Bayerische Seen:Experten fordern mehr Schutz für Wasservögel

Lesezeit: 3 min

Zehntausende Tiere überwintern in den Reservaten am Starnberger- und Ammersee. Experten wollen die Gebiete räumlich und zeitlich ausweiten - und klagen über rücksichtslose Wassersportler.

Von Armin Greune

Als wollten sie mitfeiern, haben sie sich in Scharen in der Ruhezone an der Roseninsel im Starnberger See niedergelassen: Hunderte Blässrallen, Reiher-, Tafel- und Kolbenenten bildeten die Kulisse zum großen Jubiläum der Ramsar-Konvention, welche seit 50 Jahren den Schutz ihrer Lebensräume verfolgt. Das damals in Iran beschlossene erste globale Naturschutzabkommen will "Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung" retten - wozu inzwischen neun bayerische Gebiete zählen. Ammersee und Starnberger See nehmen dabei eine besondere historische Rolle ein: Hier wurde die Konvention erstmals mit der Berufung von Betreuern umgesetzt.

Die beiden großen Voralpengewässer sind wie der Chiemsee als Überwinterungsgebiet von Zehntausenden Wasservögeln für den Artenschutz von europaweiter Bedeutung. Deshalb hat der Bayerische Landesbund für Vogelschutz (LBV) auch das von Platanen beschirmte Rondell an der Roseninsel als luftigen Standort für den verspäteten Festakt zum Ramsar-Jubiläum gewählt. Coronabedingt musste die für den UN-Feuchtgebietstag am 2. Februar vorgesehene Veranstaltung verschoben werden. "Am Ammersee fing alles an", erinnert sich Ulrike Lorenz, Vorsitzende des Bayerischen Naturschutzfonds. Im Freistaat habe man freilich zunächst die "erste Hälfte der 50 Jahre gebraucht, um in Schwung zu kommen". Zu verdanken sei dies vor allem Horst Guckelsberger: Der langjährige LBV-Kreisvorsitzende in Starnberg hatte die Idee, Fachpersonal einzustellen, um die Ramsar-Gebiete kontinuierlich zu betreuen. So wurde 1997 Christian Niederbichler für den Ammersee und das Ampermoos verpflichtet - laut Lorenz eine "bahnbrechende Entscheidung", weil der Naturschutzfonds zuvor noch nie Personal gefördert hatte.

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Wie Lorenz würdigt auch Maria Els, Regierungspräsidentin von Oberbayern, das Engagement der Vogelschützer im Fünfseenland. Schon in den 1990er Jahren habe man damit begonnen, am Starnberger See die Interessen von Wassersportlern, Erholungssuchenden mit den Bedürfnissen der Natur abzuwägen.

Die Ramsar-Konvention sei zwar juristisch nicht wirksam, doch sie habe die europaweite Vogelschutzrichtlinie Natura 2000 "beflügelt", sagt Bernd-Ulrich Rudolph vom Bayerischen Landesamt für Umwelt. Mit ihr konnten die Rastgebiete für die gefiederten Überwinterer rechtlich bindend verankert werden, die gern angenommen werden: "Die Vögel lernen schnell, sich auf diese Orte zu konzentrieren." Wie zur Bestätigung fliegt in diesem Moment ein Dutzend Schellenten mit ihren charakteristischen, klingelnden Flügelgeräuschen über der Menschengruppe ein.

Rudolph hat aber auch Nachbesserungsbedarf in den Vogelreservaten erkannt: Nicht nur die Überwinterungszonen, sondern auch Brut- und Mauserplätze sollten im Sommer geschont werden. Am Ammersee reiche aufgrund der Verlandung der Ammermündung das bislang abgegrenzte Naturschutzgebiet nicht mehr aus. Wie am Chiemsee müssten dort "die Ruhezonen der Dynamik der Landschaftsentwicklung folgen und entsprechend erweitert" werden. Dazu reichten bereits Verordnungen der Landratsämter aus.

"Am Ammersee gibt es noch Luft nach oben," befindet auch der bayerische LBV-Vorsitzende Norbert Schäfer. Segler- und Ruderverbände, Werftbesitzer und Fischer haben auch dort schon 1997 freiwillig erklärt, den Betrieb von November bis März einzustellen beziehungsweise Rastgebiete der Vögel zu meiden. Aber diese Ruhezonen sind noch nicht formell ausgewiesen und räumlich abgegrenzt. Im noch nicht abgeschlossenem Gewässerentwicklungskonzept werden dafür neben dem ohnehin unter Naturschutz stehenden Südufer noch die Herrschinger Bucht, das Nordufer zwischen Eching und Stegen sowie am Westufer kleinere Bereiche in Schondorf, St. Alban und am Uttinger Dampfersteg aufgeführt.

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Für den Ammersee wünscht sich Christian Niederbichler mittelfristig den Rang eines UNESCO-Biosphären-Reservats. Die Ausweisung ginge mit der Einrichtung eines Informationszentrums als touristischen Anziehungspunkt und wesentlich besserer personeller Ausstattung einher. Bayerns dienstältester Gebietsbetreuer teilt sich die seit fast 25 Jahren mit ihm besetzte Stelle seit Januar 2020 beziehungsweise April 2021 mit Jana Jokisch und Markus Meßner.

Andrea Gehrold, für das Ramsar-Gebiet Starnberger See zuständig, hat auch nur eine Halbtagsstelle. Zwischen der Kreisstadt und Seeshaupt habe sich die freiwillige Vereinbarung mit organisierten Wassersportlern gut bewährt, auch die im Winter aktiven Ruderer beschränkten sich auf uferferne Bereiche, berichtet sie beim Festakt. Im Szenario dahinter zieht auch heute ein Achter weit entfernt vor Seeshaupt seine Bahn auf dem See. "Es besteht aber immer wieder noch Informationsbedarf", sagt Gehrold. Nützlich wären Schilder an Bojen, wie sie für Fischruhezonen schon bestehen. Eine besondere Herausforderung aber bleibe es, "auch die privaten Wassersportler mit ins Boot zu holen" .

© SZ vom 15.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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