Bildung:Hochschulreif? Vor allem ferienreif!

Bildung: Wer im Landkreis Starnberg Abitur macht, hat viele Möglichkeiten. Doch welche Entscheidung ist die richtige?

Wer im Landkreis Starnberg Abitur macht, hat viele Möglichkeiten. Doch welche Entscheidung ist die richtige?

(Foto: imago)

Endlich ist die Schulzeit vorbei. Und jetzt? Acht Abiturientinnen und Abiturienten aus dem Fünfseenland blicken zurück - und geben Einblick in ihre weiteren Pläne.

Von Carolin Fries und Viktoria Spinrad, Starnberg

Fridays for Future, Corona, Inflation und Krieg: An diesem Wochenende startet ein krisengebeutelter Abi-Jahrgang in die Pfingstferien. Die Noten gab es am Tag zuvor, doch unabhängig davon haben viele der insgesamt 599 Schülerinnen und Schüler, die an den sechs Gymnasien im Fünfseenland in die Prüfungen gegangen sind, schon Pläne gemacht. Acht Abschlussschüler erzählen - über die Erleichterung nach anstrengenden Jahren und Wochen, das Liebäugeln mit der Berliner Musikbranche und warum das Pferd Eurofighter unbedingt mit ins Studium muss.

Ellen Hemme, 19, Landschulheim Kempfenhausen

Bildung: Ellen Hemme ist vor fünf Jahren mit ihrer Familie von Göteborg nach Feldafing gezogen.

Ellen Hemme ist vor fünf Jahren mit ihrer Familie von Göteborg nach Feldafing gezogen.

(Foto: privat)

Die vielen Probleme in der Welt machen Ellen Hemme keine Angst. "Die gab es doch schon immer", sagt die 19-Jährige. Sie sieht viel mehr die Möglichkeiten, die ihre Generation hat. "Wir können unseren Interessen nachgehen, um unser Glück zu finden." Ihre große Leidenschaft ist Fußball. Doch als sie vor fünf Jahren mit ihrer Familie von Göteborg nach Feldafing an den Starnberger See zog, war sie enttäuscht, dass Frauenfußball hierzulande noch immer ein Schattendasein fristet. "Obwohl die deutsche Mannschaft nach den USA die zweiterfolgreichste der Welt ist". Ellen Hemme spielt also Tennis und Golf, büffelte Deutsch und lernte das hiesige Schulsystem kennen, das sich sowohl im Aufbau als auch inhaltlich grundlegend vom schwedischen Modell unterscheidet. "Am Anfang hatte ich zu kämpfen", erinnert sie sich, "mit der Zeit habe ich mich daran gewöhnt."

Nun kann sie noch gar nicht glauben, dass die Schulzeit vorbei ist. Vor allem die zwei Abi-Jahre seien "so schön" gewesen: "Das ist eine tolle Jahrgangsstufe, das Verhältnis zu den Lehrern war gut." Die kommenden Monate ist erst einmal Urlaub angesagt: Budapest mit Freunden, Marokko mit dem Freund - und die Abi-Fahrt nach Korfu. Im Herbst will Ellen Hemme dann studieren, was genau steht noch nicht fest. Sie träumt davon, im Frauenfußball im Coaching oder Management zu arbeiten. "Ich möchte einen Job haben, der mir Spaß macht und trotzdem viel Geld verdienen."

Julius Spitza, 19, Gymnasium Tutzing

Bildung: Trotz enormen Drucks hat Julius Spitza die Schulzeit lieben gelernt. Die meisten seiner Schulfreunde wollten unbedingt raus, "aber ich würde auch noch ein Jahr länger bleiben", sagt er.

Trotz enormen Drucks hat Julius Spitza die Schulzeit lieben gelernt. Die meisten seiner Schulfreunde wollten unbedingt raus, "aber ich würde auch noch ein Jahr länger bleiben", sagt er.

(Foto: Leon Beleza/oh)

In weißer Daunenjacke steht Julius Spitza am Bahnsteig der Münchner U-Bahn. Die Kamera schwenkt, er macht ein paar Schritte, wippt mit dem Kopf, rappt über Besessenheit, Liebe, Freiheit - so zu sehen in seinem Musikvideo auf Youtube.

Der 19-Jährige Pöckinger vom Gymnasium Tutzing singt, seit er klein ist. Viele Jahre hat er Klavier gespielt, unter dem Künstlernamen Juliuzs hat er in letzter Zeit verschiedene Deutschpop-Songs aufgenommen. Vielleicht ja ein Ausgangspunkt für das Leben nach der Schule?

Ein Einserschüler sei er nie gewesen, sagt Spitza. Vor allem in der Oberstufe sei es sehr stressig geworden, der viele Druck, das ständige Notensammeln. Und dann noch die chaotische Corona-Zeit mit den vielen digitalen Arbeitsaufträgen. Die 11. Klasse hat er dann freiwillig wiederholt, warum auch nicht, er ist ja eh noch einer der letzten G8-Jahrgänge. Seine Eltern hätten immer motiviert: "Mach' dein Abitur, dann kümmer' dich um die Musik." Wofür er sein Abitur brauchen werde, wisse er noch gar nicht, sagt er. Aber was für eine Ausbildung er nach der 10. Klasse hätte machen sollen, das hätte er auch nicht gewusst.

Überhaupt, sagt der Ascheringer, sei man ja doch ziemlich auf sich gestellt bei der Berufsfindung. In der 9. Klasse hat er ein Schulpraktikum in der Patisserie des Bayerischen Hofs in München gemacht. Kuchen backen, Nachtische vorbereiten. Eine "sehr, sehr coole Erfahrung" sei das gewesen, sagt er. Aber ob ihn das über Jahre erfüllen könnte? Ernüchtert klingt er über den Besuch von Berufsberatern an seiner Schule. Ausbildung, Studium, duales Studium - "danach wusste ich genauso wenig wie vorher", sagt er.

Durch Nebenjobs als Zeitungsausträger und Kassierer hingegen hat er durchaus etwas mitgenommen. Zum Beispiel, dass er gerne sein eigener Chef ist. Viele seiner Freunde wollen nun studieren oder ins Ausland gehen. Er hingegen liebäugelt mit einer Selbstständigkeit. Vielleicht geht ja sogar etwas in der Musikbranche. Er weiß, dass es nicht einfach ist, dort reinzukommen. Nun wolle er erstmal ein Weihnachtsgeschenk einlösen und Gesangsstunden nehmen, sagt er - und verschiedene Praktika absolvieren: Radio, Artist Management oder vielleicht doch ein Studium als Toningenieur in Berlin. Dass es schon wird, da scheint er ein Grundvertrauen zu haben. Er zitiert sein Abimotto, einen Running Gag aus der TV-Sendung Bares für Rares: "Schaun wir mal, was wird."

Carolina Jais, 17, Gymnasium Gilching

Bildung: Eine Ausbildung, sagt Carolina Jais, "war für mich nie eine Option".

Eine Ausbildung, sagt Carolina Jais, "war für mich nie eine Option".

(Foto: privat)

Ausbildung als Koch? Backpacken in Australien? Oder doch lieber ein Freiwilliges Soziales Jahr im örtlichen Seniorenheim? Während viele noch hadern, wie sie die Zeit nach dem Prüfungsmarathon gestalten sollen, wirkt Carolina Jais bereits sehr klar sortiert. Am liebsten wolle sie im kommenden Herbst Immobilienwirtschaft studieren, sagt die 17-Jährige, und zwar in Regensburg. Denn in internationalen Rankings gilt die Studienstadt an der Donau als erste Adresse. Und ein typisches Studentenleben, wie sie es sich wünscht, das dürfte dort auch zu finden sein.

Mit ihrem konkreten Ablaufplan steht sie im Freundeskreis recht alleine da. Sie sei die einzige, die überhaupt schon wisse, was sie machen möchte, sagt sie. Das weiß sie nicht zuletzt dank eines Praktikums in einem Immobilienbüro, das sie in der 11. Klasse gemacht hat. Raus auf die Baustelle, hin zu potenziellen Mietern, und dann noch die hohen Investments, um die es geht: Die Baubranche, sagt sie, sei interessant und abwechslungsreich.

Einblicke ins Geschäft des Buddelns und Verkaufens hat sie auch durch ihren Vater gewinnen können: Der betreibt ein Kieswerk in Gilching. Der Kies wird gebrochen, gewaschen und zu Beton oder Asphalt weiterverarbeitet. Hier ist sie schon oft selbst mit dem Lader oder dem Lkw herumgefahren, sagt sie, "das war immer cool". Vielleicht, sagt sie, wolle sie dort später auch mal einsteigen.

Bildung: Eurofighter soll mit umziehen.

Eurofighter soll mit umziehen.

(Foto: privat)

Ihr Reithobby zum Beruf zu machen? Die Idee hat Jais bereits verworfen. Sie hat ein Pferd, Eurofighter, ein bayerisches Warmblut. In der Corona-Zeit sei die Zeit im Stall "der schönste Ausgleich" gewesen, sagt sie. Doch bei einem Schnupperstudium zur Pferdewirtschaft in Nürtingen bei Stuttgart sei ihr klar geworden, dass ihr das Spektrum schlicht zu klein sei. Sollte es klappen mit dem Studium in Regensburg - und da ist sie zuversichtlich -, soll Eurofighter unbedingt mit. Ohne ihn, sagt sie, "geht es gar nicht".

Kami Aksel, 18, Otto-von-Taube-Gymnasium Gauting

Bildung: Kami Aksel will etwas verändern.

Kami Aksel will etwas verändern.

(Foto: privat)

Wofür soll er sich entscheiden, wo doch alles Spaß macht? Kami Aksel fand Chemie genauso spannend wie Biologie oder Physik - und Englisch sowieso. Deshalb fällt es dem 18-Jährigen schwer, nun ein Studienfach zu wählen. "Ich werde deshalb ein Gap-Year einlegen", sagt der Gautinger. Über die Herbst- und Wintermonate sind Praktika im Krankenhaus in der Herzchirurgie sowie beim Bayerischen Rundfunk in der Außenpolitik geplant, von Frühjahr 2024 an will der Abiturient dann reisen. Er hofft, danach klarer zu sehen, wohin der Weg führt. Klar ist, dass er in die Ferne führt: "Ich kann mir nicht vorstellen, in München zu bleiben."

Kami Aksel möchte neue Dinge sehen und erleben, sich außerdem für andere einsetzen. Er fand es schade, "dass 90 Prozent der Gymnasiasten Deutsche sind, während es an der Mittelschule ein paar Hundert Meter weiter genau andersherum ist und der Ausländeranteil sehr hoch ist." Seine Schlussfolgerung: "Man müsste mehr Deutschförderung anbieten."

Kami Aksel weiß, wie es sich anfühlt, sich neu eingewöhnen und nachlernen zu müssen. Drei Jahre lang lebte er mit seiner Familie in den USA, bevor er in der neunten Klasse am Otto-von-Taube-Gymnasium einstieg - mitten in der Corona-Zeit. Unterricht fand daheim am PC statt, "ich konnte nebenbei ganz gut Stoff nachholen", sagt er rückblickend.

Besonders gut gefallen hat ihm das Model United Nations, eine Simulation für Schüler und Studenten, in denen die Arbeit der Vereinten Nationen nachgestellt wird. "Ich will etwas verändern", sagt Kami Aksel. Überbewertet wird seiner Meinung nach die technische Ausstattung der Schulen. "Ein gewisses Level braucht es", sagt er. Aber entscheidend seien die Menschen, die dort arbeiten.

Neel von Meier, 17, Ammersee-Gymnasium Dießen

Bildung: Neel von Meier will in der Schweiz an einer Elite-Uni studieren.

Neel von Meier will in der Schweiz an einer Elite-Uni studieren.

(Foto: privat)

Neel, das heißt "blauer Smaragd". Klar, dass der 17-jährige Abiturient sein Leben zum Leuchten und Funkeln bringen will. Aktuell lernt er für die Aufnahmeprüfung an der Universität in St. Gallen, die "beste Wirtschafts-Uni Europas", wie er betont. Es reizt ihn, in der Schweiz zu studieren, einem Wintersportland. "Ich habe in Lech am Arlberg schon als Skilehrer gearbeitet." Dass die Prüfung als gnadenlos schwer gilt, die Studiengebühren enorm und die Lebenshaltungskosten hoch sind, schreckt ihn nicht ab. "Das ist ein großer Ansporn." Der Schondorfer will "ins Banking gehen", deshalb macht er im Juli noch ein Praktikum bei einer Bank in Lausanne.

Neel von Meier hat vor allem positive Erinnerungen an seine Schulzeit, insbesondere die Alpenüberquerung im P-Seminar sei ein tolles Erlebnis gewesen. Was ihn störte, waren die hohen Temperaturen an sommerlichen Tagen in den Klassenzimmern der oberen Etagen. "Und es gab nie hitzefrei!"

Lilli Berge, 17, Landschulheim Kempfenhausen

Bildung: Lilli Berge ist mit ihrer Familie vor wenigen Jahren von Dresden nach Söcking gezogen.

Lilli Berge ist mit ihrer Familie vor wenigen Jahren von Dresden nach Söcking gezogen.

(Foto: privat)

Das erklärte Ziel von Lilli Berge war eine Eins vor dem Komma im Abi-Zeugnis. Und das sollte geklappt haben, obwohl sie zwei bis drei Mal in der Woche zum Tanztraining nach Starnberg fuhr. Jetzt will sich die 17-Jährige aus Söcking ihren Traum erfüllen und eine Weltreise machen: Zuerst geht es für fünf Wochen für ein soziales Projekt nach Kapstadt in Südafrika, danach für ein Praktikum in die USA und dann weiter nach Neuseeland. Das jedenfalls ist der Plan. Sie will die "Chance nutzen, etwas auszuprobieren", sagt sie. Und Orientierung finden. "Das Praxis-Praktikum in der zehnten Klasse ist wegen Corona ausgefallen."

Lilli Berge weiß noch nicht, ob sie Psychologie, Hotelmanagement oder "etwas aus dem Immobilienbereich" studieren soll. Ein Luxusproblem, wie sie betont. Doch damit hat sie, die mit ihrer Familie erst vor wenigen Jahren aus Ostdeutschland an den Starnberger See zog, in den vergangenen Jahren umzugehen gelernt: "Die Selbstverständlichkeit stört mich manchmal hier in der reichen Starnberger Gegend."

Dominik Unger, 18, Gymnasium Starnberg

Bildung: Dominik Unger will wieder zurück in die Schule - allerdings als Lehrer.

Dominik Unger will wieder zurück in die Schule - allerdings als Lehrer.

(Foto: privat)

Musik gehört für Dominik Unger zum Leben, seit seinem vierten Lebensjahr spielt er Klavier. Später lernte er noch Geige, Saxofon und Cajon. "Alle in der Familie spielen irgendwas", auch seine drei älteren Geschwister seien sehr musikalisch, erzählt der 18-Jährige. Doch obwohl er recht gut sei: "Professionell will ich das nicht machen." Er hat sich entschieden, seine zweite Leidenschaft zum Beruf zu machen, den Sport: Der Söckinger will Sportlehrer am Gymnasium werden, im zweiten Fach will er Englisch für das Lehramt studieren. "Ich hatte schon vor meiner eigenen Schulzeit den Plan, Lehrer zu werden."

Er trainiert jetzt täglich für den Eignungstest an der Münchner TU, macht Leichtathletik, turnt an Geräten, geht schwimmen. "Der Test ist recht anspruchsvoll", sagt er. Sollte es klappen, dann würde er zwischen den beiden Münchner Universitäten pendeln müssen, Englisch würde an der LMU unterrichtet. Falls es nicht klappt, will er ein Freiwilliges Soziales Jahr an der Munich International School in Percha machen.

Was für ihn einen guten Lehrer ausmacht? "Wenn man auf Augenhöhe mit den Schülern kommunizieren kann." Das ebenso beliebte wie verhasste Sport-Fach will er sowohl leistungsorientiert als auch spielerisch gestalten, "man muss alle Kinder abholen". Von seinen eigenen Lehrern und Nachhilfeschülern habe er bereits die Rückmeldung bekommen, dass er das gut hinkriegen könnte.

Justin Tichy, 17, Landschulheim Kempfenhausen

Bildung: Möchte am liebsten sein eigener Chef sein: Justin Tichy.

Möchte am liebsten sein eigener Chef sein: Justin Tichy.

(Foto: privat)

Eigentlich sollte es für Justin Tichy nach der 9. Klasse am Internat Ising am Chiemsee für ein Jahr nach Australien gehen, doch dann kam Corona. Anstatt am anderen Ende der Welt saß Tichy daheim in Tutzing im Homeschooling, der Schulwechsel entpuppte sich zu einer besonderen Herausforderung. "Ich kannte ja niemanden hier." Nach einem halben Jahr klappte dann ein mehrmonatiger Auslandsaufenthalt in Frankreich - "das Beste, was mir passieren konnte".

Tichy mag es, Menschen kennenzulernen, "den Horizont zu erweitern", wie er sagt. Insofern bedauert er die coronabedingten Einschränkungen, zwischen seinem 14. und 17. Lebensjahr habe er quasi nichts machen können. Umso mehr habe er es genossen, in der Kollegstufe in der Film-AG mit Mitschülerinnen Projekte zu entwickeln.

Eigentlich habe er immer Programmierer werden wollen, doch nach einem Praktikum in der achten Klasse in einer Software-Firma war klar: "Da hockt man den ganzen Tag drinnen und muss an Problemen arbeiten." Er wolle auch rauskommen, weshalb er sich einen Beruf im Hotelmanagement, Online-Marketing oder Wirtschaftsingenieurswesen vorstellen kann - am liebsten als sein eigener Chef. "Ich habe Lust, was anzupacken und mir was aufzubauen", sagt er. Was Klimakrise, Kriege und Inflation betrifft, setzt er auf seine Generation: "Wenn wir erstmal die Regeln machen, bin ich relativ positiv, dass wir das hinkriegen."

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