Flüchtlinge:Der Pfarrer und sein heiliger Zorn auf die CSU

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Markus Söder und seiner "Partei mit dem C" müsse man das Christ-Sein buchstabieren, findet der frühere evangelische Pfarrer Michael Süßmann. (Foto: Hartmut Pöstges)
  • Michael Süßmann, 68, ist entsetzt über die restriktive Linie der CSU in der Asylpolitik.
  • Der evangelische Pfarrer in Rente aus Eurasburg bei Bad Tölz hat seinem Zorn in einem Leserbrief an die SZ Luft gemacht. Darin nennt er die Politik der CSU "nur erbärmlich".
  • Auch die Flüchtlingshelfer in Eurasburg haben einen Brief geschrieben, an Finanzminister Markus Söder.

Von Felicitas Amler, Eurasburg

Flüchtlingen Deutsch beibringen, Behördenbriefe erläutern, Fahrräder reparieren und ein wenig "Ersatzpapa" für einen 16-jährigen Afghanen sein: Das leistet der 68-jährige Michael Süßmann, weil es getan werden muss. Und es treibt den evangelischen Pfarrer um, dass Politiker, die das Christ-Sein vor sich her tragen, es nicht leben, wie er findet.

Er ist entsetzt über die restriktive Linie der CSU in der Asylpolitik, die auf Abschreckung und schnelle Abschiebung setze. Er spricht von einer "Entchristlichung des Abendlandes" und hat aus Anlass des Auftritts von Finanzminister Markus Söder am Sonntag in Beuerberg seiner Empörung in einem Leserbrief an die SZ Luft gemacht. Die CSU-Politik nennt der engagierte Flüchtlingshelfer Süßmann "nur erbärmlich"; er warnt vor einem gefährlichen Spiel des Brandstiftens mit Worten. Und ärgert sich nicht zuletzt über seine eigene Kirche - die evangelische -, deren Landessynode Söder als berufenes Mitglied angehört.

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Süßmann lebt seit fünf Jahren mit seiner Ehefrau Elisabeth in Eurasburg. Sie haben sich schon während des Bürgerkriegs in Jugoslawien für Flüchtlinge eingesetzt, damals für Bosnier. Zu jener Zeit lebten die Süßmanns in Gilching - einer seiner Stationen als Religionslehrer. Denn Süßmann hat zweimal hin und her gewechselt, insgesamt 17 Jahre lang als Pfarrer gearbeitet, 21 Jahre als Religionslehrer, zuletzt am Gymnasium Geretsried. Seine letzte Pfarrer-Stelle war die in Sankt Michael in Wolfratshausen, als Vorgänger von Pfarrer Florian Gruber. Er gab sie nach drei Jahren auf, vor allem weil ihm die bürokratischen Belastungen zu groß waren. Und weil sie ihn von seiner eigentlichen Berufung zu sehr abhielten - Seelsorge und Predigt.

Man kann sich diese Enttäuschung gut vorstellen, wenn man den agilen Rentner erlebt; wenn man hört, wie ihn auch jener Behördenkram ärgert, den Flüchtlingshelfer mit dem Landratsamt zu absolvieren haben - etwa dreimal in ein und derselben Angelegenheit schreiben oder antreten. Süßmann räumt ein, dass er gelegentlich ungeduldig sei. Aber es gehe ihm um die Sache. Und die Sache ist die: "Jemand muss diesen Menschen helfen." Das allein sei doch das Motiv aller Ehrenamtlichen. "Warum tun wir das? Weil es nötig ist. Weil es jemand tun muss." Er beruft sich nicht auf den christlichen Grundwert der Nächstenliebe, denn das reiche nicht aus als Basis für alle, die Flüchtlingen helfen, darunter auch Atheisten oder Menschen anderen Glaubens.

Aber wer "das Etikett" Christ verwendet, den packt Süßmann bei seinen Taten. So wie Markus Söder. Der sei "an vorderster Stelle dabei, wenn es um undifferenzierte Aussagen zur Flüchtlingssituation geht". Immer setze der Minister "auf die problematische, bedrohliche, der Bevölkerung angstmachende Seite". Angesichts solcher "Biedermänner" empfinde er einen heiligen Zorn, sagt der ehemalige Pfarrer und rekurriert auf die Bibel: "Die Propheten waren immer zornig über die Ignoranz ihrer Zeitgenossen." Die CSU-Spitze habe nur eine Tendenz in der Asylpolitik: "So restriktiv und abschreckend wie möglich." Aktuell belegt er das mit den schnelleren Abschiebungen, Arbeitsverboten und auch mit dem Verzicht auf Sicherheitsdienste an Gemeinschaftsunterkünften.

Die evangelische Ethik sei in jeder Hinsicht das Gegenteil dessen, "was diese Herrschaften kalt lächelnd durchziehen", sagt Süßmann. Und es ist nicht das erste Mal, dass er in diesem Zusammenhang auch seine Kirche geißelt: Das Proporzdenken, das zur Berufung Söders in die Landessynode geführt habe, lehne er ab. Zu Zeiten des Innenministers Günther Beckstein, der ebenfalls in die Synode berufen worden war, seien sieben seiner Freunde aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Für ihn selbst offenbar keine Option; aber aushalten könne er "diesen Spagat" eigentlich nicht.

Die Asylhelfer fühlen sich verraten

Auch unter den etwa fünfzig Flüchtlingshelfern in Eurasburg gebe es viele, die seine Kritik teilten, sagt Süßmann. Tatsächlich hat der Kreis, zu dessen Sprechern Elisabeth Birner gehört, einen eigenen Brief an Söder geschrieben. Im Ton sanfter als Süßmann, eher appellativ als anklagend. Vor allem gegen das Arbeitsverbot spricht sich der Kreis aus und erklärt, in Ansprachen würden Asylhelfer gern gelobt; nun aber fühlten sie sich verraten.

Birner sagt, eine Handvoll Ehrenamtliche werde zum CSU-Neujahrsempfang mit Söder gehen, um ihm den Brief - den sie ihm vorab bereits geschickt haben - persönlich zu übergeben. Süßmann wird nicht dabei sein. "Ich tu mir das nicht an", sagt er. Bei einer solchen Veranstaltung werde doch nur beschwichtigt - womöglich sogar von Menschen, die in der Asylhilfe engagiert sind, aber der CSU anhängen. Die gebe es, sagt der enragierte Pfarrer: "Ich frage mich, wie bekommen christlich orientierte Menschen das hin?"

© SZ vom 21.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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