Corona-Impfungen im Landkreis Starnberg:Ansturm auf die Astra Zeneca

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Mit der aufgehobenen Priorisierung dieses Impfstoffes ist der Andrang noch einmal gestiegen - und das, obwohl nächste Woche nur wenige Dosen davon zur Verfügung stehen.

Von Astrid Becker, Starnberg

Er nennt es schlichtweg "Unsinn" und den "falschen Zeitpunkt". Der Starnberger Mediziner Marc Hünten, der mit zwei Ärztinnen und einem Arzt eine Gemeinschaftspraxis im Policenter betreibt, drückt aus, was wohl viele seiner Kollegen im Landkreis umtreibt: die Aufhebung der Priorisierung des Impfstoffes Astra Zeneca in den Praxen. Was gerade für diejenigen, die noch nicht an der Reihe sind, aber gern geimpft werden wollen, ein Grund zur Freude ist, bedeutet in den Praxen noch mehr Arbeit, noch mehr Stress - zumal die Ärzte in der kommende Woche, zumindest bei den regulären Nachschublieferungen, kaum mit Astra Zeneca rechnen können: "Wir sollen nur Biontech bekommen, hieß es", sagt auch Hünten.

Der ohnehin große Andrang von Impfwilligen in den Praxen des Landkreises, von dem alle befragten Mediziner sprechen, hat sich nun buchstäblich über Nacht seit Bekanntwerden der aufgehobenen Priorisierung von Astra Zeneca in einen regelrechten Ansturm verwandelt. "Das hat den Druck auf uns noch mehr gesteigert", erzählt Hünten: "Ich habe schon jetzt am Abend weinende Helferinnen."

Den noch immer gewaltigen Impfneid, die vehementen Terminforderungen, die vielen Krankheiten, unter denen plötzlich viele der jüngeren Patienten litten, "wovon wir aber gar nichts wissen" - so etwas hat der 51- Jährige in seiner ganzen Laufbahn noch nie erlebt, wie er sagt. Aber eine Pandemie in diesem Ausmaß gab es auch in den 25 Jahren noch nicht, in denen er bereits als Mediziner arbeitet. Impfen, impfen, impfen, so sagt er, sei daher das einzig probate Mittel, um das Ausbruchsgeschehen in den Griff zu bekommen. Doch den Aufwand, den Hausärzte nun damit betreiben müssten, hätten viele unterschätzt.

Die Wartelisten erstellen, Termine vergeben, die ganze Aufklärung der Patienten, die Wartezeiten, das Beachten der nötigen Abstände in den Praxen, die Abrechnungen, das sei neben der Versorgungen von erkrankten Menschen eine ganze Menge. "Weil wir ja auch ganz normale Patienten haben, schaffen wir es nur an vier Tagen jeweils zwei Stunden zu impfen." Das ergebe für ihn eine Kapazität von etwa 100 bis 120 Impfungen pro Woche.

Und bei all dem nun also noch die Priorisierungsaufhebung von Astra Zeneca, obwohl keine größere Lieferung davon angekündigt ist. Hünten ist daher froh, dass er mit seiner großen Praxis mit 400 Dosen aus der Sonderlieferung von Astra Zeneca bedacht worden ist: "Ich habe also noch davon." Etwa 70 Astra-Zeneca-Dosen hat er bei einer Sonderaktion an diesem Samstag verimpfen, die Termine dafür waren schnell vergeben, die Warteliste ist lang.

Sonderimpfschichten haben auch viele andere Hausärzte im Kreis bereits eingelegt. Die Allgemeinärztin Gabriele Schuster zum Beispiel aus Inning: "Das geht gar nicht anders: Ich habe zum Beispiel in meinem Urlaub zwei Tage lang nur geimpft."

Auch sie spricht von der enormen Anfrage und davon, dass bei Astra Zeneca größere Überzeugungsarbeit zu leisten sei, vor allem bei Frauen, während wiederum Jüngere froh gewesen wären, wenn sie den Impfstoff bekommen hätten. So gesehen sei die nun aufgehobene Priorisierung ein "Segen". Richard Aulehner, der eine internistische Praxis hat und BRK-Impfzentrumschef ist, sieht das Ganze etwas problematischer: Da sei einerseits die neue Linie der Regierung, Astra Zeneca an alle verimpfen zu können, andererseits die noch immer geltende Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko), diesen Stoff nur an über 60-Jährige zu verabreichen: "Das bringt uns in ein Dilemma", sagt er.

Dennoch ist auch er froh darüber, wenn dadurch die Sache mit dem Impfen noch weiter Fahrt aufnimmt. "Die Impfbereitschaft im Landkreis ist riesig", hat auch Landrat Stefan Frey (CSU) festgestellt. Er hat daher sofort zugesagt, als er von 800 Astra-Dosen hörte, die ein anderer Landkreis anbot. "Die kriegen sie wohl nicht weiter", meint er. Diese Dosen sollen nun in dieser Woche an die Hausärzte verteilt werden.

© SZ vom 24.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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