Hausdurchsuchungen:Razzia bei "Reichsbürger"

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"Reichsbürger" erkennen die Legitimität der Bundesrepublik und deren demokratische Strukturen nicht an. Manche stellen sich eigene Pässe aus. (Foto: Patrick Seeger/dpa)

Polizei durchsucht Objekt im Landkreis, Szene in der Region wächst.

Von Benjamin Engel, Bad Tölz-Wolfratshausen

Nachdem die Polizei bei Razzien mit "Reichsbürger"-Hintergrund am Aschermittwoch auch das Objekt eines Landkreisbewohners durchsucht hat, ist die regionale Szene in den Fokus gerückt. Zwar ist von dem Mann bislang noch wenig bekannt. Es soll sich um einen Zeugen in einem Ermittlungsverfahren gegen insgesamt sechs Beschuldigte handeln, die erwogen oder geplant haben sollen, einen weitreichenden Stromausfall zu verursachen. Es besteht der Verdacht, dass die Männer damit chaotische Zustände herbeiführen wollten, um so eine politische Revolte zu beginnen. Insgesamt leben in der Region südlich von München wohl besonders viele sogenannte "Reichsbürger".

Im gesamten Freistaat soll es laut Verfassungsschutzbericht um die 4600 "Reichsbürger" geben. Im Sicherheitsbericht von 2022 geht das Polizeipräsidium Oberbayern Süd von knapp 900 der Szene zugehörigen Personen in dessen Zuständigkeitsgebiet aus. Es umfasst neun Landkreise zwischen Berchtesgaden und Schongau sowie die kreisfreie Stadt Rosenheim. "Wir haben einen überproportionalen Anteil", so stellt Präsidiumssprecher Stefan Sonntag für die Region südlich der Landeshauptstadt München fest. Mit wachsender Tendenz. 2019 sollen es im Gebiet seinen Angaben nach "gut 700", ein Jahr später knapp 800 Personen gewesen sein.

"Die Übergänge sind fließend"

Generell ist die Szene allerdings zahlenmäßig schwer zu fassen. Um die zehn Prozent zählten wohl zum harten Kern, so Sonntag. Einen "Reichsbürger"-Hintergrund von der Zughörigkeit zu anderen Gruppierungen ein- und abzugrenzen, sei aber kompliziert. "Die Übergänge sind fließend." So sollen die nun Beschuldigten zudem einen Bezug zur Prepper-Szene haben, welche in Vorbereitung auf künftige Katastrophen Vorräte anlegt oder Überlebenstechniken einübt. Zu Haftbefehlen und Festnahmen ist es nach den aktuellen Durchsuchungen im Landkreis und in der Oberpfalz nicht gekommen, weil nur ein einfacher, kein dringender Tatverdacht vorliegt.

Von einem "Weckruf" für die Polizei spricht Sonntag, als ein "Reichsbürger" im Jahr 2016 in Georgensmünd bei Nürnberg einen Polizisten erschoss. Die Beamten hätten mit Personen aus diesem Umfeld regelmäßig zu tun. "Reichsbürger" seien der Ansicht, dass der Staat der Bundesrepublik Deutschland keine Legitimation habe. Das Spektrum sei ganz unterschiedlich, nicht alles strafbar. Manche seien aufgefallen, weil sie an ihrem Auto Phantasie-Kennzeichen - etwa nur das Wort Mensch - statt der amtlichen Nummernschildkombination angebracht hätten. Andere weigerten sich Steuern zu zahlen oder stellten sich eigene Ausweise aus. Gehe es darum, Waffen von auffällig gewordenen "Reichsbürgern" zu entziehen - wie im Fall Georgensmünd - sei die Polizei inzwischen besonders vorsichtig.

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