SZ-Adventskalender:Etwas Aufmunterung im Alltag

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Wünsche erfüllen will der SZ-Adventskalender. (Foto: Illustration: Jessy Asmus)

Einen Ausflug, ein Musikinstrument, ein E-Bike, um beweglicher zu sein, oder den Tanzsport weitermachen - viele Menschen können sich nicht leisten, was das Leben erleichtern, ihnen guttun würde. Sieben Herzenswünsche.

Von Daniela Bode, Annette Jäger und Sven Loerzer

Wenn das Einkommen gerade so für den Lebensunterhalt reicht, dann fällt es meist schwer, Wünsche zu äußern, weil sie ohnehin unerfüllbar erscheinen. Der SZ-Adventskalender will auch in diesem Jahr wieder älteren und jüngeren Menschen Herzenswünsche erfüllen, um ihnen so den Alltag zu erleichtern und neuen Auftrieb zu geben. Sieben Beispiele.

Ein Kabinenroller für einen Gehbehinderten

Wegen seiner schweren Gehbehinderung wünscht sich Karl-Heinz R. einen Kabinenroller. (Foto: Catherina Hess)

Früher hat er als Gebäudereiniger gearbeitet. Inzwischen hat Karl-Heinz R., 72, wie er sagt, "zwei neue Knie, eine neue Hüfte und im linken Fuß einen Bypass". Er leidet an den Folgen einer Knochenmarkentzündung, die er sich als Jugendlicher nach einem Oberschenkelbruch beim Skifahren zugezogen hat und die nicht erkannt wurde. Seine Wirbelsäule ist nach einem Bandscheibenvorfall und infolge Facettengelenkarthrose erheblich beeinträchtigt. Jeder Weg ist mühsam für ihn, im Schwerbehindertenausweis ist die Gehbehinderung eigens vermerkt. In der Wohnung ist er mit dem Rollator unterwegs.

Außer zum Einkaufen und Arztbesuch verlässt er seine Wohnung kaum noch: "Ich kann höchstens 200 Meter gehen, dann muss ich Pause machen." Früher, da habe er Fußball gespielt und sei Rennrad gefahren. Jetzt kommt einmal in der Woche eine Haushaltshilfe für drei Stunden, "eine sehr nette Frau, sie geht mit mir einkaufen". Sein Herzenswunsch wäre ein "Kabinenroller", damit er es leichter hat, zu den regelmäßigen Arztbesuchen oder zum Einkaufen zu kommen. Doch er hat nur eine kleine Rente, da er noch vor Erreichen der Altersgrenze krank wurde: "Aus war es." Aufstockend erhält er Grundsicherung im Alter. "Ich rauche nicht und trinke nicht, gehe auch nicht fort, trotzdem komme ich nur gerade so über die Runden, wenn ich mir das Geld gut einteile."

Ein E-Bike mit Anhänger wäre eine große Hilfe

Mützen für Obdachlose häkelt Rosi P. im Gemeinschaftsraum des Hauses. (Foto: Catherina Hess)

"Ich kann nicht allein in der Wohnung herumhängen", sagt Rosi P., 66. Ihre kleine Rente stockt sie durch einen Minijob auf. Rosi P. engagiert sich ehrenamtlich in der Obdachlosenhilfe "Brücke e.V.", sie häkelt warme Mützen für Obdachlose und sammelt gut erhaltene Kleidung für sie. "Jeder soll warme Ohren haben." Regelmäßig ist sie mit einigen anderen Aktiven unterwegs, sammelt unter dem Motto "Mach ma Moosach sauber" Abfälle und Müll in ihrem Viertel von den Wegen. Und hängt Aschenbecher auf, damit weniger Kippen auf den Straßen landen.

Rosi P. ist stolz darauf, dass sie keine Grundsicherung benötigt, "ich will arbeiten, solange ich kann, und nicht beim Amt betteln". Große Ansprüche hat sie nicht, schön ist für sie ein Stadtbummel auch, ohne etwas zu kaufen. "Ich helfe vielen, weil es mir gut geht, wenn auch nicht finanziell." Ein E-Bike würde ihr vieles erleichtern, mit einem Anhänger, um den eingesammelten Müll abzutransportieren.

Heimatausflug ins Rheinland zum Halbbruder

Von einem Besuch in seiner alten Heimat träumt Jürgen A. (Foto: Catherina Hess)

Sein Traum wäre es, noch einmal ein paar Tage im Rheinland zu verbringen, den Halbbruder besuchen, durch die Düsseldorfer Altstadt laufen, über die Nobelmeile Königsallee. Jürgen A., 72, ist in Neuss geboren, aber war schon lange nicht mehr dort. "Meine Kindheit war nicht rosig", erzählt er. "Unehelich geboren, dafür gemobbt in der Schule, bei den Großeltern groß geworden, und wenn Zoff war, kam ich ins Kinderheim", die Mutter starb, als er gerade 17 Jahre alt war. Er hat in vielen verschiedenen Jobs gearbeitet, in der Stahlindustrie, an der Tankstelle, in der Gastronomie, etwa im Allgäu als Saisonkraft. Seit mehr als 20 Jahren lebt Jürgen A. in München und schwärmt immer noch von dem Job in der Küche des längst abgerissenen Hotels Königshof, obwohl "ich dort nur den Abwasch gemacht habe".

Mit Anfang 60 fand er keinen Job mehr, die kleine Rente reicht nicht zum Leben, er bekommt ergänzend Grundsicherung im Alter. Für drei ältere Leute leistet er, vermittelt vom Alten- und Servicezentrum, gegen eine Aufwandsentschädigung Haushaltshilfe, saugt trotz Arthrose in den Händen Staub, putzt Fenster und Wohnung, führt kleine Reparaturen aus. "Das bringt Abwechslung und Unterhaltung." Und wenn es ihm nicht so gut geht, dann hört er James Last: "Seine Musik zieht mich immer wieder hoch."

Eine Tuba für ein junges Naturtalent

Henri F. (Name von der Redaktion geändert) hat eine schwere Zeit hinter sich. Als er nach Monaten des Homeschoolings vor zweieinviertel Jahren in die dritte Klasse kam, wurde der Schulbesuch für ihn zur Tortur. Fast jeden Tag mobbten ihn Mitschüler. Manchmal drohte ihm einer, er solle ihm sein Geld geben, sonst passiere etwas. "Sie haben mich jeden Tag bedrängt", erinnert sich der Fünftklässler. Mit Hilfe des Vereins "Unser Täglich Brot" in Oberhaching wechselte er an eine Montessori-Schule. Die Organisation zahlt das Schulgeld. Die alleinerziehende Mutter kann das nicht stemmen. Seit der Trennung vom Vater der Kinder ist es bei Anja F. finanziell knapp. Aktuell stockt sie das Elterngeld mit Bürgergeld auf. Wegen der Betreuung der kleinen Tochter arbeitet sie noch nicht wieder.

Henri F. lernt an der Schule Tuba spielen. Er wünscht sich ein eigenes Instrument. (Foto: Sebastian Gabriel)

Seit der Elfjährige die neue Schule besucht, geht es ihm besser. Auftrieb gibt ihm, dass er das Tubaspielen als Leidenschaft entdeckt hat. Dieses Jahr gibt es an der Schule für die Fünft- und Sechstklässler ein umfangreiches Musikangebot. Henri landete bei der Tuba. Offenbar ist er sehr begabt dafür: "Die Lehrer haben festgestellt, dass er ein Naturtalent ist", sagt sie Mutter. Er hat die Musik im Blut, findet sie. Es ist "einfach cool, den Marsch zu blasen", sagt er selbst. Vom Radfahren hat er wohl die nötige Puste. Von seinem Lehrer weiß er, dass die Tubisten eine bedeutende Rolle spielen, sie seien der Bass. "Ich finde es cool, so wichtig zu sein", sagt er. Daher ist sein großer Herzenswunsch eine eigene Tuba, damit er für sich oder vielleicht irgendwann in der Schulband spielen kann. "Ich würde mich riesig freuen, wenn das klappt", sagt er. Die Mutter auch. "Es ist schön, dass er in etwas richtig gut ist und stolz auf sich sein kann."

Nicht immer nur Second-Hand-Kleidung

"Weihnachten wollen alle schön sein, da habe ich viel zu tun", sagt Clara Mondi, alleinerziehende Mutter von zwei Kindern im Alter von 14 und 16 Jahren. Die 41-Jährige arbeitet in Teilzeit als Friseurin, der Vater der Kinder zahlt keinen Unterhalt und kümmert sich auch sonst nicht um sie. "Er hat sie seit acht Jahren nicht mehr besucht." Weil das Geld nicht reicht, erhält sie aufstockend Bürgergeld vom Jobcenter. Und weil die Kinder im Teenager-Alter sie schon haben wissen lassen, dass es ihnen peinlich wäre, wenn die Mutter oder gar sie selber erkennbar würden, hat die Mutter darum gebeten, nicht ihren richtigen Namen zu nennen.

Die kleine Familie hat keine einfache Zeit hinter sich. Während der Corona-Pandemie geriet Clara Mondi mit der Miete in Rückstand, weil sie nicht arbeiten konnte und ihr Lohn zu spät bezahlt wurde. Deshalb verlor sie ihre Wohnung. Die Stadt hat die Familie als wohnungslosen Haushalt in einem Clearinghaus untergebracht. "Die Mutter ist sehr darauf bedacht, mit dem wenigen Geld so zu wirtschaften, dass das Geld bis zum Ende des Monats reicht", berichtet die zuständige Sachbearbeiterin. "Die Kinder sind in der Pubertät, sie brauchen viel", sagt die Mutter. Jetzt, wo sie größer sind, "kann ich ihnen sagen, ich habe kein Geld, sie verstehen das".

Die Tochter hält es für korrekt, im Sinne von Nachhaltigkeit und Umweltschutz auf dem Flohmarkt oder im Second-Hand-Laden Kleidung und Schuhe zu kaufen. "Aber einmal bei H&M shoppen", das wäre schon ein Traum. Der Bruder hätte sehr gern einen E-Scooter. "Kleine Kinder, kleine Sorgen", sagt die Mutter, "große Kinder, große Sorgen". Gern würde sie ihnen einen Wunsch erfüllen: "Wenn meine Kinder zufrieden sind, bin ich auch zufrieden."

Ein Spiel gibt Tagesstruktur

Ein digitales Spiel wünscht sich eine Wohngruppe der Lebenshilfe in Unterschleißheim. (Foto: Catherina Hess)

Die Wohngruppe der Lebenshilfe in Unterschleißheim ist eine besondere Gemeinschaft: 16 Menschen mit einer geistigen Behinderung leben hier zusammen, die meisten von ihnen sind im Rentenalter, sie haben mehr als 40 Jahre lang in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung gearbeitet. In der Gemeinschaft werden die Männer und Frauen rund um die Uhr von Pflegern und Pädagogen betreut. Eine Tagesstruktur ist für die Menschen, die jetzt nicht mehr arbeiten, von großer Bedeutung, sagt Klaus Huber, Leiter der Einrichtung.

So bieten die Pädagogen gemeinsames Musikmachen an, Basteln und Gedächtnistraining oder auch Ausflüge. Es ist dabei eine große Herausforderung, 16 Individuen mit unterschiedlichsten Bedürfnissen, Wünschen und Fähigkeiten zeitgleich zu beschäftigen, sagt Huber. Die Tover-Tafel wäre eine "echte Bereicherung": Per Lichtprojektion werden digitale Spiele auf einen Tisch projiziert.

Die Spieler können mit bloßen Händen über Tipp-, Wisch- und Greifbewegungen interaktiv Aufgaben lösen und gemeinsam spielen. Das Spiel hat sich bewährt, um kognitive Fähigkeiten zu fördern. Die Tafel ist schon lange ein Herzenswunsch, aber die Kosten haben bisher das Budget gesprengt, sagt Huber.

Lateinamerikanischer Tanzsport für Viktoriia

Wieder Tanzsport betreiben zu können, wünscht sich Viktoriia. (Foto: Catherina Hess)

Vor Putins Angriffskrieg floh die Familie von Viktoriia, heute 16 Jahre alt, bereits im März 2022 aus Münchens Partnerstadt Kiew. Während der Flucht über Rumänien, Ungarn und Österreich erkrankte die Mutter schwer. In der bayerischen Landeshauptstadt bekamen die Eltern mit ihren beiden Kindern zunächst einen Platz in einer Gemeinschaftsunterkunft. Inzwischen konnte die Familie in ein städtisches Wohnprojekt umziehen. Zusätzlich zum Unterricht in einer Deutschklasse nahm Viktoriia nachmittags noch freiwillig Deutschunterricht. Die Mutter fand mit viel Initiative und Glück dieses Jahr im Juli einen Kindergartenplatz für den fünfjährigen Sohn.

Viktoriia besucht jetzt die 11. Klasse und will ihren ukrainischen Schulabschluss in München absolvieren. "Ich will Ärztin werden", sagt sie, Biologie gehört zu ihren Lieblingsfächern. Ihre Eltern wollen wieder in ihren erlernten Berufen - Krankenschwester und Bäcker - arbeiten, berichtet die Betreuerin aus dem Amt für Wohnen und Migration. Die Eltern hätten sehr engagiert nach einem Deutschkurs gesucht: "Doch die Plätze sind nicht leicht zu finden, denn viele Kurse sind belegt." Auch Viktoriia sei sehr engagiert und diszipliniert, "man merkt ihr an, dass sie vorwärtskommen möchte".

Schwierig sei das mit der Sprache, sagt Viktoriia, obwohl sie schon gut Deutsch versteht und spricht. Sie vermisst den Austausch mit ihrer Freundin, sorgt sich um die Verwandten, die in der Ukraine zurückgeblieben sind. Und besonders vermisst sie ihr Hobby, den Tanzsport: Mehr als fünf Jahre übte sie im Sportverein lateinamerikanischen Tanz sehr professionell, nahm erfolgreich an Turnieren teil. Und so träumt sie davon, den Tanzsport in einem Verein oder an einer "Tanz-Akademie" fortsetzen zu können. Aber ein für Jüngere geeignetes und bezahlbares Angebot hat sie bislang nicht gefunden. Dabei wäre es wichtig, sagt die Mitarbeiterin des Wohnungsamts, auch wieder "ein bisschen Normalität und Ablenkung in den Alltag zu bekommen".

So können Sie spenden: "Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung e.V." Stadtsparkasse München IBAN: DE86 7015 0000 0000 6007 00 BIC: SSKMDEMMXXX

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