Wer seine Tage im Büro verlebt, hat ja gar keine Ahnung, was sich unterdessen in dem Mietshaus abspielt, in dem man für ein Schweinegeld die Nächte verbringt. Das bekommt der Mensch erst mit, wenn er für ein paar Tage Urlaub in seinen vier Wänden macht, in der Hoffnung, mal richtig auszuschlafen und genug Muße zu haben, die Gebrauchsanweisung der neuen, vollautomatischen Pfeffermühle zu studieren.
Doch schon um neun Uhr morgens klingelt es an der Tür, ein schriller Dauerton, der noch den hartleibigsten Schläfer aus dem Bett holt. Es ist ein Paketbote, der flehenden Blicks darum bittet, man möge ein Päckchen, das für den Nachbarn bestimmt ist, doch bitte entgegennehmen. Klar, macht man gerne, zumal der Nachbar eine etwas kapriziöse Nachbarin ist, die man nicht zum Feind haben möchte.
Zehn Minuten später steht der nächste Zusteller vor der Tür. Er überbringt ein vier Kubikmeter großes Paket, das die Herrschaften im Parterre geordert haben. Bis zum Abend kommen noch 23 Sendungen für die insgesamt zwölf Mietparteien an, die offenbar alle verreist sind oder tot in ihrer Wohnung liegen.
Wie es aussieht, sind die Boten sämtlicher Paketdienste miteinander vernetzt, so dass sich sofort herumspricht, wo es einen Dummen gibt, der die Sendungen annimmt. In den folgenden Tagen vertrauen sie einem auch die Pakete der Nachbarhäuser an, und allmählich verwandelt sich die Wohnung in ein Post-Zwischenlager für das gesamte Viertel. Alles ist vollgestellt bis unter die Decke, Platz zum Schlafen bietet allein die Badewanne.
Man ahnte ja nicht, dass mittlerweile alle Welt online bestellt und nur noch Menschen, die völlig hinterm Mond leben, in Geschäften einkaufen, die der materiellen Wirklichkeit zuzuordnen sind. Neulich wurde sogar ein Papagei geliefert, der eigentliche Empfänger ist unbekannt verzogen. Es ist interessant zu beobachten, wie der Vogel die Kirschen aus der Hochzeitstorte pickt, die seit zwei Wochen auf einen Abholer wartet. Etliche Päckchen sind mit Aufklebern versehen, die vor Gift oder explosiven Stoffen warnen.
Es wird nichts anderes übrig bleiben, als den Jahresurlaub zu nehmen, um die circa 300 noch nicht abgeholten Pakete persönlich zu überbringen. Die ordnungsgemäße Inbetriebnahme der vollautomatischen Pfeffermühle wird sich verzögern.