzkräfte räumen Geröll weg, pumpen Keller leer, evakuieren Bewohner. Der Ortsbeauftragte des Technischen Hilfswerks über einen schwierigen Einsatz.

Interview von Sophie Kobel

Die Stadt Hagen in Nordrhein-Westfalen ist besonders vom Starkregen der vergangenen Tage betroffen. Viele Straßenzüge sind ohne Strom, Menschen wurden in Turnhallen untergebracht. Gut 50 Ehrenamtliche des Technischen Hilfswerks (THW) sind dort derzeit täglich im Einsatz. Rüdiger Splitt ist Ortsbeauftragter des THW Hagen. Der 58-Jährige sitzt im Krisenstab der Stadt Hagen und beschließt, welche Maßnahmen ergriffen werden.

SZ: Herr Splitt, wie geht es Ihnen und den anderen Einsatzkräften heute Morgen?

Rüdiger Splitt: Die Lage hat sich gerade etwas entspannt, weil der Regen gestern gegen 23 Uhr nachgelassen hat. Jetzt geht es darum, sich einen Überblick zu verschaffen und die Wasserversorgung wiederherzustellen. Dabei sieht man heute viele der Probleme erst richtig, und an viele Stellen kommen wir nicht ran. Die Flüsse sind übergetreten, die Keller voll, die Straßen voller Geröll. Da kommt der Notarzt häufig einfach nicht durch.

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Wie löst man dieses Problem möglichst schnell?

Mithilfe von Räumpanzern, Baggern und Radladern der Bundeswehr. Da wird einem erst bewusst, wie viel Geröll sich bei schweren Unwettern in Bewegung setzt. Und das an Stellen, an denen gar keine Bäche sind.

Rüdiger Splitt, 58, Ortsbeauftragter des Technischen Hilfswerks Hagen. (Foto: THW Hagen)

Hatten Sie das Gefühl, gut auf so ein starkes Hochwasser vorbereitet gewesen zu sein?

Wir haben aus den vergangenen Elb-Hochwassern 2002 und 2008 viel gelernt. Das technische Equipment hat damals nicht ausgereicht. Wenn heute die Strom- und Wasserversorgung bedroht ist, können die Einsatzkräfte besser reagieren, weil sie besser ausgerüstet sind. Aber bei mehreren Hundert Einsätzen pro Tag gibt es natürlich immer neue Herausforderungen. Zum Beispiel: Wann wären welche Pumpen besser gewesen? Da werden wir im Nachhinein Bilanz ziehen. Momentan sind fast alle Einsätze noch nicht abgeschlossen. In der Stadt Hagen haben wir solche Hochwasser noch nie erlebt.

Ein Feuerwehrmann ist gestern in Altena bei einem Rettungseinsatz ertrunken. Wie geht man mit der Angst bei manchen Einsätzen um?

Der Blick von außen ist da extremer. Wir stehen unter Adrenalin und wissen nie, was uns erwartet. Wenn es heißt, "Menschenleben in Gefahr", hat man natürlich ein mulmigeres Gefühl, als wenn eine Mauer eingestürzt ist. Aber da denkt man erst hinterher drüber nach. Man hat in dem Moment den Auftrag, seinen Job zu erledigen.

Wie einfühlsam kann man in solch extremen Stresssituationen mit betroffenen Mitmenschen umgehen?

Evakuierungen gehören zu unseren Einsätzen dazu. Man sieht das Leid natürlich und hat Mitgefühl, auch, weil man danach selbst in sein trockenes Bett gehen kann. Wir versuchen, möglichst freundlich zu sein, aber man ist dann auch schnell wieder weg, weil die nächste Aufgabe wartet. Minuten nach der Evakuierung versucht man etwa, ein Auto aus den Fluten zu ziehen, und ist mit dem Kopf wieder ganz woanders.

Wie viel Schlaf hat Ihr Team vergangene Nacht bekommen?

Fünf Stunden. Um acht Uhr ging es dann wieder los. In der Nacht haben wir ein wenig runtergefahren. Das ist notwendig, eine übermüdete Einsatzkraft nutzt niemandem.

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