Landwirtschaft:Genossenschaftliche Agrarwende

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Wo früher Mais wuchs, baut die Solawi Isartal nun Gemüse und Salat an. Dazwischen Pflanzen für die Gründüngung (im Bildhintergrund). (Foto: Harry Wolfsbauer)

Im zweiten Jahr versorgt die Solawi Isartal auf ihrem Gemüsefeld zwischen Münsing und Degerndorf 150 Haushalte. Das Projekt soll organisch wachsen, heuer werden neue Obstbäume und Hecken gepflanzt.

Von Benjamin Engel, Münsing

Genossenschafts-Mitglied Walter Kunert (mit Strohhut) führt Gäste über den Acker bei Degerndorf und erklärt Entwicklung und Anbaumethoden der Solawi Isartal. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Wie sich der Gemüseanbau auf dem Acker der Solawi Isartal zwischen Münsing und Degerndorf im zweiten Jahr entwickelt hat, fasst Vorstandsmitglied Peter Tilmann perfekt zusammen, indem er vom Ziel eines organischen und dynamischen Wachstums spricht. Weil es im Frühjahr stark geregnet hat, konnte die Genossenschaft erst zwei Wochen später zu pflanzen beginnen als im Vorjahr. Momentan ist es Ende Juni dagegen heiß und trocken, als er und weitere Solawi-Mitglieder etwa 50 Gäste über das 2,8 Hektar große Feld führen. Das spricht dafür, dass das Prinzip der solidarischen Landwirtschaft (dafür steht Solawi, Anm. d. Red.) durchaus viele interessiert. Für eine gute Ernte würden sich die Genossenschaftsmitglieder einzig wünschen, dass es wieder mehr regnet.

Solawi-Vorstandsmitglied Peter Tilmann und Aufsichtsrätin Ella von der Haide. (Foto: Harry Wolfsbauer)

2022 kamen 25 Sorten Gemüse vom eigenen Feld

Gediehen ist auf dem von der Solawi Isartal gepachteten und ökologisch bewirtschafteten Feld zwischenzeitlich einiges. "2022 haben wir 25 verschiedene Gemüsesorten und Salate geerntet", berichtet Aufsichtsrätin Ella von der Haide - von Karotten, Mangold, Gurken, Brokkoli, Kohl und Lauch bis zu Zwiebeln und Kürbissen. Das reichte aus, um gut die Hälfte des Inhalts der einmal wöchentlich ausgelieferten Gemüsekisten aus eigenem Anbau zu füllen. Der Rest stammt aus dem Demeter-Betrieb der Schloßgärtnerei Weidenkam bei Degerndorf und deren zugehörigem Hofgut Letten bei Bad Heilbrunn - Kooperationspartner der Solawi Isartal.

Die wirtschaftet zwar schon ökologisch, wird aber erst offiziell biozertifiziert sein, wenn 2024 die zweijährige Umstellungsphase abgeschlossen ist. "Wir setzen ein Stück Agrarwende um", sagt Vorstandsmitglied Tilmann. Das bedeutet ganz praktisch, dass die Solawi nur biologischen Dünger aus Pflanzenrückständen verwendet. Allein das Bacterium thuringiensis wird eingesetzt, um Schädlinge wie die Kohlraupen zu bekämpfen. Damit das Gemüse sich gut entwickeln kann, gibt es zudem Blühstreifen, worüber schädlingsfressende Nützlinge angezogen werden sollen. Auf den Sitzstangen am Ackerrand spähen Bussarde nach Mäusen.

Heuer hat die Solawi 30 Apfelbäume gepflanzt

Die neu gepflanzten Apfelbäume werden erst in einigen Jahren Früchte tragen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Im Isartal zwischen Wolfratshausen und dem Münchner Stadtteil Solln sowie nach Farchach und Starnberg liefert die Solawi ihre Gemüsekisten wöchentlich aus. Wer eine haben will, muss dafür aber erst einen der jeweils 150 Euro teuren Anteile der Genossenschaft kaufen. "Erst damit erwirbt er das Recht, die Ernte mit uns zu teilen", sagt Vorstandsmitglied Tilmann. Gleichzeitig gewinnt die Genossenschaft damit das wichtige Kapital, um investieren zu können. Laut von der Haide ermöglichte das heuer, etwa einen Traktor und einen Unterstand zu kaufen, 30 Apfelbäume mit alten Obstsorten anzupflanzen und eine Hecke mit heimischen Sträuchern wie Holunder, Kornellkirschen, Himbeeren oder Sanddorn anzulegen. Auf der Agenda stünden eine Kühlung oder Lagerräume, wenn die Genossenschaft weiter wachse, so von der Haide.

Ziel der Solawi Isartal ist es, schlussendlich 400 bis 500 Haushalte mit Gemüsekisten beliefern zu können. Damit wäre das Projekt laut Tilmann dauerhaft wirtschaftlich tragbar. Derzeit versorgt die Solawi Isartal um die 150 Haushalte. Um die 250 Mitglieder hat die Genossenschaft aktuell. So funktioniert die Solawi nach dem Prinzip, dass private Haushalte gemeinsam Geld investieren, um Lebensmittel für den Eigenverbrauch anbauen zu lassen. Wer möchte, engagiert sich ehrenamtlich so wie Walter Kunert - selbst ausgebildeter Gärtnermeister für Gemüseanbau. Er unterstützt den fest von der Solawi angestellten Gärtner Jan Willenbrock. Die im Vorjahr für die Genossenschaft tätige Gärtnerin Iris Konnerth hat sich zwischenzeitlich beruflich umorientiert.

Angebaut wird nach der Dammkulturmethode

Darum sich auszuprobieren, geht es auch in der Solawi Isartal. So baut die Genossenschaft das Gemüse nach der Dammkultur-Methode an. Dafür wird die Erde zu Dämmen angehäufelt, auf deren Kronen die Pflanzen gesät werden. Dadurch soll sich Staunässe vermeiden lassen. Die Nährstoffe ließen sich besser im Boden halten, so von der Haide. Durch das Wechselspiel mit den dazwischen liegenden Senken zirkuliere zudem die Luft besser.

Ein Teil des Solawi Ackers zwischen Münsing und Degerndorf ist heuer an die Schlossgärtnerei Weidenkam verpachtet. Immer ein Viertel bis ein Drittel des Ackerbodens bleibt von Gemüseanbau frei. Dort würden Pflanzen wie etwa Kleegrassorten für die sogenannte Gründüngung angebaut, um etwa wachstumswichtigen Stickstoff in den Boden zu bringen, so Walter Kunert. Von der Schloßgärtnerei Weidenkam kauft die Genossenschaft auch ihre Jungpflanzen, die mit von dort bezogenem Wasser zum Anwachsen gegossen werden. Das Anfang der Woche auf dem Solawi-Acker gepflanzte Gemüse werde am Mittwoch in den Räumen der Schlossgärtnerei verpackt, um ausgeliefert zu werden.

Dass die Kunden damit so frisches Gemüse wie von nirgendwo anders bekämen, betont Vorstandsmitglied Tilmann. Die Genossenschaft garantiere so die Versorgungssicherheit mit heimischen Gemüse für ihre Mitglieder. "Riesen-Spaß und Arbeit verbinden sich bei uns ganz organisch und dynamisch."

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