Koblenz:Mutmaßliche IS-Rückkehrerin bestreitet IS-Erziehung

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Eine Statue der Justitia hält eine Waage in ihrer Hand. (Foto: David-Wolfgang Ebener/dpa/Symbolbild)

Die erste mutmaßliche IS-Rückkehrerin aus Rheinland-Pfalz hat vor dem Oberlandesgericht Koblenz bestritten, ihren Sohn im Sinne der IS-Ideologie erzogen zu...

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Koblenz (dpa/lrs) - Die erste mutmaßliche IS-Rückkehrerin aus Rheinland-Pfalz hat vor dem Oberlandesgericht Koblenz bestritten, ihren Sohn im Sinne der IS-Ideologie erzogen zu haben. Der Staatsschutzsenat ließ am Donnerstag drei Fotos des Jungen als Baby und Kleinkind mit einem Spielzeuggewehr an die Wand projizieren.

„Alle Kinder haben da irgendwo mit Spielzeugwaffen gespielt“, sagte die dreifache Mutter mit Blick auf ihr früheres Leben in Syrien. Oberstaatsanwalt Christopher do Paço Quesado fragte sie hingegen: „Sollte damit ein kleiner Kämpfer erzogen werden?“ Die deutsche Angeklagte wies das zurück: Sie habe keine Beteiligung ihrer Familie an Kämpfen gewollt, auch wenn aus ihrer früheren Sicht die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) das eigene Gebiet habe verteidigen müssen.

Die Anklage wirft der 29-jährigen Mutter Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor. Sie sei von 2014 bis 2019 IS-Mitglied gewesen. Sie habe zur Ausreise in das vom IS ausgerufene Kalifat aufgerufen, die Gräueltaten der Terrormiliz gerechtfertigt und die Tötung der Ungläubigen gefordert.

Bei der Verlesung ihrer laut Verteidigung rund 150-seitigen handgeschriebenen Einlassung hatte die Frau am vergangenen Freitag zugegeben, in einem Online-Post 2015 deutlich gegen das Leben in Deutschland und die Demokratie gehetzt und Muslime dazu aufgefordert zu haben, das Land zu verlassen. Inzwischen tue ihr dies leid. Am Donnerstag beendete sie ihre lange Einlassung.

Laut Anklage war die Frau 2014 nach ihrem Übertritt zum Islam schwanger aus Idar-Oberstein über die Türkei nach Syrien ausgereist. Nacheinander soll sie mit vier IS-Kämpfern verheiratet gewesen sein und deren Taten unterstützt haben. Drei seien in Gefechten gestorben. Ihre drei Kinder lebten nun in Pflegefamilien. Die 29-Jährige war der Anklage zufolge 2019 von kurdischen Kräften festgesetzt und im Januar 2020 mit ihren Kindern von der Türkei nach Deutschland abgeschoben worden. Am Frankfurter Flughafen wurde sie festgenommen. Sie sitzt in Untersuchungshaft.

Bei ihrer Ausreise mit ihrem ersten Mann, den sie nach islamischem Recht geheiratet hatte, vor sechs Jahren nach Syrien war die junge Frau nach eigenen Worten noch „sehr unreif“ gewesen. Sie habe sich mit dem Bürgerkrieg in Syrien zuvor „nicht näher beschäftigt“ und als Schwangere auch nicht überlegt, was er für ihr Kind bedeuten könnte. Sie habe gedacht, der IS kämpfe gegen das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, „um die Leute zu befreien“. Dass der IS selbst massenhaft getötet habe, sei ihr seinerzeit nicht bekannt gewesen.

Auch auf den Hinweis von Oberstaatsanwalt Christopher do Paço Quesado, der Genozid des IS an den Jesiden habe schon vor ihrer Abreise aus Deutschland begonnen und sei seinerzeit in deutschen Medien Thema gewesen, sagte die Angeklagte: „Das wusste ich damals nicht.“ Zu dem Zeitpunkt sei sie erst 23 Jahre alt gewesen.

Die in Sachsen aufgewachsene Frau, deren Mutter früh gestorben war, betonte, sie sei froh, jetzt in Deutschland zu sein. Hier sehe sie Chancen für ihre Zukunft. „Natürlich war die Trennung von meinen Kindern sehr schmerzhaft“, ergänzte die 29-Jährige. Laut Familiengericht Frankfurt dürfe sie in Untersuchungshaft ihre Kinder nur einmal im Monat für eine Stunde sehen, und auch das funktioniere nicht immer.

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