Straßenausbaubeitragssatzung:"Eine grobe Ungerechtigkeit"

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Der Landtagsabgeordnete Florian Streibl (Freie Wähler) wirbt in Geretsried für das Volksbegehren, die Straßenausbaubeitragssatzungen in bayerischen Kommunen abzuschaffen. Notwendige Sanierungen sollen künftig statt von Anliegern über die Kfz-Steuer finanziert werden.

Von Claudia Koestler, Geretsried

Nach Recherchen der Freien Wähler erheben die bayerischen Kommunen jedes Jahr 60 bis 100 Millionen Euro im Jahr von Anliegern, deren Straßen saniert und ausgebaut werden. Deshalb ist die Straßenausbaubeitragssatzung (kurz: Strabs) nach Angaben von Vera Kraus "das vielleicht emotionalste Thema, das wir bislang hatten - denn es geht viele ganz persönlich an, es geht vielen an das eigene Geld". Derzeit machen sich die Freien Wähler, deren Geretsrieder Ortsvorsitzende Kraus ist, stark für ein Volksbegehren zur Abschaffung der umstrittenen Straßenausbaubeiträge, zumal diese nicht flächendeckend in allen Kommunen erhoben werden. Am Donnerstag stand der Landtagsabgeordnete Florian Streibl dazu in Geretsried Interessierten Rede und Antwort.

Die Straßenausbaubeitragssatzung sei in seinen Augen "grob ungerecht", wie er sagte. Etwa 50 Prozent der Bewohner Bayerns hätten Wohneigentum. Etwa 60 Prozent der Kommunen im Freistaat hätten derzeit eine solche Satzung, um die Anlieger beim Straßenausbau zur Kasse zu bitten, und zwar mit bis zu 90 Prozent der Kosten. "Das Problem ist aber auch immer die Frage, wie hochwertig die Straße ausgebaut wird. Deswegen sind die Gebührenbescheide höchst unterschiedlich, das können fünfstellige Beträge sein oder sogar sechsstellig", sagte Streibl. Ein weiteres Problem: "In der Regel trifft es ältere Leute, die das Haus oder die Wohnung bereits mühsam abbezahlt haben. Wenn dann ein solch hoher Gebührenbescheid ins Haus flattert, haben sie oft keine Chance, diesen zu bezahlen. Denn das Bankenrecht verwehrt Bürgern ab einem gewissen Alter Kredite. Und das stürzt viele in echte Nöte", sagte der Landtagsabgeordnete.

Der Informationsabend bot den rund 20 Interessierten auch Gelegenheit, konkrete und persönliche Fragen zu stellen. Einige Anwesende wollten den Unterschied zwischen Ersterschließung und Straßenausbau wissen. "Wenn nach 20, 30 Jahren eine Straße heruntergefahren ist, etwa die Bordsteine schon bröseln und es heißt, die Straße muss komplett erneuert werden, dann fällt das unter die Straßenausbaubeitragssatzung", erklärte Streibl. Etwas anderes sei die Ersterschließung: "Grob gesagt, wenn eine Wiese als Baugebiet ausgewiesen wird und da jemand ein Häuschen hinbaut, braucht es auch eine Straße, Wasserleitungen, Strom und ähnliches." Für die Kosten dieses Erstausbaus müssen Anlieger ebenfalls bis zu 90 Prozent der Kosten übernehmen - allerdings soll diese Regelung beibehalten werden. "Denn da hat man als Eigentümer ja auch ein Interesse daran, dass da eine Straße hingeht", sagte Streibl. Es gebe indes auch Fälle, in denen eine Straße bereits seit Jahren besteht, nur sei sie eben nicht ausgebaut. Da könne auch schon mal nach 20 Jahren plötzlich die Rede von Ersterschließung sein. Erbitterte Auseinandersetzungen auch vor Gericht gebe es dagegen oft um die sogenannten Altstraßen. Das sind Erschließungsstraßen, die bereits vor dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes vom 1961 hergestellt waren.

Florian Streibl (Foto: Hartmut Pöstges)

Einige Gäste wollten auch wissen, wie es überhaupt dazu kam, dass es eine Straßenausbausatzung eben nicht in jeder Kommune gibt. "Gemeinden, die finanziell nicht so gut dastehen, sollte ein Instrument gegeben werden, damit sie ihre Straßen erneuern können", erklärte Streibl. Sie einzuführen sei nicht eine reine Ermessensfrage der Kommunen. Wenn sie nämlich finanzschwach ist, sei die Kommune angehalten, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um an Geld zu kommen. "Wenn eine Kommune die Möglichkeiten dann nicht ausschöpft, kann das strafrechtliche Konsequenzen haben." Nichtsdestoweniger sei die Satzung eine große Ungerechtigkeit, die die Freien Wähler nun abschaffen wollen mittels eines Volksbegehrens - und sie wollen die Sanierung der Straßen neu finanzieren. "Wir wollen, dass der Anteil an der Kfz-Steuer vom Bund ans Land erhöht und ein Teil an die Kommunen weitergegeben wird, um die Straßensanierungen zu bezahlen", erklärte Streibl. Seiner Meinung nach habe der Freistaat diese Umschichtung "finanziell im Kreuz", zumal der Staatshaushalt von rund 38 Millionen Euro vor zehn Jahren zu derzeit über 60 Milliarden "eine riesige Steigerung" hingelegt habe. "Da kann man diese 100 Millionen oder vielleicht auch 200 Millionen schon zahlen", sagte Streibl.

Die Freien Wähler Geretsried veranstalten am Samstag, 24. Februar, eine Unterschriftenaktion zum Volksbegehren "Straßenausbaubeiträge abschaffen". Von 10 bis 14 Uhr in der Egerlandstraße

© SZ vom 24.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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