Nachverdichtung:Soziales Wohnprojekt contra Ortsbild

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Ein erster Entwurf für das Mehrgenerationen-Projekt von Maria Lanzinger und Michael Wernz: Der soll Ausgangsbasis für weitergehende Gespräche mit der Kommune sein. (Foto: Privat/OH)

In Wimpasing würde die Familie Lanzinger gerne Mehrgenerationenhäuser errichten. Rechtlich ist derzeit nur ein Gebäude auf dem für den Münsinger Ortsteil typischen großen Grundstück am Sterzenweg möglich. Bei einer Änderung befürchtet die Kommune einen Bezugsfall.

Von Benjamin Engel, Münsing

Wer auf einem Online-Immobilienportal eine Mietwohnung in Münsing sucht, findet in der Regel kaum mehr als eine Handvoll Inserate. Umso gefragter wäre wohl, was Maria Lanzinger und Michael Wernz auf einem Grundstück im Münsing Ortsteil Wimpasing entwickeln wollen - aber nicht dürfen. Zumindest momentan.

Für seine Planungen hat das einheimische Paar mit zwei kleinen Kindern ein großes Grundstück mit dem früheren Zimmereigebäude eines Verwandten am Sterzenweg gekauft. Darauf wollen sie sechs Mehrgenerationenhäuser mit Mietwohnungen errichten. Damit dies möglich wird, müsste allerdings der seit 2008 geltende Bebauungsplan für das gesamte Gebiet zwischen Sterzen- und Höhenweg geändert werden. Der sieht auf dem Grundstück von Lanzinger und Wernz jedoch nur ein Baufenster für ein Gebäude vor. Der Gemeinderat lehnte die Baupläne daher ab. Allerdings ließ er eine Hintertür offen: Wenn weniger dicht gebaut werde, könne das Gremium sich durchaus vorstellen, den Bebauungsplan entsprechend zu ändern.

In Wimpasing gibt es vielfach große Gärten mit Einfamilienhäusern

Das führt mitten hinein in eine der drängendsten Fragen der Region rund um die Landeshauptstadt München. Der prosperierende Wirtschaftsraum zieht immer mehr Menschen an, die eine halbwegs bezahlbare Wohnung brauchen. Doch wo hohe Nachfrage auf wenig Angebot trifft, steigen die Preise. In Wimpasing, das kurz oberhalb von Ammerland am Starnberger See liegt, sind die Grundstücke oftmals groß, der Ortsteil eher locker bebaut. Weil in den 2000er-Jahren die Gefahr bestand, dass dort weiter verdichtet wird, erließ die Kommune im Jahr 2008 den aktuell gültigen Bebauungsplan - und konservierte damit den damaligen Zustand.

In den 2000er-Jahren wehrte sich Loriot gegen eine weitere Verdichtung in Wimpasing

Seitdem sind eineinhalb Jahrzehnte vergangen, die Wohnungsproblematik hat sich weiter verschärft. Müsste darauf nicht auch eine Gemeinde wie Münsing reagieren? "Wir können den Bebauungsplan nicht einfach ausblenden", antwortet Bürgermeister Michael Grasl (FW). Viele der Nachbarn hätten die Struktur mit den großen Gärten behalten wollen. Insbesondere der damals in Wimpasing wohnende, 2011 gestorbene Humorist Vicco von Bülow (Loriot) habe sich dafür eingesetzt, eine weitere Verdichtung zu verhindern.

Bürgermeister Michael Grasl sieht Verdichtungspotenzial eher in innerörtlichen, nicht überplanten Baulücken wie im Hauptort Münsing. (Foto: Harry Wolfsbauer)

"Wir können jetzt nicht auf eine Ortsentwicklung auf Zuruf reagieren", meint Grasl. Vornehmlich innerorts gebe es in Münsing selbst noch zahlreiche, nicht überplante Baulücken. Grundsätzlich solle auch dort die größte Verdichtung stattfinden, so der Bürgermeister. Gerade an Ortsrändern wie am Wimpasinger Sterzenweg sei es schwierig, Bauland zu entwickeln. Wenn der Flächennutzungsplan keine Bebauung vorsehe, bestehe es die Gefahr, einen Bezugsfall zu schaffen. Könne die Gemeinde die Parzellen nicht erwerben, müssten soziale private Wohnkonzepte außerdem vertraglich abgesichert werden. "Ich finde den Ansatz der Lanzingers gut. Das ist aber nicht an jeder Stelle umsetzbar", sagt Grasl.

Münsings Bürgermeister spricht von der Schwierigkeit, in der Region Bauland zu mobilisieren

Der Münsinger Rathauschef sieht eine generelle Schwierigkeit, in der Region Bauland zu generieren. Das liege etwa an den hohen Preisen, weswegen sich viele junge Leute selbst ein kleines Grundstück nicht leisten könnten. Normalerweise kaufe die Kommune Bauland zum Preis von Bauerwartungsland an und entwickle dies per Flächennutzungs- und Bebauungsplänen. Im Fall von Lanzingers Bauvorhaben komme hinzu, dass der Hochwasserschutz für das darunter liegende Ammerland noch immer nicht geklärt sei, so Grasl. Die Anwohner dort fürchteten, dass eine weitere Versiegelung oberhalb ihrer Häuser die Situation verschärfen könnte. Das müsse erst geklärt werden.

Auf dem großen Grundstück in Wimpasing steht derzeit noch das etwa hundert Jahre alte, frühere Zimmereigebäude samt Nebenbauten, das einem Verwandten von Maria Lanzinger und Michael Wernz gehörte. Das Paar wohnt gleich westlich davon und hat den Grund erworben. "Wir wollen etwas für den Ort machen", betonen beide. Deshalb sei ihnen der Gedanke für das Mehrgenerationen-Wohnprojekt mit mehreren Häusern gekommen. "Uns schwebt vor, möglichst an lokale Familien zu vermieten", sagt Maria Lanzinger. Je mehr Baurecht es dafür gebe, desto kostengünstiger seien die Domizile anzubieten. Daher hätten sie die sechs Häuser ins Gespräch gebracht.

Der Ausgangsentwurf von Lanzinger und Wernz im Modell aus der Vogelperspektive: Die angedachten Neubauten sind dunkel hervorgehoben, die angrenzende Bestandsbebauung hell abgesetzt. (Foto: Privat/OH)

Diese Größenordnung ist für Maria Lanzinger und Michael Wernz allerdings nur die Grundlage für die weitere Diskussion. "Jetzt wollen wir mit der Gemeinde in tiefere Gespräche einsteigen", sagt das Paar. Gemeinsam mit der Verwaltung gehe es darum, den Bedarf abzuklären. Beide äußern sich zuversichtlich, so zum Ziel zu kommen. Schließlich habe der Gemeinderat das Vorhaben grundsätzlich als gut bewertet. Über die konkrete Dimension lasse sich reden.

Die Familie Lanzinger ist seit dem 19. Jahrhundert im Ort verwurzelt

Als das Projekt entstand, dachte das Paar zunächst darüber nach, wie es selbst gerne leben würde. Beide sind in Wimpasing und Ammerland fest verwurzelt, Marias Familie ist bereits seit dem 19. Jahrhundert ansässig. Ihr Vater Hans ist Bauingenieur wie sie selbst. Das Paar hat zwei kleine Kinder und vermietet in seinem Haus selbst eine Wohnung. Für die Mehrgenerationenhäuser können sie sich einen Gemeinschaftsgarten ohne Zaum vorstellen, sodass sich die Kinder frei bewegen und spielen könnten. Das sei in der Nachbarschaft auch bei ihnen so, sagen sie. Zudem ließen sich die Gebäude am Hang auf zwei Stockwerken barrierefrei ohne Aufzug erschließen. Menschen, die älter werden oder eine Behinderung hätten, können so ebenerdig ins Haus kommen.

Um mehr als den einen Baukörper zu erhalten, den der aktuelle Bebauungsplan vorgibt, dürfte noch ein steiniger Weg von den Lanzingers liegen. Sie wollen trotzdem zuversichtlich bleiben. "Uns ist ja daran gelegen, auf dem Grundstück etwas Schönes zu machen", betonen beide.

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