Trachten vom Starnberger See:Dirndl als Brautkleider

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Corona-Krise, Oktoberfest abgesagt: Die kleine Tutzinger Trachtenmarke "Fischer Dirndl" spürte die Auswirkungen unmittelbar. Doch das Team hat die Kurve gekriegt.

Von Carolin Echterbeck, Tutzing

Vor sieben Tagen wäre es endlich soweit gewesen: Das Oktoberfest wäre gestartet. Um Punkt zwölf Uhr hätte Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter das erste Bierfass angezapft und mit einem beherzten "O' zapft is!" die Wiesn-Saison eingeleitet. Und Ute Lehmann, Barbara Tarabochia und Sophie Greinwald hätten nach anstrengenden Wochen und Monaten wohl tief durchgeatmet. Doch Corona hat den Volksfestfreunden einen Strich durch die Rechnung gemacht, und den Gründerinnen der Tutzinger Trachtenmarke "Fischer Dirndl" ebenso.

Das kleine Unternehmen spürte die Auswirkungen der Pandemie unmittelbar. Da die Dirndl hier überwiegend nach Maß geschneidert werden, wurde im Lockdown keines der Kleidungsstücke verkauft. Denn so nah wie für die Arbeit nötig durften die Schneiderinnen gar nicht an potenzielle Kundinnen heran. "Im März und April ist eigentlich die verkaufsstärkste Zeit. Da hatten wir keine Anfragen", sagt Ute Lehmann, die das Unternehmen vor acht Jahren mitgegründet hat.

Die Dirndl des Tutzinger Unternehmens "Fischer Dirndl" orientieren sich an der traditionellen Fischertracht und werden ausschließlich nach Maß angefertigt. (Foto: Georgine Treybal)

Doch das "Fischer Dirndl"-Team hat die Kurve gekriegt: "Im Juni und Juli ging es dann wieder los mit den Hochzeiten", so Lehmann. Weil Hochzeiten nicht mit einer großen Feier zelebriert werden durften, hätten viele Pärchen die kirchliche Trauung auf das kommende Jahr verschoben, erzählt Lehmann. Für das standesamtliche Ja-Wort wiederum entschieden sich viele Frauen gegen das klassisch weiße Brautkleid und für die Tracht. "Es findet eine Rückbesinnung auf das Familiäre statt", sagt Tarabochia. Die letzte Braut, die sie ausgestattet haben, habe in einem intimen Rahmen mit etwa 30 Gästen im privaten Garten in Tutzing geheiratet.

Um die fehlende Nachfrage im Frühjahr auszugleichen, haben die Gründerinnen ihr Sortiment ausgeweitet. So fingen sie an, Masken aus Dirndl-Stoff zu nähen und Armbänder oder Strickwaren zu produzieren. Alles aus öko-zertifizierten Naturmaterialien, die aus Österreich, Deutschland und Großbritannien kommen. Das Schneidern auf Maß, die Produktion in Oberbayern sowie hochwertige Materialien haben ihren Preis: Ein Dirndl kostet 700 Euro oder mehr. Das sind viele Kundinnen bereit zu zahlen. Heimisches Handwerk sei in Coronazeiten ganz besonders geschätzt, sagt Tutzings Bürgermeisterin Marlene Greinwald. Sie selbst hat sich zwei Dirndl aus dem kleinen Unternehmen ihrer Tochter Sophie schneidern lassen. Die ganze Familie trage die traditionelle Tutzinger Fischertracht - für sie ein Zeichen der Heimatverbundenheit. Viele der ursprünglichen Elemente finden sich in den modernen Modellen der "Fischer Dirndl" wieder.

Der Fisch findet sich als Symbol in allen Modellen wieder, hier eine Flosse auf einem Knopf aus Perlmutt. (Foto: Georgine Treybal)

Die drei Frauen wollten ein "Kleidungsstück für den Starnberger See" entwerfen, erklärt Tarabochia. So drucken sie neben ihrem Markenzeichen, einem Fisch, auch die "Fischerrosl" mit alten Holzmodeln auf den Stoff. Letztere stammt aus der gleichnamigen Erzählung von Maximilian Schmidt - einem Heimatroman, der das Leben am See zur Zeit Ludwig II. schildert. "Alte Legenden leben in der Kollektion wieder auf", sagt Lehmann.

© SZ vom 26.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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