In den von der Hochwasserkatastrophe betroffenen Gebieten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz werden die Aufräum- und Bergungsarbeiten fortgesetzt. Im Vordergrund steht die Suche nach Vermissten. Stundenlanger Starkregen hatte zu einem verheerenden Hochwasser geführt - vor allem im Kreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz und im Rhein-Erft-Kreis in Nordrhein-Westfalen. Die wichtigsten Entwicklungen im Newsblog.
Oliver Klasen
Zahl der Toten und Verletzten steigt erneut, etliche Vermisste inzwischen gefunden
Die Zahl der Todesfälle nach der Unwetterkatastrophe ist in Nordrhein-Westfalen um ein Opfer auf 48 gestiegen. Wie das Kölner Polizeipräsidium am Dienstag mitteilte, hat ein Leichenspürhund einen weiteren, noch nicht identifizierten Toten im Katastrophengebiet in Bad Münstereifel gefunden. Mehr als 850 als vermisst gemeldete Menschen hätten die Ermittler mittlerweile telefonisch erreicht. Aktuell suche die Polizei noch nach 14 Menschen aus dem Raum Bonn/Rhein-Sieg-Kreis und zwei aus dem Kreis Euskirchen.
Die Zahl der Todesopfer der Unwetterkatastrophe im rheinland-pfälzischen Kreis Ahrweiler ist der Polizei zufolge auf 122 gestiegen. Bislang war die Rede von 117 Toten gewesen. Die Zahl der Verletzten stieg ebenfalls auf nunmehr 763. Aktuell würden noch 155 Menschen vermisst, sagte der Sprecher weiter.
Newsdesk
Laschet kündigt 200 Millionen Euro Hochwasser-Hilfe für NRW an
Die nordrhein-westfälische Landesregierung wird 200 Millionen Euro für die Opfer der Unwetterkatastrophe bereitstellen. Das kündigte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) im "heute journal" des ZDF an. "Das Land Nordrhein-Westfalen wird 200 Millionen Euro bereitstellen, die dann der Bund verdoppeln will", sagte er. Laut Düsseldorfer Regierungskreisen gibt es eine Zusage des Bundes, Soforthilfen der Länder zu verdoppeln.
Bislang ist bekannt, dass die Bundesregierung an diesem Mittwoch, rund eine Woche nach Beginn der Hochwasserkatastrophe vor allem im Westen Deutschlands, laut einer Kabinettsvorlage 400 Millionen Euro an Soforthilfen auf den Weg bringen will. Sie sollen je zur Hälfte vom Bund und von den Ländern getragen werden. Damit sollen die schlimmsten Schäden an Gebäuden und kommunaler Infrastruktur beseitigt und besondere Notlagen überbrückt werden. Bei diesen 400 Millionen werde es aber nicht bleiben, hieß es aus Düsseldorfer Koalitionskreisen.
Außerdem ist ein Aufbaufonds geplant. Der Bund will den Ländern zudem die Kosten für Rettungseinsätze von Bundespolizei, Technischem Hilfswerk und Bevölkerungsschutz erlassen. Auch die Bundeswehreinsätze in den Überschwemmungsgebieten sollen nicht in Rechnung gestellt werden. Zur Bewältigung der Schäden sollen auch Mittel aus dem EU-Solidaritätsfonds beantragt werden.
Oliver Klasen
Zwei Campingplätze evakuiert
Im Kreis Heinsberg werden, wie der WDR berichtet, zwischen Schwalmtal und Wegberg zwei Campingplätze vorsichtshalber evakuiert. Hinter einem sandigen Damm haben sich laut Feuerwehr durch den Starkregen zehntausende Liter Wasser angesammelt. Ein Rückhaltebecken sei teilweise eingestürzt.
Oliver Klasen
Mehr als eine Milliarde Euro Schaden
Die deutschen Versicherer müssen nach ersten Schätzungen von Experten Milliardenschäden nach der Hochwasser-Katastrophe begleichen. Die Versicherungsmathematiker (Aktuare) der Kölner Beratungsfirma Meyerthole Siems Kohlruss (MSK) erwarten einen versicherten Schaden von mehr als einer Milliarde Euro. "Das Gros der versicherten Schäden kommt aus der (erweiterten) Elementarversicherung, ein kleinerer Teil aus der Kfz- und Transport-Sparte", sagte MSK-Geschäftsführer Onnen Siems am Dienstagabend.
Der wirtschaftliche Schaden sei deutlich höher, doch seien Risiken durch solche Naturgefahren in vielen Wohngebäude- und Hausratversicherungen nicht abgedeckt. "Dadurch beläuft sich der Schadenbetrag der Versicherer auf deutlich unter 40 Prozent des theoretisch versicherbaren Schadens", sagte Siems. Die Frage, was von den Policen genau gedeckt ist, könnte in der Regulierung der Schäden für Probleme sorgen. "Schadenursachen wie Dammbruch oder Unterspülungen und die Trennung zwischen Starkregen und Hochwasser sind je nach Klausel und Bedingungswerk gedeckt oder ausgeschlossen", sagte der Aktuar. Die Schadenabwicklung werde Monate bis Jahre dauern.
Insgesamt dürften die deutschen Sach- und Autoversicherer in diesem Jahr nach den Schätzungen von MSK mehr als 3,7 Milliarden Euro für die Bewältigung von Naturkatastrophen ausgeben müssen. "Nach sieben unterdurchschnittlichen Schadenjahren hat 2021 das Potenzial, das langjährige Mittel von 3,7 Milliarden Euro für die deutschen Versicherer zu übersteigen", sagte Siems. Der Branchenverband GDV hatte den Schaden durch die Hagelunwetter in Süddeutschland im Juli auf 1,7 Milliarden Euro veranschlagt.
Kassian Stroh
3500 Euro Soforthilfe für betroffene Haushalte in Rheinland-Pfalz
Für Betroffene der Hochwasserkatastrophe hat die rheinland-pfälzische Landesregierung Soforthilfen von bis zu 3500 Euro pro Haushalt beschlossen. Das Geld solle ohne Bedürftigkeitsprüfung schnellstmöglich über die Kreisverwaltungen ausgezahlt werden, teilte die Staatskanzlei mit. „Wer durch das Hochwasser einen Schaden an Wohnraum, Hausrat oder Kleidung erlitten hat, bekommt unbürokratisch und schnell Hilfe“, sagte Innenminister Roger Lewentz (SPD). Eine Vermögensprüfung sei nicht notwendig, Spenden würden nicht angerechnet. „Damit hoffen wir dazu beitragen zu können, die akute Not vieler Menschen ein Stück weit zu lindern.“
Darüberhinaus seien auf dem Spendenkonto der Landesregierung mehr als 6,2 Millionen Euro an Privatspenden eingegangen, teilte die Staatskanzlei mit. Auch diese sollen nun laut Lewentz über die Landkreise verteilt werden. „Vor Ort kann am besten gesehen werden, wo die Not am größten ist und wie Abhilfe geschaffen werden kann.“
Oliver Klasen
Sorge um medizinische Lage in den Hochwassergebieten
Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund zeigt sich mit Blick auf die Versorgung von Patienten in den westdeutschen Katastrophengebieten besorgt. Beispielsweise seien zahlreiche Arztpraxen in den betroffenen Regionen überschwemmt oder komplett zerstört. "Wir wissen derzeit von über 20 Arztpraxen alleine in Rheinland-Pfalz, die nicht mehr arbeitsfähig sind“, sagte Hans-Albert Gehle, der Vorsitzende des Marburger Bundes in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Nicht von Hochwasser betroffene Praxen müssten Patienten in einer solchen Lage mitversorgen. Es sei zudem sinnvoll, wenn für chronisch Kranke und sonstige Patienten in Gemeinden und Stadtteilen provisorische „Not-Praxen“ sowie „Not-Apotheken“ aufgebaut würden.
Oliver Klasen
Kretschmann: Elementarversicherung muss für Hausbesitzer Pflicht sein
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann fordert angesichts der Hochwasserkatastrophe der vergangenen Tage eine verpflichtende Elementarschadenversicherung für alle Gebäudebesitzer. Alle Immobilienbesitzer müssten in eine Solidargemeinschaft gehen, sonst werde das Folgen haben, die man nicht mehr gut bewältigen könne, sagte der Grünen-Politiker. In Baden-Württemberg liege die Versicherungsquote bei 90 Prozent, in anderen Ländern aber nur bei 30 Prozent.
Kretschmann hat diese Forderung bereits in der Vergangenheit erhoben - er kündigt jetzt an, sich in der Ministerpräsidentenkonferenz im Herbst erneut dafür einzusetzen. Als Elementarschäden gelten Schäden, die durch Naturereignisse wie Starkregen, Hochwasser oder Erdrutsche verursacht werden. In Baden-Württemberg gab es bis Mitte der 90er-Jahre eine umfassende Versicherungspflicht, die auch den Schutz vor Schäden durch Sturm, Hagel, Hochwasser, Überschwemmungen, Lawinen und Erdrutschen umfasste.
Kassian Stroh
Weiterhin mehr als 170 Vermisste
Knapp eine Woche nach dem Hochwasser werden im Rhein-Erft-Kreis in Nordrhein-Westfalen noch fünf Menschen vermisst. Bei ihnen sei der Aufenthaltsort derzeit ungewiss, sagte Landrat Frank Rock. Man habe aber viele Vermisstenfälle klären können. „Viele, viele Leute haben sich bei ihren Verwandten gemeldet und sind wohlauf“, teilte die Polizei mit.
Im ebenfalls schwer betroffenen Gebiet an der Ahr in Rheinland-Pfalz suchen die Behörden unverändert nach 170 Menschen. Diese Zahl von Vermissten nannte ein Sprecher der Polizei in Koblenz.
Kassian Stroh
Mobiles Impfteam kommt ins Ahrtal
Aus Sorge über eine mögliche Ausbreitung von Corona-Infektionen im Unwettergebiet schickt die Mainzer Landesregierung ein mobiles Impfteam in das Ahrtal. Ein Bus solle die von der Flutkatastrophe betroffenen Orte abfahren, teilte das Gesundheitsministerium mit. Vor Ort seien Impfungen ohne Voranmeldung mit den Vakzinen der Hersteller Biontech sowie Johnson & Johnson möglich. Auch kostenlose Schnelltests werden angeboten.
Aktuell habe die Beseitigung der Flutfolgen und die Versorgung der Betroffenen oberste Priorität, sagte ein Ministeriumssprecher dem Evangelischen Pressedienst. Dennoch wolle das Land auch verhindern, dass sich die Pandemie bei den Hilfseinsätzen oder in den Notunterkünften wieder schneller ausbreite.
Julia Bergmann
Bayern will 40 Milliarden Euro in den Hochwasserschutz investieren
Der Freistaat wird laut Umweltminister Thorsten Glauber massiv in den Hochwasserschutz investieren, weil man häufiger mit extremen Wettersituationen rechnen müsse. "Wir werden 40 Milliarden Euro für Hochwasserschutz in den nächsten 20 Jahren ausgeben", sagt der Politiker der Freien Wähler nach der Sitzung des bayerischen Kabinetts. Zudem wolle man genauer analysieren, wo künftig Extremwetterlagen auftreten könnten.
Kassian Stroh
Bund und NRW versprechen rasche Hilfen
Der Bund und das Land Nordrhein-Westfalen haben den von der Unwetterkatastrophe Betroffenen erneut umfassende Hilfen zugesagt. "Wir werden Sie nicht nach Kurzem vergessen", versprach Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den anwesenden Kommunalpolitikern bei einem Besuch in Stadt Bad Münstereifel südwestlich von Bonn. Am Mittwoch werde ihr Kabinett Soforthilfen beschließen. Am Donnerstag folge dann das entsprechende Programm des Landes Nordrhein-Westfalen, kündigte Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) an. Das Land werde die Hilfen des Bundes verdoppeln. Laschet versprach, die Hilfen würden unbürokratisch und rasch ausbezahlt. Merkel sagte, das solle eine "Sache von Tagen" sein. Der Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur werde aber lange dauern.
Merkel sagte, die Schäden seien "erschreckend", zum Teil habe sie "entsetzliche Zustände" gesehen. "Das einzige, was tröstet, ist die Solidarität der Menschen." Wie auch Laschet würdigte sie die Arbeit der ehrenamtlichen Helfer. "Viele haben gesagt, Corona spalte die Gesellschaft", sagte Laschet. "Hier ist das nicht spürbar."
Merkel zeigte sich zugleich offen für den Aufbau eines Warnsystems bei Katastrophen über SMS. Dieses "cell broadcasting" könne die bestehenden Warnsysteme ergänzen, diese aber nicht ersetzen. Die Nina-App etwa habe den Vorteil, dass sie auch noch funktioniere, wenn der Mobilfunk ausgefallen sei und keine SMS-Warnung mehr möglich ist, sagte Merkel. Dennoch werde man sich das System anschauen, das Mobilfunkanbieter in Deutschland aber bisher nicht angeboten hätten. Laschet ergänzte, man müsse wieder verstärkt auf analoge Warnsystem wie Sirenen setzen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (Mitte) und Ministerpräsident Armin Laschet (beide CDU) in Bad Münstereifel. Wolfgang Rattay/Reuters
Julia Bergmann
Pressekonferenz mit Merkel und Laschet in Bad Münstereifel erwartet
Bundeskanzlerin Angela Merkel ist am Dienstag nach Bad Münstereifel gereist. Zusammen mit dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsident Armin Laschet macht sich Merkel ein Bild von der Hochwasserkatastrophe in NRW. Eine gemeinsame Pressekonferenz der beiden wird um 13:50 Uhr erwartet. Die Süddeutsche Zeitung zeigt sie hier im Livestream.
Bad Münstereifel im Kreis Euskirchen ist von dem Unwetter der vergangenen Tage heftig betroffen. Merkel war am Wochenende bereits in Rheinland-Pfalz zu Besuch und hatte sich dort mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) ein Bild von der Lage im Hochwassergebiet entlang der Ahr gemacht.
Julia Bergmann
Innenausschuss will über Ablauf der Flut-Warnungen beraten
Der Innenausschuss des Bundestages will am Montag in einer Sondersitzung über die Hochwasser-Katastrophe beraten. "Inhaltlich soll es zum einen um die aktuelle Lage in den Hochwassergebieten, aber auch um die Abläufe der Warn- und Alarmierungsverfahren in der vergangenen Woche gehen", teilt die Ausschussvorsitzende Andrea Lindholz (CSU) mit. "Die Pandemie und diese Naturkatastrophe zeigen uns ganz klar, dass wir uns besser vorbereiten müssen, dass sich etwas ändern muss." Ihre Teilnahme zugesagt hätten Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Armin Schuster.
Julia Bergmann
Polizei warnt vor falschen Durchsagen im Krisengebiet
Die Polizei hat vor falschen Durchsagen im Katastrophengebiet im Norden von Rheinland-Pfalz gewarnt. Es lägen Informationen vor, wonach dort Fahrzeuge mit Lautsprechern unterwegs seien, die polizeilichen Einsatzfahrzeugen ähnelten, teilte die Polizei in Koblenz mit. Mit diesen werde „wahrheitswidrig“ verbreitet, dass die Zahl der Einsatzkräfte verringert werde.
„Das ist eine Falschmeldung“, betonte die Polizei in der Mitteilung. „Die Polizei reduziert die Anzahl der Einsatzkräfte nicht und befindet sich weiterhin ohne Unterbrechung im Katastrophengebiet.“
Julia Bergmann
50 Millionen Euro Hochwasserhilfen für Betroffene in Bayern
Die vom Hochwasser besonders betroffenen Bewohner von acht bayerischen Landkreisen erhalten bis zu 50 Millionen Euro Soforthilfen vom Land. „Die bayerische Staatsregierung lässt niemand im Stich, der durch Hochwasser in eine Notlage gekommen ist“, sagte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) nach einer Sitzung des Kabinetts in München. Der Staat müsse in solchen Situationen für die Menschen eintreten. Wie hoch die Schäden am Ende tatsächlich ausfallen, sei aber noch nicht absehbar.
Inzwischen könne in Bayern von einer sich entspannenden Lage gesprochen werden, sagte Herrmann. Um in Zukunft die Vorwarnung der Menschen zu verbessern, solle bei der Alarmierung der Bevölkerung wieder verstärkt auf Sirenen gesetzt werden. Wenn es „sehr sehr schnell gehen muss“, gebe es Situationen, in denen Warn-Apps zu ungenau und zu vage seien.