Pandemie in Bad Tölz-Wolfratshausen:Das Leben kehrt zurück

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Im "Blue Flamingo" freut sich Antonia Fottner, dass keine Terminbuchung und kein negativer Test mehr nötig sind. "Das war echt lästig", sagt sie. (Foto: Manfred Neubauer)

Am Wochenende waren im Landkreis beim Shoppen und beim Essengehen seit Langem mal wieder keine Termine und keine negativen Tests mehr nötig. Die Menschen genießen diese Corona-Erleichterung

Von Konstantin Kaip, Benjamin Engel, Paulina Porer und Florian Zick, Bad Tölz-Wolfratshausen

Es war eine harte Zeit - nicht nur für Wirte, Ladeninhaber und Hotelbetreiber, die wirtschaftlich unter den Corona-Einschränkungen zu leiden hatten, sondern auch für all diejenigen, die beim Essen oder Shoppen normalerweise etwas Erholung suchen. Ohne Termine und ohne negative Tests ging jedoch lange nichts - wenn überhaupt. Wegen der anhaltend niedrigen Inzidenzwerten ist in Bad Tölz-Wolfratshausen seit dem Wochenende jedoch wieder etwas mehr Spontanität möglich, ein Leben ohne Testpflicht und Termine.

Im Wirtshaus

Im Biergarten des Klosterbräustüberls Reutberg drängten sich am Sonntag die Gäste. Jeder der 45 in gebotenem Abstand aufgestellten Tische sei den ganzen Tag besetzt gewesen, berichtet Wirt Georg Lichtenegger - inklusive derer, die er und sein Geschäftspartner Bernhard Haindl am steilen Aufgang zum Gasthof auf Holzplattformen für den Pandemie-Betrieb errichtet haben. "Wir mussten sogar Leute wegschicken", sagt Lichtenegger. Nach vielen durchwachsenen Maitagen mit strengeren Kontaktbeschränkungen stimmen den Wirt das bessere Wetter und die Lockerungen wegen des Inzidenzwerts mit Wegfall der Test- und Reservierungspflicht nun zuversichtlich. "Das war definitiv der Auftakt der Biergartensaison", sagt er zum vergangenen Wochenende. Der Wirt gibt nun wie gewohnt nur noch ein Drittel der Tische zur Reservierung frei, damit die anderen, die spontan vorbeischauen, auch noch einen Platz im beliebten Ausflugslokal bekommen, wie er sagt. Am Montag waren bereits am Vormittag keine Reservierungen mehr möglich.

Derzeit dürfen maximal zwei Haushalte ohne Test an einem Tisch sitzen, ihre Kontaktdaten nehmen die Kellner nach wie vor auf. Lichtenegger hofft, dass die Inzidenz weiter unter 35 bleibt, damit weitere Lockerungen möglich sind. Drei Haushalte mit bis zu zehn Personen über 14 Jahre könnten dann zusammensitzen. "Wir haben viele große Tische", sagt der Wirt. An denen könnten dann auch wieder größere Radlergruppen Platz nehmen. Außerdem gebe es viele Anfragen für Feiern, von der Taufe bis zur Hochzeit, zu denen er bislang keine klare Auskunft geben könne. "Da wär's mal Zeit für eine Perspektive", sagt Lichtenegger.

Das Klosterbräustüberl Reutberg bewirtet Gäste jetzt auch am Auftstieg. (Foto: Manfred Neubauer)

Für diese Woche rechnet er im Klosterbräustüberl Reutberg jedenfalls mit Hochbetrieb. "Es sind ja noch Ferien", sagt der Wirt. Zudem ist gutes Wetter angesagt. Das Personal habe er wieder komplett aufgestockt, alle der insgesamt circa 50 Mitarbeiter inklusive Aushilfen stünden wieder zur Verfügung. "Wir sind voll einsatzbereit", sagt Lichtenegger. Die Karte sei zwar noch bis Mittwoch eingeschränkt, von Fronleichnam am Donnerstag an gebe es dann aber auch in der Küche wieder das volle Angebot. Die Zeichen stünden gut für einen unbeschwerteren Biergartensommer, in dem das Bier und die Schweinsbraten in Reutberg ähnlich rausgehen wie im vergangenen Jahr, sagt Lichtenegger. So richtig entspannen kann der Wirt aufgrund seiner Pandemieerfahrung aber nicht. "Um den Sommer mache ich mir keine Sorgen", sagt er. "Aber die Angst, dass wir im Herbst wieder schließen müssen, die bleibt."

Im Geschäft

Am Donnerstag und Freitag sei sogar noch etwas mehr los gewesen, sagt Antonia Fottner. Da hätten die Einheimischen Sachen für den Urlaub eingekauft, vor allem Bademode. Dass man da noch einen Termin und einen negativen Test gebraucht hat, sei den Leuten egal gewesen. "Die wollten halt danach wegfahren", sagt Fottner. Am Samstag seien in der Tölzer Marktstraße vor allem Touristen unterwegs gewesen.

Fottner leitet im Modegeschäft "Blue Flamingo" die angehängte Boutique für Kinder- und Babyklamotten. Dort hat sie auch vor dem vergangenen Wochenende schon Kunden ohne Test empfangen können. Läden für Kindermode standen schließlich auf der grünen Liste, man konnte dort einkaufen wie im Supermarkt oder in der Drogerie. Seit Samstag geht das im Landkreis nun auch in den restlichen Geschäften wieder. Ein Großteil der Kunden sei am Eingang noch sehr zögerlich gewesen, erzählt Fottner. Darf ich da jetzt wirklich einfach so rein? Bei diesen ständigen Änderungen, je nach Inzidenzwert, da habe ja niemand mehr durchgeblickt. Sie habe jeden Tag fünf bis zehn Anrufe von Leuten gehabt, die wissen wollten, wie das Einkaufen gerade funktioniert. Und dann dieses Terminausmachen und das Testen, "das war echt lästig", sagt Fottner.

Im "Blue Flamingo" gibt es auch einen Online-Shop. Die Ware wird mitunter nach Berlin und nach Hamburg verschickt. Es sei also auch im Lockdown irgendwie weitergegangen. "Der Kunde hatte online jetzt aber auch langsam satt", sagt Fottner. Im Laden sei es eben doch etwas anderes. Alleine schon die Chance, den Stoff auch einmal anzufassen, bevor man etwas kauft. Gut, sagt Fottner, dass man nun auch dieses Einkaufserlebnis wieder haben kann.

In der Bergbahn

Nach dem Neustart am 21. Mai war erstmals am vergangenen Donnerstag deutlich mehr Betrieb in der Brauneck-Bergbahn. "Samstag und Sonntag war auch gut", schildert der stellvertretende Geschäftsführer Stefan Schnitzler. Das liegt aus seiner Sicht einerseits am deutlich besseren Wetter als an den Vortagen. Ausgewirkt hat sich vermutlich zudem, dass die Leute seit dem Wochenende keinen negativen Test mehr vorweisen müssen, wenn sie mit der Bergbahn fahren wollen. In den ersten Betriebstagen sei zu spüren gewesen, dass viele Gäste verunsichert gewesen seien, welche Bestimmungen gültig seien. "Das geht ja jedem so, dass er bei den vielen Regeln gar nicht mehr weiß, was gültig ist." Das habe sich mehr und mehr gelegt. Die Abläufe hätten aber laut Schnitzler "wunderbar" funktioniert.

Bahn-Geschäftsführer Peter Lorenz wünscht sich jetzt, dass die Hütten am Brauneck bald wieder innen Gäste bewirten dürfen. Das Berggeschäft sei wetterabhängig. Höher oben könne es schnell kühler werden. Nur mit der Außengastronomie werde es schwierig.

Im Hotel

Beim Arabella Brauneck Hotel in Lenggries haben sich die kürzlichen Lockerungen deutlich gezeigt. "Wir merken tatsächlich, dass wir seit dem Wochenende mehr Buchungen reinbekommen", sagt Gastgeber Christoph Seitz. Und auch im Biergarten des Hotels sei die vergangenen Tage wieder mehr los gewesen. Der Hoteldirektor erklärt, dass es für die Außengastronomie eine deutliche Erleichterung sei, wenn die Gäste sich nicht mehr testen lassen müssen. Seitz wünscht sich, bald auch den Innenbereich für externe Gäste wieder aufmachen zu dürfen, er blickt jedenfalls hoffnungsvoll nach vorne: "Es werden mehr Erleichterungen kommen und es wird für alle wieder besser werden."

Auch Sandra Fritz vom Hotel am Wald in Bad Tölz ist positiv gestimmt. "Es ist jetzt auf alle Fälle schon mehr los als in der ersten Woche, in der wir auf hatten." Grund dafür sei aber auch, dass aktuell noch Schulferien sind. So sind momentan viele Familien unterwegs und die Buchungen nehmen zu. "Diese Woche sind wir so gut wie voll", sagt sie, das liege zudem aber auch am guten Wetter. Dann gibt es weniger Stornierungen und mehr spontane Buchungen. Darum hofft Fritz, dass der Juni besseres Wetter mit sich bringt. "Wenn es dann so bleibt und wir nicht noch einmal mit den Zahlen so hoch schießen, schaut es tatsächlich sehr gut aus."

© SZ vom 01.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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