Eigentlich hätte der Regisseur und Drehbuchautor Paul Haggis diese Woche der Stargast auf dem "Allora Fest" in der süditalienischen Gemeinde Ostuni sein sollen. Der Oscarpreisträger wollte dort in mehreren sogenannten Master Classes über sein Leben und sein Werk berichten. Jetzt sitzt der 69-Jährige allerdings erst mal in Untersuchungshaft. Laut mehreren italienischen Medienberichten wird ihm schwere sexuelle Nötigung vorgeworfen. Er soll eine junge, nicht aus Italien stammende Frau zwei Tage lang missbraucht haben. Danach soll er sie am Sonntag zum Flughafen in Brindisi gebracht und allein gelassen haben. Die Polizei und das Flughafenpersonal sollen auf die Frau aufmerksam geworden sein. Sie wurde ins Krankenhaus gebracht und erstattete Anzeige.
Es ist nicht der erste Vorwurf dieser Art gegen Haggis. Die PR-Beraterin Haleigh Breest beschuldigt ihn, sie nach einer Filmpremiere im Jahr 2013 brutal vergewaltigt zu haben. Einige Jahre später verklagte sie ihn. Danach meldeten sich 2018 noch drei weitere Frauen, die ihn sexueller Übergriffe beschuldigten, eine davon der Vergewaltigung. Haggis bestreitet alle Vorwürfe. Das Verfahren läuft noch, es hat sich laut Variety unter anderem wegen der Corona-Pandemie verzögert.
Verdacht der schweren sexuellen Nötigung:Regisseur Paul Haggis in Italien festgenommen
Der 69-Jährige soll eine junge Frau zwei Tage lang missbraucht und anschließend verletzt zurückgelassen haben.
Zwei Oscars
Paul Haggis galt in Hollywood lange als Drehbuch-Wunderkind. Der gebürtige Kanadier arbeitete zunächst viel fürs Fernsehen, schrieb einzelne Sitcom-Folgen ("Wer ist hier der Boss?") und ist einer der Miterfinder der Serie "Walker, Texas Ranger". Im Kino etablierte er sich erst nach der Jahrtausendwende zu einer festen Größe, das aber gleich mit einem Knall. Er gewann 2006 zwei Oscars fürs beste Drehbuch und für den besten Film mit seinem Drama "L.A. Crash", den er selbst inszenierte. Für seine Drehbücher zu "Million Dollar Baby" und "Letters From Iwo Jima" (beide für Clint Eastwood) wurde er noch zwei Mal für den Oscar nominiert.
Er galt viele Jahre als der Mann, den man holt, wenn Drehbücher noch nicht richtig knallen. Er schrieb an zwei James-Bond-Filmen mit ("Casino Royale" und "Ein Quantum Trost") und arbeitete weiter mit Clint Eastwood zusammen. Als Regisseur drehte er zuletzt unter anderem die HBO-Serie "Show Me A Hero".
Viel Aufmerksamkeit bekam Haggis, als er nach jahrzehntelanger Mitgliedschaft bei Scientology 2009 austrat und die religiöse Bewegung öffentlich scharf kritisierte, unter anderem in einem Artikel im New Yorker. Er hatte innerhalb der Kirche den ranghöchsten Status eines "Operating Thetan VII" erreicht und Scientology laut eigener Aussage mehrere Hunderttausend Dollar gespendet. Haggis, der zweimal verheiratet war und aus der ersten Ehe eins und der zweiten Ehe drei Kinder hat, überwarf sich mit Scientology wegen deren diskriminierender Haltung gegenüber Homosexuellen. Zwei von Haggis' Töchtern sind lesbisch.
Haggis' langjährige Anwältin Priya Chaudhry wollte sich Variety zufolge bislang nicht detailliert zu dem Vorfall in Italien äußern. Sie sagte aber in einem Statement, sie sei sicher, dass die Vorwürfe fallengelassen würden. Die Verantwortlichen des Allora Fests in Ostuni äußerten sich ebenfalls in einem Statement. Man sei bestürzt und geschockt und werde "jegliche Teilnahme des Regisseurs an der Veranstaltung" absagen.