SZ-Serie "Ein Anruf bei ...":"Da muss man mit Lapio und Luuta ran"

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Verflixt und zugeschneit: stehender ICE am Münchner Hauptbahnhof. In Finnland kommen solche weißen Massen öfter vor, allerdings ist der Schnee dort meistens ein anderer. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

In Finnland können sie über 50 Zentimeter Neuschnee nur müde lächeln. Aber wie kriegen sie es hin, dass bei ihnen nicht ständig Stillstand herrscht? Nachgefragt bei einem Mann mit besonderem Snow-how.

Interview von Alex Rühle

Es hat überraschenderweise geschneit in München, die Stadt war mehrere Tage im Ausnahmezustand, und nur allmählich hat der Verkehr, vor allem der öffentliche, wieder Fahrt aufgenommen. Wie ist das eigentlich in Finnland, wo 50 Zentimeter Neuschnee im Winter fast schon Standard sind? Muss das Land da auch jedes Mal zusperren? Nachgefragt bei Mikko Linderoos, 38, geboren in Marburg, aufgewachsen in Finnland, studiert in Berlin. Er kennt den deutschen Winter fast so gut wie den finnischen.

SZ: Herr Linderoos, haben Sie vielleicht Tipps für uns?

Mikko Linderoos: Also, erstens haben wir räumtechnisch besseren Schnee. Reines, leichtes Pulver, hier sind ja stabile Minusgrade. Euer Pappzeug ist deutlich schwerer. Unseren locker leichten Pulverschnee verweht's, der konzentriert sich an Ecken und Kanten. Bei der Eisenbahn vor allem an den Weichen, aber die sind alle beheizt. Wobei: 50 Zentimeter auf einmal schaffen auch finnische Weichenheizungen nicht. Da muss man dann mit Lapio und Luuta ran.

Oh, ist das finnisches Spezialgerät?

Nein. Schaufel und Besen.

Als Halb-Deutscher haben Sie einen guten direkten Vergleich: Sind finnische Züge pünktlicher?

Definitiv. Pünktlicher und fallen seltener aus. Zum einen bereiten wir uns ab Ende Juli sehr gründlich auf den Winter vor. Jede Weiche wird gecheckt, jedes Fahrzeug, haben wir genug Diesel der Wintersorte und genug Sand. Aber wir haben natürlich auch viele robuste Lokomotiven und Equipment, das wir in Hinblick auf unsere strengen Winter bestellen.

Was bedeutet denn Winter in Finnland?

Fünf Monate Minusgrade. Im Norden immer wieder bis zu minus 30 Grad. Ein Meter Schnee ist keine Seltenheit, allerdings kommt der auch nur selten so heftig runter wie bei euch letztes Wochenende.

Mikko Linderoos, 38, arbeitet in der Planungsabteilung der Fernverkehrssparte der finnischen Bahn. Er kennt sich also mit eingefrorenen Weichen aus. Und nicht nur das. (Foto: privat)

Gibt es in Finnland auch so viele Streckensperrungen wegen umfallender Bäume?

Da sind wir wieder beim Pulverschnee. Den können die Bäume tragen, aber Pappschneemengen im Herbst oder Frühling, die werfen auch bei uns Bäume auf die Gleise. Kugelige Laubbäume haben ihren Schwerpunkt weiter oben und brechen dann, Tannen können den Schnee viel besser abschütteln, sind ja als Dreieck gebaut.

Was war denn der schlimmste Schneefall, an den Sie sich erinnern?

Wir messen das hier nicht jedes Mal minutiös in Zentimetern, weil es halt eh dauernd schneit. Ich kann mich an orkanartige Schneestürme erinnern, aber das wird nie so sehr zum Thema, ist halt Winter.

Ich habe ein paar Wintereinbrüche in Helsinki erlebt, da schien mir auch der Straßenverkehr unbeeindruckt weiterzufließen.

Da muss man fairerweise erst mal sagen, dass es sehr viel weniger Verkehr gibt in Finnland als in Deutschland. Wenn bei uns jemand langsamer fährt, entsteht nicht gleich ein Riesenstau mit Gehupe. Zweitens sind wir das gewohnt, wir haben schon im Fahrunterricht eigenes Glättetraining und fahren das halbe Jahr durch Schnee und Eis. Und dann ziehen die meisten im Winter Spike-Reifen auf, die in Deutschland verboten sind.

Und wie machen die das am Flughafen Helsinki, dass kaum Flüge ausfallen?

Selbst wenn es heftig schneit: Die haben so viele Räumfahrzeuge, dass die Landebahnen ratzfatz sauber sind. Und räumen mehrmals am Tag. Aber auch hier gilt: Für Flugzeuge ist Schneematsch sehr ungünstig, die Flügel müssen klar sein, Pulverschnee kann man einfach wegpusten. Schneematsch und Eisregen bedeutet Flugverbot, weil sich der an den Flügeln festsetzt. Ihre Fragen klingen übrigens ein bisschen so, als würden wir am Nordpol wohnen. Es taut schon auch mal zwischendurch.

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