Heiraten in der Corona-Krise:Nein, ich will nicht

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Aus "Save the Date" wird "Cancel the Date": Mediengestalterin Anna Liebel entwirft Einladungskarten ebenso wie Absagen. (Foto: Georgine Treybal)

Große Hochzeiten sind in der Pandemie unmöglich geworden, weshalb viele Paare die Trauung verschieben. Mediengestalterin Anna Liebel findet die passenden Worte für "Cancel the Date"-Karten.

Von Jessica Schober, Herrsching

Normalerweise ist Anna Liebel für die Verbreitung von frohen Botschaften zuständig, die Ankündigung des angeblich schönstes Tages im Leben eines Paares. Doch seit gut einem Jahr sind es immer wieder stapelweise Absagen, die sie verschickt. Liebel gestaltet Einladungskarten für Hochzeitspaare und achtet dabei besonders auf die Nachhaltigkeit. Ihr kleines Unternehmen Hey!Fair hat die 31-jährige Mediengestalterin aus Breitbrunn kurz vor der Corona-Pandemie gegründet. Aus den Einladungskarten mit dem typischen Spruch "Save the Date" für die Terminreservierung der Hochzeitsgäste sind nun immer häufiger Absagekarten mit dem Spruch "Cancel the Date" geworden.

Anna Liebels Geschäftsidee bedient einen Nischenmarkt: Hochzeitspaare, denen die Ökobilanz ihrer Trauung wichtig ist, die also eine sogenannte "Green Wedding" planen. Die liebevoll handentworfenen Karten - besonders beliebt ist das von ihr selbst aquarellierte Eukalyptusmotiv - lässt Liebel in einer kleinen Druckerei in München fertigen und bemüht sich darum, möglichst wenig Papiermüll zu produzieren. Sie verzichtet zum Beispiel auf Probedrucke, für die ein ganzer DIN A3-Bogen Pappe anfällt und rät Brautpaaren zu nur einer Menükarte pro Gästepartei am Tisch.

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Auslöser war 2018 ihre eigene Hochzeit im Kurparkschlösschen am Ammersee. "Mir ist erst am Tag danach aufgefallen, wie viel Müll bei so einem Fest anfällt. Es ist Wahnsinn, was alles extra für diesen einen Tag produziert und danach weggeschmissen wird." So kam ihr die Idee, die Ausschussware und Wegwerfprodukte rund um die Papeterie einer solchen Veranstaltung zu reduzieren. Kaum zwei Monate hatte sie ab Januar 2020 ihr Geschäft auf den Markt gebracht, da kam die Pandemie und machte das Einladen zum Unding.

Liebels magere erste Geschäftsbilanz gibt nun auch Auskunft darüber, wie sich das Einladungsverhalten von Hochzeitspaaren während der Pandemie verändert hat. Manche Hochzeitspaare zögerten zunächst noch mit dem Verschicken von Absagen, aber der Trend zur kleineren Hochzeit lasse sich deutlich an den verringerten Bestellmengen bei den Einladungskarten erkennen, sagt Liebel. Sie erhält rund 40 Prozent weniger Bestellungen als vor der Pandemie, insgesamt lässt sie aber bis zu 70 Prozent weniger Karten drucken. Das heißt: Die Gästelisten werden kürzer.

Sonst bestellten Brautpaare durchschnittlich 40 Einladungskarten, was bei zwei Gästen pro Einladung schnell auf eine Hochzeit mit rund 80 Menschen hinauslief. Heute bestellt selten ein Brautpaar mehr als zehn Karten bei ihr. "Es gibt trotzdem noch mutige Paare", sagt Liebel, im März hätten gerade zwei Heiratswillige 80 aufwendig faltbare Einladungen bei ihr bestellt. Wie und mit welchem Hygienekonzept diese Hochzeit dann stattfindet, weiß Liebel im Detail nicht. Ihre Kunden stammen aus ganz Deutschland.

Eine andere Kundin bestellte nach den Einladungskarten direkt nochmals die gleiche Menge an Absagekarten. Nach der standesamtlichen Trauung hatte sie ihre Hoffnungen auf ein großes Hochzeitsfest in Pandemiezeiten begraben, "sie konnte sich einfach nicht vorstellen, jetzt noch eine ausgelassene Feier zu geben." Auch "Change-the-Date"-Karten seien ein ganz neues Produkt in Liebels Nischenmarkt, der bislang das Verschieben des großen Tages nicht kannte. Liebel sagt: "Die Texte auf den Karten sind alle total unterschiedlich. Manche Paare laden ein, als gäbe es keine Pandemie. Andere formulieren alles unter Vorbehalt."

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Liebel hofft, dass mit sinkenden Inzidenzwerten bald auch wieder große Hochzeitsfeiern möglich sein werden - und plant für 2022 mit vielen nachgeholten Trauungen. Ihre persönliche Marktanalyse habe ergeben, dass rund die Hälfte aller Brautpaare sich bereits für Nachhaltigkeit beim Heiraten interessiere, meist gehe es da aber eher um vegetarische Gerichte beim Catering als um Papierwaren. In Zukunft plant Liebel auch sogenannte Cake Topper aus zertifiziertem Holz zu vertreiben statt der üblichen Tortenfiguren aus Acryl.

Als sie in der Krise kaum noch Aufträge hatte, besann sich die 31-Jährige unterdessen auf eine andere Leidenschaft in ihrem Leben. Gemeinsam mit ihrem Mann, einem Koch in Kurzarbeit, betreibt sie einen Food-Blog unter der Adresse www.wasesseichheute.de, dessen Zugriffszahlen während der Gastroschließungen rasant gestiegen seien. Auch sonst manövriert sich Liebel kreativ durch die Krisenzeit. Ehrenamtlich gestaltete sie die Webseite www.shopping-in-herrsching.de mit einer Auflistung von Herrschinger Einzelhändlern, die ihre Produkte auch ausliefern. "Die Krise hat mich sehr früh getroffen", sagt die Unternehmerin, deren Geschäft oft ein Jahr Vorlauf vor der Hochzeit braucht. "Das laufende Jahr ist gegessen". Aber irgendwann, ist sie sich sicher, werden Liebende auch wieder im großen Kreis "Ja" zueinander sagen.

© SZ vom 17.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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