Garmischer Autobahn:Anklage nach tödlicher Raserei auf A 95

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Trümmerteile zeugen von dem schlimmen Unfall, bei dem ein 23-jähriger Gautinger am 1. September 2019 auf der A 95 bei Oberdill starb. (Foto: Jürgen Römmler)

Ein 23-jähriger Gautinger stirbt 2019 bei einem schweren Unfall bei Oberdill. Nun stellt sich heraus, dass gar nicht er selbst den geliehenen 600-PS-Sportwagen gefahren hatte.

Von Christian Deussing, Starnberg/München

Bei einem Horrorunfall mit einem geliehenen 600 PS-Sportwagen war in der Nacht auf den 1. September 2019 auf der Garmischer Autobahn A 95 ein 23-jähriger Gautinger ums Leben gekommen. Zunächst glaubten die Ermittler, dass er am Steuer gesessen hatte, als der Wagen ausbrach und an einer Leitplanke bei Oberdill regelrecht in Stücke zerrissen wurde. Doch nun kam heraus, dass sein Freund gefahren und den Unfall mit mehr als 300 Stundenkilometern verursacht haben muss. Gutachten nährten den "hinreichenden Tatverdacht, dass nicht der Verstorbene das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt geführt" habe, erklärte am Dienstag Anne Leiding, Sprecherin der Staatsanwaltschaft München I.

Gegen den mutmaßlichen Todesfahrer ist vor dem Landgericht München I deshalb Anklage erhoben worden. Dem heute 25 Jahre alten Studenten wird ein "verbotenes Kraftfahrzeugrennen mit fahrlässiger Tötung" vorgeworfen. Hierbei müsse nicht zwangsläufig ein Rennen gegen einen Konkurrenten stattgefunden haben, wie ein Gerichtssprecher erläutert. Es reiche aus, wenn jemand grob verkehrswidrig und rücksichtlos versucht habe, mit dem Auto eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen.

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Von Christian Deussing

Den Ermittlungen zufolge hatte der Fahrer aus München nachts gegen 1.50 Uhr etwa zwei Kilometer vor dem Starnberger Dreieck in Richtung Süden die Kontrolle über den hochmotorigen Sportwagen verloren. Der junge Mann war in einer lang gezogenen Linkskurve zunächst gegen die Mittelleitplanke geprallt, dann über die rechte Schutzplanke geschleudert und mit dem Wagen an einem Baum zerschellt. Der Beifahrersitz wurde herauskatapultiert und landete auf der Autobahn. Der Gautinger sei sofort tot gewesen, während der mutmaßliche Fahrer einen Schulterbruch und Schnittwunden erlitten habe, berichtet Julius Metz, Vizechef der Autobahnpolizei in Weilheim.

In den Trümmern fand die Polizei ein nur leicht beschädigtes Handy des verunglückten Gautingers, der in einer IT-Firma tätig gewesen war. Auf dem Gerät soll zu sehen sein, dass sich die beiden Freunde auf einer ganztägigen Tour im silbergrauen Sportwagen gefilmt und wechselweise am Steuer gesessen haben. Gesichert wurden unter anderem auch DNA- und Blutspuren an den Airbags, am Lenkrad und an der jeweiligen Kleidung. Die Gutachten hätten den Verdacht untermauert, dass zum Unfallzeitpunkt nicht der Gautinger am Steuer gesessen habe, so die Strafverfolger.

Dem Vernehmen nach soll der Münchner in der Klinik den toten Freund als Fahrer benannt und ihm die Schuld für den schlimmen Unfall gegeben haben. Danach hatte er einen Anwalt eingeschaltet und soll sich zu dem Geschehen bei der Polizei nicht mehr geäußert haben. Die Familie des Toten hatte lange Zeit geglaubt, dass ihr Angehöriger auf der A 95 den schrecklichen Unfall mit einem Schaden von etwa 100 000 Euro verursacht habe - dass dies offenbar nicht zutraf, erfuhren die Eltern und Verwandten erst nach intensiven Ermittlungen etwa eineinhalb Jahre später. Es sei ein schwerer Schlag für die Familie gewesen, auch das noch erfahren zu müssen, sagt der Bruder des getöteten Gautingers. Und sehr bitter sei es auch, dass sich dessen Freund "nie bei der Familie entschuldigt" habe.

Nach dem Unfall bei Oberdill war damals die Autobahn in Richtung Garmisch für fast neun Stunden gesperrt. Die Wrackteile lagen weit verstreut herum. Kaum zu glauben, dass diesen Crash mit mehr als 300 Stundenkilometern ein Mensch überleben konnte.

© SZ vom 15.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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