SZ-Kolumne "Mitten in ...":Nanu, Navi?

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(Illustration: Marc Herold) (Foto: Marc Herold)

Ein SZ-Redakteur wird von seinem Navi in ein Chiemgauer Feuerwehrfest gelenkt. Und, was hat das Gerät zu seiner Verteidigung vorzubringen? Drei Anekdoten aus Deutschland.

Mitten in ... Inzell

Vier Herren auf der Rückfahrt von einer Bergtour. Für den Heimweg empfiehlt das High-End-Navi eine Abkürzung durch Inzell, es hat eine freundliche, vertrauenswürdige Frauenstimme. Leider lotst es die Herren direkt in ein Straßenfest der Feuerwehr hinein. "Nä, datt Navi ist aber enn Doof", plärrt einer, die Herren kommen vom Rhein. Da sagt die Stimme: "Es tut mir leid, dass ich Ihre Erwartungen enttäuscht habe." Sie klingt ehrlich betroffen. Doch die Herren im Auto sind von rauem Wesen. "Hör bloß auf zu jammern", sagt der zweite, und der dritte: "Datt hat so viel Verstand wie ein halbes Kölsch." Die Stimme antwortet: "Ich werde versuchen, meine Leistung zu verbessern." Bevor ein neuer Schwall von Verwünschungen einsetzt, schaltet der Fahrer die Stimme ab. Er will es ihr ersparen. Ein Navi ist schließlich auch nur ein Mensch. Joachim Käppner

(Illustration: Marc Herold) (Foto: Marc Herold)

Mitten in ... Göttingen

Ein feierabendvoller ICE, die Bordgastronomie fällt aus, die Leute ohne Reservierung sitzen in den Gängen. Draußen, auf Höhe Göttingen, Regen, überall schlechte Laune. Aber was ist das? Klavierklänge. Erst sanft, dann immer kraftvoller. In Reihe 72 am Fenster: ein sehr kleiner, sehr alter Herr. Das Kabel seiner Kopfhörer führt zum Klapptisch, auf dem ein Handy liegt. Aber das Kabel ist nicht eingesteckt. Der Mann schläft. Bestimmt schreit gleich jemand, dass dies ein Ruhebereich sei. Aber nein, eine Frau zwei Reihen weiter informiert den Großraum entzückt: "Das ist Brahms. Intermezzo No. 7!" Es ist eine ganze Brahms-Playlist, wunderschön, beruhigend, die Welt scheint plötzlich viel erträglicher. Als der Mann nach einer halben Stunde kurz vor Kassel hochschreckt und nervös das Kabel einstöpselt, sagt niemand etwas. Aber alle lächeln. Patrick Bauer

(Illustration: Marc Herold) (Foto: Marc Herold)

Mitten in ... München

Sie wurde einmal sehr geliebt. Nie sah die italienische Limousine auf ihrem Garagenplatz im Münchner Osten anders als perfekt aus: der mitternachtsblaue Lack makellos, kein Stäubchen auf der Motorhaube, die Felgen glänzend. Doch mit den Spritztouren in die Welt hinaus war es schon lang vorbei. Manchmal nahm der Eigentümer unter großen Anstrengungen den Weg in die Garage noch auf sich, setzte sich auf den Fahrersitz, legte die Hände aufs Lenkrad ... und ging dann wieder. Irgendwann blieben auch diese Besuche aus. Eine Staubschicht legte sich auf den Lack, jemand malte Herzchen und Sprüche hinein. Die Reifen verloren ihre Luft, die Felgen ihren Glanz. Jahre gingen ins Land. Jetzt ist der Wagen weg, sein Platz leer - und man möchte sich so gern vorstellen, dass der Besitzer mit ihm in die Welt hinausgefahren ist. Barbara Mooser

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