Tierpark Hellabrunn:"Niemand wäre so dumm, einer Giraffe Bier zu geben"

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Tierpark Hellabrunn / Zoo: verschiedene Schilder Foto:Alessandra Schellnegger (Foto: Alessandra Schellnegger)

Grundschüler haben die Hinweistafeln und Werbeplakate im Tierpark Hellabrunn begutachtet. Lustige Sprüche kommen bei den Zweitklässlern nicht gut an. Sie wollen mehr Informationen.

Von Melanie Staudinger

"Lieber Zoodirektor, ich finde es nicht gut, wenn Sie sich über Tiere lustig machen", schreibt Lara. Ihre Klassenkameradin Erja notiert: "Das Plakat ist sehr gemein den Tieren gegenüber." Und Leonhard meint: "Bei diesem Schild wird man veräppelt." Die Zweitklässler der Grundschule an der Gebelestraße sind sich einig: Einige Schilder im Tierpark Hellabrunn sind verbesserungswürdig.

Gemeinsam mit ihrer Lehrerin Lucy Engler-Hamm besuchten die Schüler vor einiger Zeit den Münchner Zoo, betrachteten Hinweistafeln und Werbeplakate und wandten sich nun mit ihrer Kritik in einem Brief an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und Zoodirektor Rasem Baban. Die Sieben- und Achtjährigen wünschen sich mehr Informationen statt belustigender Sprüche, das wird aus ihren Notizen klar.

Tierpark Hellabrunn
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Das Thema des Schulprojekts ist nicht zufällig gewählt. Der neue Grundschullehrplan sieht in der zweiten Klasse Medienbildung vor. Die Schüler sollen sich mit unterschiedlichen Medien befassen und sich kritisch mit deren Nutzen und Umgang auseinandersetzen. "Der Zoo interessiert die Kinder, deshalb haben wir uns dort Werbetafeln und Informationsschilder angeschaut", sagt Engler-Hamm, die pensioniert ist, an ihrer alten Schule aber bis heute einzelne Projekte mit den Kindern macht.

Im Klassenzimmer der 2e hängt noch das alte Zooplakat, der Affe, der mit einer Banane telefoniert. "Kommst du?", fragt das Tier. Das gefällt den Bogenhausener Schülern. Sie fragen: "Wie wäre es, wenn wieder die alten Schilder und Plakate hängen würden?"

Es liegt noch gar nicht so lange zurück, dass diese aus dem Tierpark verschwunden sind. Anfang 2011 wurden alle Großtafeln des Tierparkmalers Günter Mattei abgehängt. Der Zoo wollte den Vertrag nicht mehr verlängern. Die Tafeln, so erklärte der damalige Leiter Andreas Knieriem, basierten auf einem Buch von seinem Vorgänger Henning Wiesner und Mattei. Im Zoo aber wolle man nun mal kein Buch lesen, hieß es damals. Ein neues Konzept sollte her, dass alle Altersgruppen gleichermaßen anspricht - Lehrerin Lucy Engler-Hamm, die Mattei kennt, hat das schon vor sechs Jahren nicht gefallen.

Heute bildet das 2015 komplett umgestaltete und überarbeitete Artenschutzzentrum das Herzstück des Bildungsangebots. Der Tierpark will die Vielfalt des Lebens vermitteln, die Biodiversität. Heimische Pflanzen und Tiere leben wild auf dem Gelände, die naturnahen Anlagen sollen Tierarten aus allen Teilen der Welt ein Zuhause bieten.

Kinder-Meinungen zum Clownfisch

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(Foto: N/A)

"Jeder kennt Nemo und weiß, dass er ein Mann ist." Da lässt William keine Diskussionen zu. Schließlich sei es gemein, einen Mann als Frau zu bezeichnen. Das Plakat mit dem Clownfisch Nemo wendet sich optisch tatsächlich eher an die kleineren Tierparkbesucher. Die Information darunter, dass diese Fischart im Laufe ihres Lebens das Geschlecht ändern kann, ist dann aber wohl doch eher für Erwachsene bestimmt.

Giraffen

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Für Erwachsene ist es eine nette, kleine Zusatzinformation. Dass man in Amerika Giraffen nicht an Laternenmasten anketten darf, dürfte in der Bevölkerung dann doch weitgehend unbekannt sein. Die Zweitklässler der Gebeleschule sehen das zum Teil anders. "Das Plakat ist gemein gegenüber der Giraffe", schreibt etwa Matilda. Und Cecilia findet: "Außerdem würde niemand eine Giraffe an einen Laternenpfosten anbinden."

Sandratte

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(Foto: N/A)

"Fette Sandratten ist kein Respekt den Tieren gegenüber", findet Dominic. Seine Klassenkameradin Sophie schreibt: "Beknackt" sei das. Und David stellt klar: "Fette Ratten stimmt gar nicht." Dass es sich bei Fetten Sandratten um einen Eigennamen handelt, erschließt sich den Kindern aus dem Schild nicht. Derzeit ist es ohnehin nicht zu sehen, weil der Kindertierpark gerade zum Mühlendorf umgebaut wird.

Kamelopard

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Kamelopard ist ein sehr altes Wort für Giraffe. Das kennen die Zweitklässler der Gebeleschule freilich nicht. Komisch kommt ihnen aber die Plusrechnung unter der Erklärung vor: "Mir ist aufgefallen, dass es ein paar Informationen gibt, die Quatschgeschichten sind. Der Leopard würde das Kamel auffressen", schreibt Elisabeth über die bildliche Darstellung von "Kamel plus Leopard ist gleich Giraffe".

"Füttern verboten"

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Das "Füttern verboten"-Schild fällt bei den Kindern durch. Eine Giraffe ganz grün im Gesicht? "Niemand wäre so dumm, einer Giraffe Bier zu geben", schreibt Frida. Und Clemens: "Die Kinder sind doch nicht blöd und füttern die Tiere." Die Kinder vielleicht nicht, doch nicht bei allen Tierpark-Besuchern hat sich diese Erkenntnis schon herumgesprochen - sonst hinge das Schild dort nicht.

Wildtiere

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

In der Schule lernen die Kinder, dass Wildtiere keine Kuscheltiere sind, dass sie mit Respekt behandelt werden müssen und dass sie zum Beispiel nicht in den Arm genommen werden wollen. Die Vermenschlichung der Giraffen, die plötzlich "Die Entspannte", "Die Selbstbewusste" oder "Die Hübsche" heißen, finden viele der Schüler befremdlich. "Das Schild ist unnütz und peinlich", meint Frida. Fotos: Schellnegger (4), privat, Tierpark

Wichtig dabei ist ein dreistufiges Modell: Zuerst soll die Begeisterung für eine Tierart geweckt werden, danach ließen sich wichtige Hintergrundinformationen zu Ökosystemen und natürlichen Prozessen leichter vermitteln. Als drittes beschäftigen sich die Infoangebote mit der bedrohten Vielfalt, mit zerstörerischen Umwelteinflüssen etwa.

Ähnlich läuft es bei der Werbung. Mit Sprüchen wie "Schweißfüße? Da steh' ich drauf!" (Klippschliefer) oder "Mein Gewicht? Das hört man mir nicht an" (Elefant) wolle der Tierpark die Aufmerksamkeit des Betrachters und so das Interesse an der Tierwelt wecken, erläutert ein Sprecher.

Aus diesem Grund freue sich der Zoo sehr, dass sich die 2e intensiv mit den Motiven befasst habe. "Damit haben wir das Ziel der Aufmerksamkeit erreicht", sagt der Sprecher. Eine Werbekampagne könne aber niemals allen gefallen. "Wir müssen akzeptieren, dass es neben den zahlreichen positiven Rückmeldungen auch ein paar negative Meinungen dazu gibt."

An die Schüler schrieb ein Zoo-Mitarbeiter, dass Mediengestaltung kreativ und individuell sein solle. "Für Fakten gibt es unzählige Nachschlagewerke, welche sich nicht unbedingt für die Werbung eines Unternehmens im Freizeitsektor eignen", schreibt der Mitarbeiter weiter. Den Respekt vor Flora und Fauna erlerne man unter anderem von Eltern und Lehrern, auch dafür sei Werbung speziell nicht da, steht in der E-Mail.

Ohne Kunst und Kreativität würde niemand sich für die Hinweistafeln interessieren. Genau in diesem Punkt aber sind die Zweitklässler anderer Meinung. Ihnen wäre weniger Spaß und dafür mehr Information deutlich lieber. "Ein Zoo ist kein Zirkus!", schreiben die Kinder in ihrem Brief an Hellabrunn.

© SZ vom 04.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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