Klimapolitik in Bad Tölz:Eisspeicher, Solarpark und ein Nahwärmenetz

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Auf dem Gelände der ehemaligen Deponie im Gewerbegebiet Farchet hat Bad Tölz vor neun Jahren einen drei Fußballfelder großen Solarpark in Betrieb genommen. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Stadt setzt seit Jahren auf erneuerbare Energien. Auf einer Radtour erklären Bürgermeister Mehner und Vertreter der Stadtwerke, was damit erreicht wurde - und was noch geplant ist.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Auch Bad Tölz ist vom Erdgas abhängig. Nicht beim Strom, den die Tölzer Stadtwerke seit Jahren bereits zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien produzieren. Aber bei der Wärme. "Da merken wir, dass wir unterschiedliche Innovationen bringen müssen", sagt Bürgermeister Ingo Mehner (CSU). Was die Kurstadt allerdings schon erreicht hat, um sich von fossilen Quellen zu lösen und auf klimafreundliche Energieträger umzustellen, erläuterte er am Dienstagabend zusammen mit Verantwortlichen der Stadtwerke und der Verwaltung bei der 3. Bürgermeister-Radltour. Das Motto diesmal: "Energie und Nachhaltigkeit".

Vor dem Tölzer Rathaus startete die 3. Bürgermeister-Radltour mit Rathauschef Ingo Mehner. Die Exkursion stand diesmal unter dem Motto "Energie und Nachhaltigkeit". (Foto: Manfred Neubauer)

Das Rathaus

Als das Tölzer Rathaus vor fünf Jahren umgebaut wurde, bekam der neue Trakt einen Eisspeicher, eine Wärmepumpe und einen Heizkessel für Spitzenlastzeiten. Der 250 Kubikmeter Wasser fassende Eisspeicher kommt ohne fossile Brennstoffe aus und funktioniert quasi wie ein Kühlschrank im Rückwärtsgang. Das Prinzip im Groben: Während das Wasser langsam vereist, gibt es viel Energie ab - die sogenannte Kristallisationswärme, die es ermöglicht, den Eisspeicher als Heizung zu nutzen. Im Sommer schmilzt das Eis, so dass kaltes Wasser im Rathaus für Kühlung sorgt. Benötigt wird dazu Sole, eine frostsichere Flüssigkeit, die durch Leitungen im Inneren des Eisspeichers fließt. Die Steuerung von Heizung und Kühlung, sagt Stefan Öttl vom Bauamt, "muss man selber machen und immer wieder nachregulieren". Ausgestattet ist das Rathaus außerdem mit einer großen PV-Anlage und einem Regenwasserspeicher. Das Dach ist übrigens so gebaut, dass der Sitzungssaal unter ihm sommers kaum gekühlt werden muss.

Verkehr und Blühwiesen

Der Tölzer Bürgermeister hat kein Dienstauto, dafür aber ein Dienst-E-Bike. Damit nehme er die meisten Termine im Stadtgebiet wahr, sagt Sabrina Lorenz, Mobilitätsbeauftragte in der Stadtverwaltung. Auch für die Mitarbeiter im Rathaus gebe es Dienstfahrräder, und bei jedem Neukauf eines Autos werde überlegt, ob ein E-Fahrzeug eine Alternative sei. Außerdem verwies Lorenz auf zwei Carsharing-Anbieter in Tölz: Stattauto Isarwinkel und MSG Carsharing.

Ein weiteres Projekt im öffentlichen Raum sind die Blühwiesen, die von der Stadt teils neu angelegt, teils entwickelt wurden. Mehr als 100 solcher Areale mit Wildrosen und Glockenblumen, Kamille, Salbei oder Bergminze gibt es inzwischen. Auch die Beleuchtung hat Bad Tölz weitgehend auf LED umgestellt und spart damit laut Mehner rund 30 Prozent Energie ein. Auf die Frage, ob auch in der Kurstadt wie andernorts bald mehr Lichter abgeschaltet werden, erwidert der Rathauschef: "Wir denken darüber nach, aber wir haben auch eine Verkehrssicherungspflicht." Zu Unfällen dürfe es dadurch nicht kommen.

Nahwärmenetze

Die Dreifachturnhalle, der neue Kindergarten und die umgebaute Jahnschule sind an ein Nahwärmenetz angebunden. Das war nicht so einfach. Denn die Wärme kommt vom Heizwerk der Realschule - und damit vom Landkreis. "Das Problem war, dass der Landkreis nicht einfach Energie an uns verkaufen kann", sagt Mehner. "Das war ein Vergabethema, das war ein Steuerthema." Schlussendlich bekamen Kreis und Stadt diesen Verbund aber doch zustande.

Dem Bürgermeister und den Stadtwerken schweben noch viel mehr Nahwärmenetze in Bad Tölz vor. Eine Reihe von Heizwerken gibt es ja schon: am Hoheneck, im Lettenholz, im Hallenbad, im Eisstadion, bei den Stadtwerken selbst. "Wir bauen die Nahwärme mit einem hohen Millionenaufwand aus", sagt Michael Betzl, Leiter Vertrieb der Stadtwerke. Ein neues Heizwerk soll am Feuerwehrhaus an der Lenggrieser Straße entstehen, das dann Häuser im Griesfeld und bis zur Osterleite hin versorgen soll. Für die nächsten drei Jahre sei ein Ausbauplan schon angefertigt, sagt Betzl. Dabei setze man auf unterschiedliche Energieträger, von der Oberflächen-Geothermie bis zu Hackschnitzeln. Bürgermeister Mehner verweist auf den Energienutzungsplan der Stadt: "Wo hoher Energiebedarf besteht, diese Bereiche versorgen wir zuerst." Und je dichter die Bebauung sei, desto schneller werde es gehen. Allerdings sei der Ausbau des Nahwärmenetzes mit Baustellen auf den Straßen verbunden. Aber, so Mehner: "Wenn wir unabhängig von russischem Gas werden wollen und neue Energieformen wollen, dann werden wir auf Teufel komm raus neue Leitungen verlegen müssen."

E-Mobilität

Die Ladestation für E-Autos in Farchet betreiben die Tölzer Stadtwerke selbst. Geplant sind in nächster Zeit sechs neue Ladesäulen an fünf Standorten im Stadtgebiet. (Foto: Manfred Neubauer)

Mehr als 40 gewerbliche und private E-Ladestationen haben die Tölzer Stadtwerke im ganzen Oberland gebaut, die meisten davon im Stadtwerke-Verbund "17er Oberlandenergie". Sechs neue Ladesäulen sind an fünf Standorten in Bad Tölz geplant, wie Betzl erklärt. Am Rathausplatz, auf dem Parkplatz Arzbacher Straße, an der Stadtbibliothek, am Hallenbad, am Landratsamt. Eine Schnell-Ladestation ist nicht darunter. Diese kosteten ein "aberwitziges Geld, das werden wir uns nicht reinbegeben", sagt Betzl. Außerdem: An einer solchen Station gehen das Laden zwar weit schneller, sei aber auch viel teurer.

Eine Besonderheit in Bad Tölz sind die großen E-Busse der Regionalverkehr Oberbayern GmbH (RVO). Sie decken 80 Prozent des Stadtverkehrs in der Kurstadt ab, fahren aber auch über Land, was sonst bei E-Bussen bundesweit kaum der Fall ist. Die Stadtwerke haben dafür an die RVO-Niederlassung im Gewerbegebiet Farchet eigens eine Trafostation zum Aufladen gebaut, schließlich hat ein E-Bus um die 325 Kilowatt Leistung (ein Tesla hat circa 90 KW). Das sei zwar "auch nicht unser Geschäftsfeld", sagt Betzl. "Aber das ist ökologisch-soziales Engagement."

PV-Anlage Farchet

Was in Dietramszell am heftigen Widerstand weniger Anwohner scheiterte, gibt es in Bad Tölz schon seit acht Jahren: ein großes Solarfeld. Die PV-Anlage, die rund 400 Drei-Personen-Haushalte versorgen kann, entstand auf der ehemaligen Hausmülldeponie am Rande des Gewerbegebiets Farchet. Kostenpunkt damals: 1,6 Millionen Euro. Wie Dirk Krischke von den Stadtwerken erklärt, wurden damit 2020 etwa 1,57 Millionen Kilowattstunden Strom erzeugt.

Baugebiet Hintersberg II

Der Tölzer Stadtrat hat für das Neubaugebiet auf der Zwickerwiese mit Reihen-, Doppel-und Einfamilienhäusern einen einmaligen Beschluss gefasst: Ein Verbot fossiler Energieträger. "Aber wir haben nicht bloß gesagt, ihr dürft nicht fossil, also macht euch selbst Gedanken", erzählt Rathauschef Mehner. Zusammen mit der Energiewende Oberland und den Stadtwerken habe die Stadt eine Info-Veranstaltung für die Bauherrn organisiert, um über Alternativen aufzuklären. Wie Falko Wiesenhütter mitteilt, habe man in der Arbeitsgruppe Wohnen mit Stadträten und Mitarbeitern der Verwaltung zuvor unter anderem auch eine genossenschaftliche Lösung der Energiefrage diskutiert - und abgelehnt. "Da begeben wir uns sonst auf Glatteis", sagt der Geschäftsleiter im Rathaus. Ein Anschluss an ein Nahwärmenetz kam ebenfalls nicht infrage. Dafür ist die Zwickerwiese zu abgelegen. Und die Neubauten schon zu energieeffizient.

Isarkraftwerk

Das 1956 gebaute Isarkraftwerk liefert jährlich 11,5 Millionen Kilowattstunden Strom und deckt damit ein Zehntel des Tölzer Energiebedarfs. (Foto: Manfred Neubauer)

Das Isarkraftwerk am Stausee ist ein Eckpfeiler der Tölzer Energieversorgung. 1956 für 5,8 Millionen Mark gebaut, liefern die beiden Turbinen eine Jahresleistung von 11,5 Millionen Kilowattstunden. Dies ist ein Zehntel der Energie, die in Bad Tölz per annum gebraucht wird. Um unter Volllast zu laufen, braucht jede Turbine einen Durchfluss von 15 Kubikmetern Wasser in der Sekunde. Eine Turbine wird derzeit repariert, wie Christian Steinbacher von den Stadtwerken erzählt. "Aber jetzt ist Niedrigwasserphase, da tut uns der Ausfall nicht so weh."

Auf dem Weg zur Klimaneutralität ist Bad Tölz auf einem guten Weg, aber noch lange nicht am Ziel. Die "Hauptkunst", sagt Mehner, sei es, in den kommenden Jahren konkurrierende Anliegen auszubalancieren. "Man kann nicht auf jeder Fläche Biodiversität, Umweltschutz und ökologische Energieversorgung haben", sagt er. Ähnlich äußert sich Betzl, der für "ein ausgewogenes Maß" plädiert, auch so: "Ein Wasserkraftwerk ist praktizierter Umweltschutz."

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