Bus statt Bahn:Geduldige Pendler

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Noch bis Samstag verkehren Busse des Schienenersatzverkehrs zwischen Höllrigelskreuth und Wolfratshausen, weil dort die Gleise erneuert werden. Die meisten Fahrgäste nehmen es gelassen, es gibt jedoch auch Kritik.

Von Thomas Kubina, Wolfratshausen

Christian Möhrs sitzt gerne mal vorne, wenn er mit dem Schienenersatzverkehr (SEV) zwischen Höllriegelskreuth und Wolfratshausen fährt. Hin und wieder fällt ihm auf der Fahrt eine Geste der Busfahrer auf, die er in Zukunft nicht missen möchte: die spaßige Begrüßung der Kollegen auf der Gegenspur. "Solch eine Heiterkeit bekomme ich auf S-Bahn-Fahrten nicht mit", sagt der Münchner und fügt hinzu: "Vielleicht wäre es doch besser, wenn der Busersatz auf der Strecke weiterfährt". Ähnlich wie Möhrs geben sich die meisten Fahrgäste, die täglich zur Arbeit oder Schule fahren, zufrieden mit dem motorisierten Ersatzverkehr, der noch bis Samstag, 9. Juni, im Einsatz ist.

Grund für den SEV zwischen Höllriegelskreuth und Wolfratshausen sind die seit 19. Mai laufenden Sanierungs- und Ausbauarbeiten auf dem Streckenabschnitt der S 7: Rund 10 Kilometer neue Schienen im 4,7 Kilometer langen Abschnitt zwischen Baierbrunn und Ebenhausen-Schäftlarn werden ausgelegt, 7800 Schwellen ausgetauscht und 21 000 Tonnen Schotter geworfen. Zur Zeit befinden sich die Bauarbeiten laut Pressesprecher Deutsche Bahn Bayern Bernd Honerkamp in der dritten und letzten Phase. "Soweit ist alles im Zeitplan", sagt er. Nicht nur die Gleise werden erneuert, auch der Bahnhof in Wolfratshausen wird modernisiert. Dieser bekommt ein sogenanntes Blindenleitsystem und zudem eine Schienenkonditionieranlage mit speziellem Schmiermittel, das den Lärm beim quietschenden Einfahren der S-Bahn-Räder reduzieren soll.

Einige Pendler nehmen die lauten Bauarbeiten genauso wenig wahr wie die längeren Fahrtzeiten des SEV: Während die S 7 zu gewohnten Fahrtzeiten zwischen den beiden Endhaltestellen rund 19 Minuten benötigt, verbucht der SEV eine Fahrtzeit von gut 35 Minuten. "Ich bin sehr zufrieden, der Bus ist zuverlässiger als die Bahn", sagt Alfred Fuchs, der täglich aus dem Münchner Norden nach Wolfratshausen fährt. Und der Schüler Johannes Fredeck entdeckt sogar einen Wohlfühlfaktor beim morgendlichen Pendeln zum Unterricht - weil unter anderem Reise- und nicht nur Linienbusse eingesetzt werden.

Die ersten der insgesamt drei Bauphasen der Gleissanierung fielen in die Pfingstferien. Dies sei von Vorteil gewesen, da viele Busse nicht mit dem zusätzlichen Schulbusverkehr konfrontiert worden seien, sagt Honerkamp.

Busse stünden genug zur Verfügung. Woran es mangele, seien allerdings die Busfahrer. Daher hat die Bahn Vorkehrungen getroffen und Busse wie Fahrer vom Regionalverkehr Oberbayern (RVO) zur Unterstützung angefordert. Über die genaue Anzahl der eingesetzten Busse und Fahrer kann laut Honerkamp keine Aussage getroffen werden, da viele Subunternehmen zusätzlich aushelfen. Da nun die Ferienzeit zu Ende ist, gebe es ab Wolfratshausen zusätzlich im 20-Minuten-Takt drei Busse, von 6.44 Uhr an. Zwischen 16 und 19 Uhr kollidiere der Feierabend- nicht mit dem Schulverkehr, da sich die Situation gegen Abend entlaste, betont der Pressesprecher.

Zwar sei es ein guter Plan der Bahn, in den Hauptverkehrszeiten, also zwischen 6 und 9 Uhr, drei bis vier Busse einzusetzen. Ein Busfahrer, der nicht genannt werden möchte, bemängelt dabei jedoch ein Problem: "Die Umwelt ist doch schon genug belastet, warum muss man in der Pfingstphase unzählige Busse einsetzen?" Für mancherlei Irritationen könnten die Busse sorgen, die leer an einem vorbei fahren, räumt Honerkamp ein. Dies sei jedoch notwendig, weil der Bus in der anderen Fahrtrichtung gebraucht würde.

Das viele Lob einiger Fahrgäste verdeckt aber nicht manche kritische Stimmen: Felix Reuter unternahm eine Fahrradreise nach Tölz. Als er in Wolfratshausen mit dem SEV zurück nach München fahren wollte, blieben ihm die Türen des Busses verschlossen. "Ich lasse mein Fahrrad nicht am Hauptbahnhof stehen, man zahlt schon genug für die Bahntickets", sagt er. Anders als Kinderwagen und Rollstühle dürfen Fahrräder im SEV nicht mitgenommen werden. "Eigentlich sind Fahrradmitnahmen in Bussen grundsätzlich verboten", betont Bahnsprecher Honerkamp. Bei Fahrradpannen oder schlechtem Wetter gebe es jedoch Ausnahmen. Weiteres Unbehagen empfinden die Pendler, wenn sie an der S-Bahn-Haltestelle Höllriegelskreuth auf den Folgezug warten müssen, der in Richtung München fährt.

Noch bis Samstag haben S 7-Pendler die Möglichkeit, den SEV zu testen. Die wohlgestimmten Töne der Fahrgäste verstummen nicht, aber so mancherlei Anspruch unterscheidet sich: Maximilian Heilgnbrunner fuhr diese Strecke nur ein einziges Mal und stellt gleich fest: "Es ist eine nervige Angelegenheit. Die S-Bahn ist entspannter, weil ich da einfach sitzen bleiben kann."

© SZ vom 07.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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