Kulturelle Zwischennutzung:Einbauschrank im Getränkemarkt

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Das Künstlerkollektiv DKADE, bestehend unter anderem aus ( v.l.) Felix Maizet, Enno Müller-Spaethe, Gesine Dorschner, Dirk Eckert und Moni Roll, bespielt jetzt in Herrsching einen ehemaligen Getränkemarkt. (Foto: Georgine Treybal)

Das Herrschinger Künstlerkollektiv DKADE ("Die Künstler aus dem Einbauschrank") mietet einen leer stehenden Laden bis zum Sommer für Ausstellungen und Veranstaltungen.

Von Armin Greune, Herrsching

Der Auftakt war zwar eher ein Insidertipp - und dennoch fanden sich im Laufe des Abends an die 100 Neugierige ein, um einen Blick auf den neuesten Coup des mobilen Kreativ-Einsatzkommandos zu werfen. "Die Künstler aus dem Einbauschrank", kurz DKADE, hatten am vergangenen Wochenende Bekannte und Freunde eingeladen, um bei einer "öffentlichen Probe" der Band Gruba ihre neue Spielstätte kennenzulernen. Zumindest bis zu den Pfingstferien soll ein vormaliger Herrschinger Getränkemarkt zum Schauplatz von Ausstellungen und vielseitigen Veranstaltungen werden.

Mit ihren kreativen Zwischennutzungen leer stehender Gebäude sind DKADE weit über den Starnberger Landkreis hinaus bekannt geworden. Unter den zehn Aktionen, die 2012 mit "Kunst im Einbauschrank" in einer Herrschinger Villa ihren Auftakt nahmen, haben insbesondere die beiden jüngsten Festivals Aufsehen erregt: dem gemeinsam mit Kollegen vom Ammersee-Westufer gestalteten "Kunst geht Baden" 2019 im Warmbad Greifenberg und vor zwei Jahren mit "Kunst auf Sicht" in der ehemaligen Fabrik von Heine-Optotechnik.

Auf dem verlassenen Werksgelände in Herrsching präsentierten knapp 40 Künstler in mehr als 50 Räumen Malerei, Fotografie, Skulpturen, Objektkunst, Installationen, Streetart und Performances. Die viertägige Pop-up-Kunstmesse wurde von Live-Acts wie Konzerten, Tanzvorführungen, Lesungen, Poetry-Slams, Kabarett und Comedy sowie einem Kinderprogramm begleitet.

In diesem Frühjahr bespielt das Team von Gesine Dorschner, Monika Roll, Nina Fritzsche, Dirk Eckert, Christof Jenauth, Felix Maizet und Enno Müller-Spaethe mit dem Laden der früheren "Getränkequelle Schwarz" am Beginn der Madeleine-Ruoff-Straße deutlich beschränktere Flächen. Doch dafür haben DKADE den Laden gleich für drei Monate gemietet: "Diesmal brauchen wir einen langen Atem", sagt Dorschner.

Bei "Kunst auf Sicht" im Betriebsgelände von Heine-Optotechnik gab es Konzerte... (Foto: Georgine Treybal)
...Kabarett... (Foto: Georgine Treybal)
...und auch Kunstwerke aller Art zu erleben. (Foto: Georgine Treybal)

Zum halboffiziellen Auftakt am Freitagabend konnten DKADE trotz noch blanker Wände bereits mit den ersten Werken aufwarten. Wie stets orientiert sich auch "Kunst an der Quelle" thematisch an der Spielstätte, präsentiert wurden sieben verschieden gestaltete "Künstlerflaschen". Sie werden zu Preisen von zehn bis 15 Euro angeboten, das Geld soll als Spende zum Bestreiten der Miet- und Organisationskosten beitragen. Ohne den künstlerischen Gehalt der einzelnen Etiketten zu bewerten: Rein inhaltlich gesehen könnte sich das Modell als Favorit erweisen, das "Antialkoholfreies Bier" verspricht.

Zur Vorstellung war die "Haus-und-Hof-Kapelle vom Einbauschrank" eingeladen: Miene Grubers "norwegische Rocksteady-Formation" ist seit zwei Jahrzehnten am Ammersee bestens eingeführt, Enno Müller-Spaethe wirkt als Schlagzeuger bei Gruba mit. Die Band war allerdings in einem kleinen Nebenraum eingepfercht, was der Akustik nicht unbedingt zuträglich war - aber umso mehr der Kommunikation der Besucher. Künftig ist für jeden Freitagabend von 19 Uhr an eine Veranstaltung "an der Quelle" beabsichtigt.

Am 22. März tritt der Musiker, Klang- und Objektkünstler Müller-Spaethe selbst mit "Quelltexten und Tonquellen" in Aktion: Dabei will er unter anderem "zwei Herdplatten bearbeiten und ein mehrgängiges Menü auftischen". Mit einer Beat-Box, Alltagsgegenständen, über Jahre gesammelten Textfragmenten und Samples wie Glockenläuten oder dem Klang von in den See geworfenen Steinchen wird live elektronische Musik entstehen. Unterstützt wird er von Dirk Eckert, der in einer Kurz-Lesung eigene Texte vorliest.

Für "Kunst an der Quelle" haben DKADE schon mal einen Kickertisch aufgestellt. (Foto: Georgine Treybal)

"Wir planen von Woche zu Woche und sind für alle Vorschläge offen", sagt Dorschner, insbesondere die Herrschinger Jugend sei zur Beteiligung an den Freitagabenden eingeladen. Fix stehen hingegen schon die Ausstellungswochenenden: Vom 19. bis 21. und 26. bis 28. April sowie am 3. bis 5. Mai werden DKADE - mit Ausnahme von Jenauth - selbst den Laden rocken. Von Christi Himmelfahrt bis zum 12. Mai übernehmen vier handverlesene Gastkünstler.

Die Initiative für den neuesten Streich des Septetts geht dieses Mal vom Eigentümer der Immobilie aus: Wolfgang Darchinger, Herrschinger Schreiner und Teil der gleichnamigen Erbengemeinschaft, bot kürzlich der DKADE die Quelle zur Miete an. "Er hat uns in einem sensiblen Moment erwischt", erzählt Dorschner: Sie und Moni Roll waren gerade mit dem ICE auf der Rückfahrt von Berlin und noch voll von den dort gesehenen Kreativquartieren euphorisiert. Nach Rücksprache mit den anderen Mitgliedern des Kollektivs erfolgte die Zusage ziemlich rasch.

Konkrete Pläne für die weitere Nutzung des Gebäudes bestehen nicht

Der Getränkemarkt sei zum Jahresende frei geworden, dann hatten zwei Künstlerinnen den Laden je einen Monat als Pop-up-Galerie genutzt, sagt Darchinger. Die Nutzung durch die DKADE "passt auch gut zum Objekt, weil dort nicht mehr alles auf dem neuesten Stand ist." Er spricht von einem "Testlauf bis Ende Mai", konkrete Pläne für das Gebäude oder dessen Abriss danach hegt Darchinger vorerst nicht.

Unterstützung erfährt das Künstlerkollektiv auch von der Gemeinde Herrsching, die trotz klammer Finanzlage einen Zuschuss zugesagt hat. Über dessen Höhe bewahren die DKADE-Mitglieder Stillschweigen. Nachdem sie zuletzt als Gesellschaft bürgerlichen Rechts agierten, streben sie nun die Registrierung als Verein an. Alle üben ihre künstlerische Tätigkeit mehr oder weniger als Nebenberuf aus, die meisten arbeiten als Freiberufler in der Kulturwirtschaft - etwa als Kunstschlosser, Grafikerin, Werbetexter oder Leiterin eines Tanzstudios.

Für ihr Engagement, ihr Können, ihren Witz und Ideenreichtum wurde die Künstlergruppe bereits vor zehn Jahren mit dem Kulturförderpreis des Landkreises Starnberg ausgezeichnet. Über den künstlerischen Anspruch hinaus sollen ihre Aktionen möglichst viele Besucher ansprechen: "Nahbar, niederschwellig und interdisziplinär" lautet das Leitbild, dem sich die Künstlergruppierung DKADE verschrieben hat.

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