Mal beige, mal dunkelrot, mal blau: Marcus Burkert mag Basecaps. Immer wieder trägt der 48-Jährige ein Käppi. Ein "Modeaccessoire", wie der Starnberger sagt, das zu seinem sportlich-lässigen Kleidungsstil passe. "Selbstverständlich" trage er die Kappen auch bei der Arbeit. 15 Jahre lang war Burkert bei einer PR-Firma in Hamburg angestellt. Dann studierte er auf Lehramt, seit neun Jahren arbeitet er als Grundschullehrer in Bayern, seit eineinhalb Jahren an der Josef-Dosch-Grundschule in Gauting. Gestört habe sich in all den Jahren niemand daran, sagt er.
Doch nun ist ein Streit um die Schirmmütze entbrannt, der weit über die Grenzen des Starnberger Landkreises hinaus Wellen schlägt. Burkert wurde vom Schulamt aufgefordert, das Käppi nicht mehr zu tragen. Manuela Hollweg, die stellvertretende Leiterin des Starnberger Schulamts, teilte dem verbeamteten Lehrer vor wenigen Wochen schriftlich mit, dass ein Käppi "kein angemessenes Kleidungsstück" für eine Lehrkraft sei. Hollweg hatte ihn offenbar kurz zuvor in der Gautinger Schule bei einer Lehrprobe einer Kollegin gesehen. Sein "mehr als ungewöhnlicher Anblick" habe "für Irritationen gesorgt". Das Tragen von Kappen nämlich sei an der Gautinger Schule untersagt. Das gelte auch für ihn.
Burkert war wie vor den Kopf gestoßen. Zum einen davon, dass ein Baseballcap ein anstößiges Kleidungsstück sein soll. Zum anderen, weil ihm keine Schulordnung bekannt ist, die das Tragen von Kopfbedeckungen verbietet. Das Kollegium hätte zwar einmal über ein solches Regelwerk gesprochen. Dabei hätte die Schulleitung auch den Wunsch geäußert, Kopfbedeckungen im Schulhaus zu untersagen - doch beschlossen worden sei eine Hausordnung bislang nicht. Auch Eltern bestätigen, ihnen sei keine schriftliche Schulordnung bekannt. Die Rektorin habe ihn zwar schon mehrmals auf sein Käppi angesprochen, so Burkert. Angeblich hielt sie es für unhygienisch. "Ein nachvollziehbarer Grund, warum ich das Cap nicht tragen sollte, wurde mir aber nie genannt", so der Lehrer. Auf Anfragen der SZ reagiert die Schulleitung der Josef-Dosch-Grundschule in den Osterferien nicht. Auch mit dem Münchner Merkur wollte sie zuvor nicht sprechen.
Auch aus dem Starnberger Schulamt kommt keine Stellungnahme. Die zuständige stellvertretende Leiterin Manuela Hollweg sei im Urlaub, heißt es. Dem Münchner Merkur hatte sie ihre Anweisung an Burkert zuvor mit den spezifischen Regeln der Gautinger Grundschule begründet und auf den Artikel 75 des Bayerischen Beamtengesetzes zum äußeren Erscheinungsbild von Beamtinnen und Beamten verwiesen. Demnach dürfen Beamtinnen und Beamte ihr Gesicht bei der Ausübung des Dienstes nicht verhüllen. Zudem können nähere Bestimmungen zu Dienstkleidung und Erscheinungsbild erlassen werden, etwa zu "Haar- und Barttracht" und über "sonstige sichtbare und nicht sofort ablegbare Erscheinungsmerkmale."
Eine Sprecherin des Kultusministeriums bestätigt: Vonseiten des Staatsministeriums gibt es keine konkreten Bestimmungen über das äußere Erscheinungsbild inklusive Schmuck und Tätowierungen von Lehrkräften. "Vorschriften können jedoch in der Hausordnung vor Ort, an deren Abstimmung die gesamte Schulfamilie beteiligt ist, festgeschrieben sein." Eben das habe die Gautinger Schulleitung über die Schulordnung getan, sagt die stellvertretende Schulamtsleiterin Manuela Hollweg. Einen Beweis dafür gibt es nicht. Auf der Website zumindest ist keine Schulordnung auffindbar. Auch Eltern an der Schule wissen nichts.
In den sozialen Netzwerken wird Burkert als Held gefeiert
Marcus Burkert kann nur noch den Kopf schütteln. Er versteht nicht, was am Tragen eines Käppis respektlos oder unangemessen sein soll. "Das scheint mir komplett aus der Zeit gefallen." Derlei Mützen seien längst im öffentlichen Leben angekommen und akzeptiert, auch manche Schüler tragen sie. "Respekt ist eine Frage des Charakters", so Burkert. Der Starnberger ärgert sich, dass das Schulamt wegen einer solchen "Lappalie" sofort reagiere, wo es doch so viel wichtigere Aufgaben gäbe: Hilfestellung bei der Integration ukrainischer Kinder etwa oder Unterstützung bei außerschulischen Unternehmungen. Und dann wäre da ja auch noch der Lehrermangel. Er habe jedenfalls schon Angebote von anderen Schulen aus dem Landkreis Starnberg bekommen, doch dorthin zu wechseln. Dort sei das Tragen eines Baseball-Caps kein Problem, kokettiert er.
In den sozialen Netzwerken jedenfalls wird Burkert gefeiert wie ein Held, bekommt Zuspruch und Likes. Auch im Gautinger Lehrerkollegium stehe man hinter ihm, erzählt der Starnberger. Mit den Kindern seiner vierten Klasse habe er noch gar nicht über das Thema sprechen können, sagt er. Spricht man mit Eltern, verstehen manche die ganze Aufregung nicht. Stress wegen eines Käppis im Klassenzimmer? Bitte nicht! Wo doch gerade der Übertritt ansteht und nahezu jede Woche Leistungsproben anstehen. "Soll er doch anziehen, was er mag", sagt eine Mutter.
Burkert ist jedenfalls nicht gewillt, die Kappe im Schulhaus abzusetzen. Er wolle sich auch kein ärztliches Attest holen, welches ihm das Tragen einer Kopfbedeckung womöglich aufgrund einer psychischen Belastung erlauben würde. "Ja, ich habe Geheimratsecken", sagt er und nimmt das Käppi ab. "Doch das ist nicht der Grund, weshalb ich Caps trage." Es gefalle ihm einfach, so wie anderen bunt lackierte Fingernägel oder regenbogenbunte Haare. Das im Grundgesetz verankerte Recht auf die persönliche Freiheit sei eine wichtige Errungenschaft - und das Tragen einer Mütze schränke doch die Rechte anderer nicht ein.
"Die wollen mich kleinkriegen", sagt der Lehrer
Burkert spricht von einem "Machtspiel". "Die wollen mich kleinkriegen", sagt der 48-Jährige. Wie viel individuelle Freiheit kann sich ein Staatsbediensteter erlauben? Anruf bei der obersten und lautstärksten Verfechterin von Lehrerrechten im Freistaat. Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands (BLLV) versteht nicht, warum der Gautinger Lehrer sich darauf einlässt - anstatt die Mütze einfach im Dienst abzunehmen. Für sie ist das Abnehmen der Kopfbedeckung "unabdingbar ein Zeichen des Respekts". Coolness würde nicht über das Erscheinungsbild transportiert, sondern über die pädagogische Arbeit, sagt die Frau an der Spitze der größten Berufsorganisation von Pädagogen in Bayern. Abgesehen davon habe Burkert eine eindeutige Dienstanweisung bekommen - Ende der Diskussion.
Derweil droht das Schulamt bereits mit Konsequenzen. "Sollte sich eine Lehrkraft beharrlich weigern, solchen Anordnungen nachzukommen, muss sie letztlich - wie jede Beamtin oder jeder Beamte - mit dienstaufsichtlichen oder sogar disziplinarischen Maßnahmen rechnen", lässt Manuela Hollweg aus dem Schulamt in ihrem Schreiben an Burkert wissen. Der mag sich von solchen Drohungen nicht einschüchtern lassen. Er liebe seinen Job und nehme seine Vorbild-Rolle auch sehr ernst, sagt er. Gerade darum hinterfrage er. Stiller Gehorsam, das sei nicht seins.