Beutegreifer und Almwirtschaft:Schützen und schießen

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Es war ein Wolf in Aying - das bestätigt das Landesamt für Umwelt. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Bei einer Grünen-Veranstaltung in Lenggries werden gesetzliche Regelungen für ein Wolfsmanagement gefordert.

Von Petra Schneider, Lenggries

Der Wolf ist in den vergangenen Wochen ein wenig aus der medialen Landschaft verschwunden. Dass das Thema für die Almbauern aber nach wie vor höchst präsent ist, zeigte sich bei einer Veranstaltung des Kreisverbands der Grünen am Donnerstag. "Wolf und Bär - schützen und/oder schießen?", so der Titel der von Kreissprecher Andreas Wild moderierten Veranstaltung. Als Referenten eingeladen waren Peter Fichtner, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands, Christian Hierneis, umweltpolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion und Friedl Krönauer, Kreisvorsitzender des Bund Naturschutz (BN). Knapp 90 Interessierte waren in den Alpenfestsaal gekommen, darunter viele Landwirte, die lebhaft, aber sachlich diskutierten.

Die Positionen bewegten sich zwischen der Forderung nach wolfsfreien Zonen, einer Bestandsbegrenzung durch ein Wolfsmanagement und der Idee einer Koexistenz zwischen Almbauern und Wölfen, die mittels Herdenschutzmaßnahmen gelingen soll. Einigkeit bestand darin, dass die Almwirtschaft aus Gründen der Artenvielfalt unbedingt erhalten werden müsse.

Heißes Thema: Etwa 90 Zuhörer verfolgen die Diskussionsrunde im Lenggrieser Alpenfestsaal. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Deutliche Kritik wurde an der Politik laut, die sich seit Jahren wegducke und die Verantwortung an die EU weiterschiebe. "Die Politik hat versagt", sagte Christian Hierneis. Denn für den Wolf gilt in der EU ein strenger Schutzstatus. Gemäß der FFH-Richtlinie müsse in einer biogeografischen Region der "gute Erhaltungszustand" gesichert sein, was bei 1000 fortpflanzungsfähigen Wölfen der Fall sei, wie Hierneis sagte. Tatsächlichen lebten im Freistaat derzeit etwa 60 Tiere, vom günstigen Erhaltungszustand sei man also weit entfernt. Ein Wolfsmanagement mit Abschüssen sei deshalb mit geltendem EU-Recht nicht vereinbar. Dafür bräuchte es eine gesetzliche Neuregelung. Bayern selbst könne nichts machen. Dass die bayerische Wolfsverordnung, gegen die der Bund Naturschutz im Juli Klage eingereicht hat, "EU-rechtlich nicht geht", das sei "von vornherein klar gewesen", sagte Hierneis.

Der strenge FFH-Schutzstatus sei in den 1990-er Jahren als "neues Evangelium" gepriesen worden, erklärte Bauernvertreter Fichtner. Allerdings habe man versäumt, in Bezug auf den "guten Erhaltungszustand" konkrete Zahlen zu definieren. "Das ist Arbeitsverweigerung der Politik", schimpfte der Kreisobmann. Außerdem habe man bei der Einführung weder an die Landwirtschaft noch an den Tourismus gedacht. Tatsache sei: In Deutschland lebten derzeit 2000 Wölfe, die Vermehrungsrate liege zwischen 30 und 50 Prozent. Das bedeute, bis zu 10 000 Wölfe in zehn Jahren, "da bleibt uns gar nichts anderes übrig, als zu schießen." Denn großflächige Einzäunungen seien nicht überall möglich oder unverhältnismäßig aufwendig. Und laut FFH-Richltinie eigentlich auch nicht zulässig. Denn sie trennten Lebensräume, "wie eiserne Vorhänge", statt sie zu vernetzen.

Angesichts der Vermehrungsrate des Wolfes "bleibt uns nichts anderes übrig, als zu schießen", sagt Peter Fichtner, Kreisobmann im Bauernverband. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Außerdem seien Wölfe lernfähig. "Ein 1,20 Meter hoher Zaun juckt die nicht, die springen da aus dem Stand drüber." Man müsse abwägen, ob man wegen einer Art Dutzende anderer opfern wolle, sagte Fichtner. Es gehe nicht ums Ausrotten. "Aber wenn ein Wolf auf mein Eigentum losgeht, möchte ich mich wehren können."

Auch der BN sei nicht kategorisch gegen Abschüsse, betonte Kreisvorsitzender Krönauer. Seit vielen Jahren vertrete man dort die Auffassung, dass Abschüsse von Problemwölfen "zwingend zu einem Wolfsmanagement gehören". Weil Wölfe täglich 80 Kilometer wandern könnten, werde es immer Durchzügler geben. Abschüsse vermittelten Tierhaltern deshalb eine trügerische Sicherheit, sagte Krönauer. "Denn es ist nicht möglich, die Alpen wolfsfrei zu halten." Außerdem hänge die Zahl der Risse nicht von der Anzahl der Wölfe ab, sondern von Herdenschutzmaßnahmen, zu denen neben Zäunen auch Herdenschutzhunde gehörten, die etwa in der Schweiz erfolgreich eingesetzt würden.

Der Landtagsabgeordnete der Grünen Christian Hierneis fordert ein bundesweites Bestandsmanagement. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Hierneis sah das anders. "Ein konfliktfreies Nebeneinander zwischen Wolf und Almen ist nicht möglich." Er beschäftige sich seit 17 Jahren mit dem Thema und sei zu der Überzeugung gekommen: "Wenn man nichts macht, verliert man die Almwirtschaft. Wenn wir eingreifen, können wir beides erhalten." Seit 1992 habe sich die Population massiv erhöht, derzeit gebe es in Bayern sechs Rudel mit 60 bis 70 Tieren. Nötig sei ein bundesweites Bestandsmanagement, gemeinsam mit den Nachbarländern. Man müsse der EU deutlich machen, dass man Wölfe entnehmen könne, "ohne dass die Art ausstirbt."

Zu Beginn der Veranstaltung war in einem online-Voting ein Meinungsbild eingeholt worden: 30 Prozent hatten sich dafür ausgesprochen, dass Wölfe "konsequent gejagt werden", sieben Prozent, sie konsequent zu schützen und 63 Prozent waren für ein "sowohl als auch". Am Ende hatte sich das Ergebnis geändert: Die Zahl der Befürworter einer konsequenten Bejagung hatte sich um zehn Prozent erhöht.

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