Pandemie und Politik:"Außerhalb der Hochkultur bringt es nichts"

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Christian Gutmair, Wolfgang Ramadan und Andrea Fessmann sind mit den aktuellen Lockerungen der Corona-Regeln für Veranstaltungen nicht zufrieden

Von Felicitas Amler

Wolfgang Ramadan nennt es "reine Augenwischerei": Der Beschluss des bayerischen Kabinetts vom Dienstag, bei Kulturveranstaltungen 50 statt zuletzt 25 Prozent Saalauslastung zuzulassen, nützt nach Ansicht des Ickinger Veranstalters nur den subventionierten großen Bühnen. Für freie Bühnen bringe das nichts, sagt Ramadan, der in Icking, Bad Tölz und zehn weiteren oberbayerischen Kommunen die Reihe "Brotzeit&Spiele" anbietet. Allenfalls den Vereinen und Veranstaltern, die finanziell ein zweites Standbein haben, könne es vielleicht helfen. Er aber sei hauptberuflich Veranstalter. Er müsse pro Termin 300 Karten verkaufen, damit er schwarze Zahlen schreibe. "Achtzig Prozent Auslastung - ab da können wir ausrücken."

Exakt dieselbe Zahl nennt der Geretsrieder Veranstalter Christian Gutmair, der zuletzt Django Asüls "Jahresrückblick" und die Gruppe Django 3000 im Tölzer Kurhaus absagen musste, weil sie sich nicht gerechnet hätten. Achtzig Prozent Auslastung wären nötig, erklärt er. Und sagt daher über die aktuelle Lockerung der Corona-Regeln: "Für jemanden, der außerhalb der Hochkultur arbeitet, bringt es nichts."

"Gruselig"

Andrea Fessmann reagiert zurückhaltend erfreut auf die Neuerung: "50 Prozent sind besser als 25", sagt sie lakonisch. Fessmann leitet die Reihe Iffeldorfer Meisterkonzerte und die Klangkunst im Pfaffenwinkel, die am kommenden Samstag das Weihnachtsoratorium von Camille Saint-Saëns aufführt. Wenigstens brauche man bei nunmehr doppelter Saalbesetzung kein zweites Konzert anzubieten, sagt Fessmann, "das ist sonst schon mega-anstrengend". Allerdings seien 50 Prozent im Iffeldorfer Saal 200 Plätze - bei 25 Euro Eintritt lasse sich ausrechnen, dass das finanziell "gruselig" sei. "Kultur ist mit 100 Prozent nicht finanzierbar, da brauchen wir über weniger gar nicht zu reden." Die Iffeldorfer Konzerte würden von Sponsoren und der Gemeinde unterstützt, und die Musiker bekämen jetzt coronabedingt weniger Geld. "Die ganze Situation ist immer noch untragbar", findet Fessmann. Sie denke wirklich positiv und versuche, das Beste daraus zu machen, aber irgendwann sei die Kraft erschöpft.

Sie versuche ja wirklich immer, positiv zu sein, sagt Andrea Fessmann. Aber die Situation sei für die Kultur untragbar. (Foto: N/A)

Ramadan, der die Situation für die freien Kultur-Veranstalter "eine Katastrophe" nennt, betont, auch mit den offiziellen Förderungen sei es überaus schwierig. Das sogenannte Sofortprogramm "Neustart Kultur" des Bundes bedeute für die Antragsteller "einen Riesenbürokratieaufwand". Er habe mit seinen fünf Mitarbeitern gemeinsam sämtliche Buchungen der vergangenen fünf Jahre durchgeackert, weil diese nachgewiesen werden müssten.

Besser sei das Förderprogramm des Freistaats, so Ramadan: "Wenn das verlängert wird, ist uns geholfen. Es ist transparent, und mit denen kann man wirklich reden." Allerdings schließe die eine Förderung die andere aus. "Wenn wir Bundesförderung bekommen, müssen wir die Landesförderung zurückzahlen."

Gutmair klagt über dieselben Hürden. "Natürlich versuchen wir Fördermittel zu beantragen. Aber für die Veranstaltung vom vergangenen Oktober warte ich immer noch auf mein Geld", erklärt er. Von 2,5 Milliarden Euro staatlichen Fördermitteln seien seines Wissens nach 1,4 Milliarden beantragt - aber erst sieben Millionen Euro ausgezahlt, sagt er.

Der bayerische Kunstminister Bernd Sibler (CSU) sagte am Dienstag, der aktuelle Kabinettsbeschluss sei "ein wichtiger Schritt, der in die richtige Richtung weist". Dagegen prophezeit Wolfgang Ramadan: "Da wird es einen Shitstorm geben."

© SZ vom 26.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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