Lüfter gegen das Coronavirus:Dicke Luft im Klassenzimmer

Lesezeit: 2 min

Eltern und Gemeinderäte drängen auf den Kauf von Lüftungsanlagen, die indirekte Corona-Infektionen in Schulen und Kitas minimieren können. Doch viele Bürgermeister scheuen die hohen Anschaffungskosten und zweifeln am Nutzen der Geräte.

Von Christian Deussing, Astrid Becker und Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Drohen zum neuen Schuljahr im September erneut Wechselunterricht oder sogar geschlossene Schulen? Diese Frage treibt Schüler, Eltern, Lehrer und die Kommunen um. Denn das Coronavirus mit seiner hochansteckenden Delta-Variante breitet sich rasant aus. Mit mehr geimpften Schülern und mobilen Luftfiltern, die der Freistaat bis zu 50 Prozent fördert, sollen Schulen und Kitas unbedingt offen bleiben. Doch viele Bürgermeister scheuen die hohen Kosten der Lüftungsgeräte und wissen bisher auch nicht, wie dieser Plan noch rechtzeitig umzusetzen ist.

Es gebe leider noch viele unbeantwortete Fragen, sagt der Starnberger Landrat Stefan Frey (CSU), der das brisante Thema auf die Tagesordnung der Bürgermeister-Dienstbesprechung am 21. Juli gesetzt hat. Der tatsächliche Nutzen der Geräte, die die Virenlast in den Räumen wesentlich reduzieren sollen, sei bei Experten bisher umstritten, so Frey. Wegen des Vergaberechts sei es zudem "unrealistisch, pünktlich zum neuen Schuljahr alle Räume mit den Geräten ausstatten zu können".

Coronavirus
:Starnberger Landrat: "Ich gehe mit gemischten Gefühlen in den Herbst"

Stefan Frey will die Impfung "to go" an Badeseen und auf Plätzen anbieten - vor allem, um die unter 30-Jährigen zu erreichen. Denn die Impfquote müsse noch deutlich steigen.

Interview von Carolin Fries

Auch die genauen Standards sind offenkundig nicht geklärt. So fragt sich Gilchings Bürgermeister Manfred Walter (SPD), welche Geräte mit welcher Technik in der europaweiten Ausschreibung angeschafft werden dürfen. Da in Gilching auch in etlichen Kindertagesstätten Lüftungsanlagen installiert werden müssten, rechnet Walter damit, dass seine Gemeinde mindestens 500 000 Euro aufbringen müsste. Doch die Grünen-Fraktion macht Druck und hält es für unerlässlich, geeignete Luftreiniger als "wichtigen Baustein des Hygieneplans für Schulen und Kitas" zu erwerben. Dabei gehe es um die "Fürsorgepflicht", mahnt Grünen-Fraktionsvorsitzende Diana Franke. Das hat auch der Direktor des Christoph-Probst-Gymnasiums, Peter Meyer, im Blick. 20 Klassenzimmer und sechs Säle müssten Lüftungsanlagen erhalten, sagt er.

Die Gemeinderäte in Gilching und in Gauting befassen sich am kommenden Dienstag mit dem Thema. In der Kommune an der Würm geht es um 170 Klassenzimmer und Kosten von etwa einer halben Million Euro. Man wolle jetzt an einem Pilotversuch der Hochschule München teilnehmen, bei dem sechs Monate ein bestimmtes Gerät im Klassenzimmer einer Grundschule getestet wird, sagt Gautings Bürgermeisterin Brigitte Kössinger (CSU). Auf Luftfilteranlagen in Klassenzimmern hofft unter anderem auch die Direktorin des Otto-von-Taube-Gymnasiums, Sylke Wischnevsky. Der Elternbeirat sei daran sehr interessiert, sagt sie.

Das gilt auch für die Elternschaft der Grundschule Starnberg. Die Kinder sollten sicher in die Schule gehen dürfen, ohne bei Kälte trotz dicker Jacken und Mützen frieren zu müssen und womöglich bei geöffneten Fenstern krank zu werden, "weil die Luftfilter in den Räumen fehlen", erklärt Marc Thallmair, stellvertretender Vorsitzender des Elternbeirats. In Herrsching sieht man das anders: Dort hatte sich der Gemeinderat bereits im vergangenen Winter gegen die Anschaffung der Geräte ausgesprochen: "Weil es hieß, dass trotzdem gelüftet werden müsse und unklar war, was die Geräte wirklich bringen", sagt Bürgermeister Christian Schiller. Er rechnet aber fest damit, dass alle Gemeinden solche Geräte anschaffen werden müssen, auf Herrsching kämen dann wohl Kosten in Höhe von 100 000 Euro zu: "Und dann haben wir ein Jahr später jede Menge Elektroschrott, weil sie keiner mehr will."

Inzwischen hat das Umweltbundesamt den Einsatz von mobilen Luftfiltern in Räumen mit eingeschränkten Lüftungsmöglichkeiten als "sinnvoll" bezeichnet. Bei fachgerechter Positionierung geeigneter Geräte sei der Einsatz wirkungsvoll, um die "Wahrscheinlichkeit indirekter Infektionen zu minimieren", heißt es von der Behörde.

Trotzdem entschied jetzt der Hauptausschuss der Gemeinde Pöcking, dass ein nachweislicher Nutzen der Filtergeräte zunächst von Fachleuten geprüft werden müsse. "Wir wollen das Geld nicht in die Luft blasen", sagt Gemeindeleiter Sven Neumann. Pöcking hat vorerst 60 000 Euro für die Raumluftreiniger veranschlagt.

© SZ vom 15.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Coronavirus
:Impfstation am Ammersee

Baden und spritzen: Besucher können sich an der Herrschinger Seepromenade immunisieren lassen - und es gibt noch eine Station unter freiem Himmel.

Von Carolin Fries

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: