SZ-Adventskalender:Wenn das Geld nur noch fürs Nötigste reicht

Lesezeit: 4 min

Wasser für Gemüse oder Kartoffeln macht Frau Mayer im Wasserkocher heiß. Mit dem alten Herd würde es ewig dauern. Die Platten heizen nicht mehr richtig. (Foto: Robert Haas)

Frau Mayer, 83, kam eigentlich mit ihrer kleinen Rente gut zurecht. Doch den Herd und Kühlschrank ersetzen, die schon seit Längerem kaputt sind, kann sie nun nicht. Wie die gestiegenen Preise besonders ältere Leute treffen.

Von Karin Kampwerth

Schon am Telefon verblüfft Frau Mayer. Mit großer Herzlichkeit lädt sie die Reporterin auf einen Besuch ein. "Dann koche ich uns auch einen schönen Kaffee", sagt sie. Dabei soll es um ein Thema gehen, das für wenig Freude sorgt. Die gestiegenen Preise für Lebensmittel und die hohen Energiekosten betreffen besonders Familien mit geringem Einkommen und ältere Menschen, die mit einer sehr kleinen Rente zurechtkommen müssen.

Wie Frau Mayer, die eigentlich anders heißt. Um die Änderung ihres Namens für die Zeitung hat sie aber nicht gebeten, weil sie sich dafür schämt, wenig Geld zu haben. Sondern weil sie fürchtet, dass in ihrer Nachbarschaft oder bei ihren Qi Gong-Bekanntschaften im Alten- und Servicezentrum eine Spende der SZ-Leserinnen und -Leser auf Unverständnis stoßen könnte. So ganz kann sie es ja selbst nicht verstehen. "Ich komme mit meinem Tausender doch eigentlich gut zurecht", sagt die Rentnerin.

Neuer Kanal
:Gute Nachrichten aus München - jetzt auf Whatsapp

Es ist Zeit für mehr positive Neuigkeiten im Alltag. Die Süddeutsche Zeitung hat deshalb einen neuen Kanal mit ausschließlich schönen und heiteren Nachrichten aus München und der Region gestartet. So können Sie ihn abonnieren.

Die 83-Jährige, die dank ihrer humorvollen Art und ihres gepflegten, sportlichen Äußeren zehn Jahre jünger wirkt, ist durch und durch bescheiden. Einer Mitarbeiterin vom Alten- und Servicezentrum in ihrem Viertel hat sie sich jedoch anvertraut, weil ihr Herd und auch ihr Kühlschrank schon seit Längerem nicht mehr richtig funktionieren. 30 Jahre haben die Geräte auf dem Buckel.

Der Kühlschrank, berichtet Frau Mayer bei der versprochenen Tasse Kaffee, sei ihr "Hausgeist". Wenn der Motor - meistens nachts - wieder ausfalle, höre sich das an, als ächzt, stöhnt und wackele der ganze Kühlschrank. "Ungefähr so", sagt sie und schnaubt und schüttelt sich zur Veranschaulichung. Zu allem Überfluss laufe die Kühlflüssigkeit aus. Aber es ist nicht so, als wüsste sie sich nicht zu helfen. "Ich stecke dann da immer Watte hinein, um das aufzusaugen", sagt die 83-Jährige.

Ach, und ja, da wäre auch noch der Herd. An der Backofentür ist eine Leiste abgebrochen, weshalb die Tür nicht mehr schließt. Obendrein heizen die Herdplatten nicht mehr richtig. Bis etwas warm werde, dauert es ewig. Wasser für Kartoffeln oder Gemüse macht sie deshalb immer erst im Wasserkocher heiß, "sonst kostet das ja Unmengen an Strom".

Dass sie die Geräte nun ersetzen kann, sei für sie wie ein kleines Weihnachtswunder. Die Spenderinnen und Spender werde sie in ihr Nachtgebet einschließen, verspricht Frau Mayer sichtlich gerührt - und lädt die Reporterin sogleich zum selbst gebackenen Kuchen ein, sobald der neue Herd installiert sei.

Dass die Rente nur für das Nötigste reicht, ist die klassische Geschichte von Frauen der Nachkriegsgeneration. Gelernt hat Frau Mayer einen kaufmännischen Beruf. Doch dann wurde geheiratet und es kamen zwei Töchter, um die sie sich kümmerte. Nachdem der Ehemann einen schweren Autounfall hatte, konnte er nicht länger in seinem Beruf als Elektriker arbeiten. Er machte sich mit einem Taxiunternehmen selbständig.

"Als Frau hat man damals ja nur die Hälfte von dem verdient, was Männer bekommen haben."

"Wir hatten zwei Taxen in München", erzählt die 83-Jährige. Das Geschäft sei auch ganz ordentlich gelaufen, aber in die Rente eingezahlt habe der Mann nur das Nötigste. Als junger Mensch habe man einfach nicht an später gedacht. Dann kam die Trennung vom Ehemann und Frau Mayer musste sich ihren Lebensunterhalt selber verdienen. "Ich bin für einen anderen Unternehmer Taxi gefahren", erzählt sie. "Aber als Frau hat man damals ja nur die Hälfte von dem verdient, was Männer bekommen haben."

Beklagen will sie sich trotzdem nicht. Ihre kleine Wohnung in einer Altenwohnanlage, in der sie seit 15 Jahren lebt, ist tipptopp sauber und gemütlich eingerichtet. Auf dem Tisch stehen ein Teller Plätzchen und ein Adventsgesteck. Ein Tannenbäumchen, dessen künstliche Nadeln erst auf den zweiten Blick zu erkennen sind, leuchtet in der einsetzenden Dämmerung. "Ich mag die Lichter so gerne", sagt Frau Mayer. Das Bäumchen habe sie vor bestimmt 15 Jahren gekauft. Jedes Jahr ein frischer Baum, das könne sie sich weder leisten noch habe sie den Platz dafür. Das Bäumchen, sagt sie und streicht sanft über die Spitze, komme nach Weihnachten einfach wieder in den Keller. Bis zum nächsten Jahr.

Natürlich weiß sie, wie man aus wenigen Zutaten ein gutes Essen kocht

Sicher ist es ihr Pragmatismus, aber auch ihre Lebenserfahrung, die Frau Mayer gut mit dem wenigen Geld zurechtkommen lässt. Ihre Rente liegt knapp oberhalb der Grundsicherung. "Wenn ich mal neue Kleidung brauche, kaufe ich die auf dem Flohmarkt", erzählt sie. "Ich kann ja nähen, da ist dann auch schnell was geändert, wenn es sein muss."

Und natürlich weiß sie, wie man aus wenigen Zutaten ein gutes Essen kocht. Das vermisse sie häufig an jungen Menschen. Die kaufen sich teure Fertigprodukte, weil sie nicht wüssten, wie man Gemüse zubereitet. Erst kürzlich habe sie im Supermarkt eine Frau getroffen, die allen Ernstes nicht wusste, wie man Kartoffeln kocht. Da schüttelt Frau Mayer dann schon mal den Kopf.

Dennoch ist da etwas, worüber sie sich bei aller beeindruckenden Lebensfreude große Sorgen macht. "Was ist, wenn ich einmal ins Altersheim muss?", fragt sie sich oft. "Wer soll das denn bezahlen? Da habe ich schon Zukunftsangst", denn eines will sie auf keinen Fall: den Töchtern auf der Tasche liegen.

Noch aber ist Frau Mayer in ihrem Alter mit einer beneidenswerten Gesundheit gesegnet. Und stellt unter Beweis, dass arm nicht zwingend einsam bedeuten muss. Sie ist dankbar für die Angebote des Alten- und Servicezentrums, die sie regelmäßig wahrnimmt. Sie hält sich mit Qi Gong fit, bisweilen ist sogar ein Restaurant-Besuch drin. Aber eigentlich sei man im Alter ja nicht mehr so anspruchsvoll. Umso größer ist die Freude über Herd und Kühlschrank. Ihren Hausgeist wird sie wohl kaum vermissen.

So können Sie spenden: "Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung e.V." Stadtsparkasse München IBAN: DE86 7015 0000 0000 6007 00 BIC: SSKMDEMMXXX

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: