Penzberg:Dunkle Vergangenheit

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Das Mütterzentrum in Penzberg muss eigentlich energetisch saniert werden. In der Nazi-Zeit war in dem Gebäude allerdings ein Heim der Hitlerjugend untergebracht. Im Stadtrat ist deswegen umstritten, ob das Haus überhaupt erhaltenswert ist

Von Alexandra Vecchiato, Penzberg

Die Sanierung historischer Bausubstanz ist meist eine kostspielige Sache. So verhält es sich auch mit dem Mütterzentrum an der Winterstraße in Penzberg. Je nachdem, wie viele Decken in dem Gebäude gedämmt werden, belaufen sich die Kosten auf 35 000 bis 70 000 Euro. Was im Bauausschuss des Stadtrats keine Freude auslöste, zumal die Besitzverhältnisse verworren sind. Da der Stadt die Immobilie nicht gehört, ist sie auch nicht zur energetischen Sanierung verpflichtet. Für eine solche wäre der Besitzer zuständig, der Arbeitjugendpflegeverein Penzberg. Mehr noch beschäftigte die Stadträte jedoch die Frage, ob das Haus wegen seiner Vergangenheit überhaupt erhaltenswert sei. Das sogenannte Wagner-Heim war in der NS-Zeit der Treff der Hitlerjugend (HJ).

Stadtrat Sebastian Fügener (Grüne) warf nach der Vorstellung der drei Sanierungsvarianten die Frage auf, ob das Mütterzentrum nicht woanders untergebracht werden könnte. Denn die Immobilie an der Winterstraße 20 sei ein Filetstück, das sich für Wohnbebauung bestens vermarkten ließe. Diesen Überlegungen bereitete Hardi Lenk (SPD) ein jähes Ende: "Das Gebäude gehört nicht der Stadt." Was von der Verwaltung bestätigt wurde. Haus und Grundstück an der Winterstraße gehören dem Arbeiterjugendpflegeverein, ebenso wie der Grund, auf dem sich der Rollschuhplatz befindet, wie auch die Fläche mit der Josef-Boos-Halle - wobei sich die Turnhalle wiederum im städtischen Besitz befindet. Aufgrund dieser verwirrenden Konstellation hakte Armin Jabs (Bürger für Penzberg) nach, wie es sein könne, dass die Stadt das Mütterzentrum auf Basis des Erbbaurechts betreibe. "Da zahlt man doch Miete. Was soll das Erbbaurecht, wenn die Stadt keinen Nutzen davon hat?" Obendrein sei der Besitzer des Gebäudes für die Wärmedämmung zuständig und nicht die Stadt.

Was wiederum im Gremium die Frage aufwarf, warum die Stadt vor zwei Jahren die Fenster im Mütterzentrum ausgetauscht hat. Fakt sei, gab Bürgermeister Stefan Korpan (CSU) zu bedenken, dass die hohen Energiekosten zu Lasten des städtischen Haushalts gingen. Eine Sanierung sei daher wichtig. Vor allem die Dämmung der obersten Geschossdecke und des Daches müsste sein. Maria Probst (CSU) schlug vor, sich mit dem Verein zu einigen. Jabs sah das nicht so. Er schlug vor, die Stadt solle eine andere Bleibe für das Mütterzentrum suchen. Denn das Gebäude sei historisch belastet, weil es als HJ-Heim fungierte. "Das finde ich nicht gut. Das Gebäude ist nicht erhaltenswert." Wer Erbpacht zahle, müsse auch bauen dürfen, sagte Jabs.

Der Verein dürfe das Grundstück nicht verkaufen, versuchte Ludwig Schmuck (CSU) zu beschwichtigen. Der Arbeiterjugendpflegeverein sei eine soziale Einrichtung, die die Jugendarbeit von Vereinen und Organisationen finanziell unterstützt. Der Verein könne die energetische Sanierung gar nicht leisten - und wenn, würde das auf die Pacht umgelegt. "Jetzt zahlen wir ein Butterbrot für die Nutzung", sagte Schmuck. Ein weiterer Knackpunkt, der einen Abriss ebenfalls schwierig gestalten würde, sei die Tatsache, dass der benachbarte Hort über das Mütterzentrums-Gebäude beheizt werde. Schmuck erinnerte ferner an die historische Bedeutung des Gebäudes, was Jabs nicht nachvollziehen konnte. Er beharrte auf einen Abriss, wenn dies möglich sei. Das Gremium entschloss sich, erst einmal die vertraglichen Vereinbarungen zu prüfen und mit dem Verein zu sprechen, ehe die Stadt Geld in das Haus steckt.

Das frühere Jugendheim war während der Nazizeit ein Heim der Hitlerjugend. Nach dem Ende des Nazi-Regimes ging es an den Penzberger Arbeiterjugendpflegeverein über, dessen Vorsitzender momentan Altbürgermeister Hans Mummert ist. Seither wurde das Haus für Vereine, wie auch als Unterkunft für Jugendgruppen genutzt. Seit 1997 hat das Mütterzentrum sein Domizil dort.

© SZ vom 17.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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