Asylbewerber:Angestellt, integriert - abgeschoben

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Im Autohaus Loth hat Adnan D. aus Pakistan einen Ausbildungsplatz bekommen. Inhaber Christian Loth (rechts) will nicht akzeptieren, dass sein Lehrling wieder zurück in seine Heimat muss. (Foto: Hartmut Pöstges)

Adnan D. hat einen Ausbildungsplatz als Kfz-Mechatroniker. Doch der Pakistani wird abgeschoben. Sein Chef und der Asyl-Helferkreis sind empört.

Von Claudia Koestler, Egling

Er würde gerne wieder wie seine Kollegen Zündkerzen wechseln, Getriebe einstellen, Steuerketten austauschen, kurzum anderen helfen, ihr Auto wieder in Schuss zu bringen. Doch Adnan D. (Name geändert) darf bald nicht mehr. Er stammt aus Pakistan und soll deshalb abgeschoben werden, so will es die bayerische Landesregierung mit einer Anordnung an die Ausländerbehörden der Landratsämter. Dabei hat der dreifache Vater und Ehemann mit großem Fleiß in nur zwei Jahren Deutsch gelernt, Freunde gefunden und hilft ehrenamtlich als Dolmetscher für andere Flüchtlinge aus. Seit einem Jahr hat Adnan zudem eben eine feste Arbeitsstelle und sich in der Firma bestens eingearbeitet: Seit einem Jahr absolviert er eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker im Autohaus von Christian Loth in Egling. Adnan sei in seinen Augen ein "Beispiel gelungener Integration", sagt Loth. Doch nun, da sein Lehrling trotz seinem Arbeitsverhältnis vor der Abschiebung steht, keimen bei Loth Zweifel auf, ob die Integration von Politik und Gesellschaft überhaupt gewollt sei.

Jahrelanger, intensiver und ehrenamtlicher Einsatz, um Asylbewerber zu integrieren, der nun völlig umsonst war: Diese Sorge bewegt auch Katharina Bernlochner. Sie koordiniert den Eglinger Asylhelferkreis und erlebt gerade, dass ausgerechnet die Integrationswilligsten unter den Asylbewerbern abgeschoben werden. Dass Bernlochner nun wie Loth Alarm schlägt, dürfe nicht falsch verstanden werden, betonen beide. "Wir wollen uns nicht dem Vorwurf aussetzen, dass wir jeden Asylbewerber und Migranten unreflektiert im Land behalten wollen", erklären sie. Ihnen geht es um etwas anderes: um fehlende Differenzierung in den Entscheidungen. Denn mit der Anordnung, pauschal nurmehr nach Herkunftsland und nicht nach Einzelfall und Integrationswille zu entscheiden, treffe nicht alleine die Geflüchteten. Es treffe in ganz massiver Weise auch die Wirtschaft und die Steuerzahler, es torpediere die Sicherheit und das bürgerschaftliche Engagement.

Wer noch im laufenden Asylverfahren stehe und eine sogenannte geringe Bleibeperspektive habe, also Geflüchtete aus Ländern wie Afghanistan, Pakistan oder Nigeria, soll auf Anweisung des bayerischen Innenministeriums keine Arbeitserlaubnis mehr erhalten. Umsetzen muss dies das Landratsamt als zuständige Behörde. Wer keinen Pass vorlegen kann, für den ist zudem gesetzlich vorgeschrieben, dass eine Erwerbstätigkeit verboten wird. Wer bereits abgelehnt wurde, muss innerhalb von 30 Tagen ausreisen. Wenn er das jedoch nicht kann, weil er etwa keinen Pass hat oder die aktuelle Sicherheitslage im Heimatland dagegen spricht, wird zwar weiter geduldet. Doch auch sie dürfen keine Arbeit mehr aufnehmen. "Damit soll eine Verfestigung des Status verhindert werden", weiß Klaus Köhler, Leiter der Ausländerbehörde in Bad Tölz.

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Doch Menschen, die arbeiten wollen oder bereits in Lohn und Brot stehen, werden mit dieser Politik zum Nichtstun verdammt und wieder in die soziale Abhängigkeit gedrängt, kritisieren Bernlochner und Loth. Das schade Gesellschaft und Wirtschaft. Dass sein Lehrling abgeschoben werden soll, obwohl er seit einem Jahr in einem offiziellen, genehmigten Beschäftigungsverhältnis steht, ist für Loth menschlich eine Katastrophe, wirtschaftlich ein "großer Verlust" und politisch maßlos enttäuschend. Das Integrationsgesetz habe schließlich vor der Anweisung vorgesehen, dass Asylbewerber während der Dauer einer Ausbildung in Deutschland bleiben dürfen - und wer nachher übernommen wird oder anderswo eine Stelle findet, sollte eine Aufenthaltserlaubnis für zwei weitere Jahre erhalten. Die Wirtschaft hatte dies gefordert, um Planungssicherheit zu haben, wenn Betriebe Asylbewerber als Azubis einstellen. Mit der Abschiebepolitik werde das eingerissen und "Vertrauen zerstört", erklärt Loth. "Wir haben investiert in ihn, weil wir davon ausgingen, er bleibt uns mindestens fünf Jahre", sagt Loth.

Abschiebung trotz Arbeitsverhältnis und der Entzug von Erwerbserlaubnissen für Flüchtlinge aus Ländern mit "geringer Bleibeperspektive": Diese Politik sei "auch ein Schlag ins Gesicht für alle in der Flüchtlingsarbeit ehrenamtlich Engagierten", sagt Katharina Bernlochner. Ausgerechnet die Beispiele für gelungene Integration abzuschieben, ohne auf deren persönliche Entwicklung und ihren Nutzen für Gesellschaft und Wirtschaft zu achten, ist für sie falsch. "Bei den Beurteilungen sollten die Behörden vor Ort ein Mitspracherecht bekommen, die die Betreffenden kennen", fordert sie. Zum Beispiel bei Qasem Rahimi aus Egling. Der 20-Jährige bemüht sich, spielt im Verein Fußball, vor allem aber hat er schon einen Ausbildungsplatz sicher. "Ich will arbeiten und Steuern zahlen", sagt er selbst. Wenn da nicht seine Nationalität wäre. Rahimi ist Afghane. Und als solcher soll er nach zwei Jahren, die er in der Gemeinde Egling als Asylbewerber lebte, Deutsch lernte und sich erfolgreich um einen Ausbildungsplatz bemühte, dorthin zurückkehren. Denn, so heißt es in einem Ablehnungsbescheid, den er vor wenigen Tagen erhielt: "Im Herkunftsland Afghanistan besteht kein Konflikt." Obwohl es auf derselben Seite nur zwei Absätze zuvor heißt: "In allen Teilen Afghanistans herrscht ein unterschiedlich stark ausgeprägter innerstaatlicher bewaffneter Konflikt in Form von Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban sowie anderen oppositionellen Kräften." Zurück nach Afghanistan - für Rahimi eine unbegreifliche Vorstellung, zumal er dort seit seinem vierten Lebensjahr gar nicht mehr gelebt hat. Inzwischen hat er einen Ablehnungsbescheid erhalten, in seinem Ausweis steht nun, dass ihm eine Erwerbstätigkeit nicht erlaubt ist.

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Für die ehrenamtlichen Helfer ein fatales Zeichen. Zwei Jahre lang haben sie in Menschen wie Rahimi Zeit und Engagement investiert, ihnen Deutsch gelehrt, mit der deutschen Kultur vertraut gemacht und ihn in Praktika und in eine Ausbildung vermittelt. All das ist nun redundant. "Wer soll dann in Zukunft noch Lust haben, sich ehrenamtlich zu engagieren?", fragt sich Bernlochner. Erst habe der Staat Ehrenamtliche dringend gebraucht, es sei ein unglaubliches bürgerschaftliches Zeichen gesetzt worden - das nun mit einer Anordnung für unwichtig und egal erklärt werde.

Nicht nur die Helfer seien deshalb wütend und frustriert. Bernlochner sorgt sich auch um die Folgewirkungen dieser Politik unter den Asylbewerbern. Schließlich habe man es mit teils traumatisierten Menschen zu tun. Ihnen so die Perspektive zu nehmen, könnte durchaus zu Wut und Radikalisierung führen. Frustrierte, zum Nichtstun verdammte Asylbewerber seien in ihren Augen ein höheres Risiko als Menschen, die beschäftigt sind. Um den Frust abzubauen und Radikalisierung frühzeitig zu erkennen, dazu bedarf es wiederum der freiwilligen Helfer. "Doch wer soll das noch alles leisten, wenn der Staat pauschal über unsere Köpfe hinweg entscheidet?", fragt sich die Helfer-Koordinatorin.

Bernlocher will mit den rund 35 ehrenamtlich Engagierten im Eglinger Helferkreis in den kommenden Tagen überlegen, wie sie auf die rigorose Abschiebepolitik reagieren - mit Petition, Unterschriften oder einem offenen Brief womöglich. Rahimi selbst will gegen seinen Bescheid und den Entzug der Erwerbserlaubnis klagen. Doch es gäbe unter den Flüchtlingen auch Stimmen, die bereits angekündigt haben, im Fall der Fälle untertauchen zu wollen. Die Probleme werden sich durch die Perspektivlosigkeit, die mit der Anordnung geschürt werde, verschärfen, befürchten Loth und Bernlochner. "Ausgerechnet die Integriertesten abzuschieben, die längst der Gesellschaft etwas zurückgeben, da schießt sich der Staat doch ein Eigentor."

© SZ vom 27.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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