Gymnasium Gauting:Hier hat jeder zweite Abiturient eine Eins vorm Komma

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Schulleiterin Sylke Wischnevsky sagt, die Schüler hätten die längere Vorbereitungszeit einfach gut genutzt. (Foto: Nila Thiel)

Die beste Schülerin ist erst 15 Jahre alt und macht den Abschluss mit einem Schnitt von 0,7. Einen Corona-Bonus habe es aber nicht gegeben, versichert die Direktorin.

Von Carolin Fries, Gauting

Es klingt wie in einem Märchen: Jeder zweite Abiturient am Otto-von-Taube-Gymnasium (OvTG) in Gauting hat heuer eine Eins vor dem Komma. Und das trotz der Corona-Krise. Beziehungsweise wegen der Corona-Krise, wie Gautings Schulleiterin Sylke Wischnevsky analysiert: "Die Schüler haben die zusätzliche Lernzeit einfach gut genutzt." Geschenkt habe es das Abitur jedenfalls nicht gegeben, das Niveau sei angemessen gewesen.

Insgesamt haben 57 von 108 Absolventen in Gauting eine Eins vor dem Komma. Nun hat das OvTG auch in den vergangenen Jahren regelmäßig 40 Prozent Einser-Absolventen gehabt, die Schule ist Kompetenzzentrum zur Begabtenförderung und hat einen Hochbegabten-Zug bis zur Oberstufe. Dort können besonders interessierte Schüler im TUM-Kolleg bereits einen Tag pro Woche an der Technischen Universität in München arbeiten und forschen.

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

"Natürlich muss ich lernen", sagt Jeanette Plechinger. "Aber ich habe das Glück, dass mir manche Dinge leichter fallen." Mit gerade einmal 15 Jahren hat die Jugendliche heuer das beste Abitur am OvTG gemacht, in allen Abiturprüfungen 15 Punkte erreicht - wie auch sonst recht oft: Von 900 möglichen Punkten in Q11, Q12 und Abiturprüfung hat sie 881 geholt. Mit fünf Jahren wurde sie in Mittelstetten im Landkreis Fürstenfeldbruck eingeschult, zehn Jahre später sagt sie: "Ich kann mir gut vorstellen, in die Forschung zu gehen." Im TUM-Kolleg hat sie bereits zur Krebstherapie Untersuchungen angestellt, in Berkeley Teleskopbilder ausgewertet. Nun will sie in München Physik studieren und parallel dazu Philosophie im Modulsystem.

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(Foto: Tobias Fröhlich/oh)

Eigentlich wollte Isabella Pfennig im August nach Miami fliegen, um dort ihr Business-Studium zu beginnen. Sie hat ein Stipendium bekommen, darf für vier Jahre umsonst lernen, Tennis spielen, wohnen und essen. "Richtig cool", sagt die 18-Jährige. Die vierfache Deutsche Meisterin aus Gauting hat ihr Abitur mit 1,3 gemacht, "ich habe mir immer relativ leicht getan mit der Schule". Viel Zeit fürs Lernen hatte sie nie, täglich trainiert sie am Tennis-Stützpunkt in Oberhaching. Nur aktuell muss sie wegen Corona zwangspausieren. Nach der Schule allein in eine Profikarriere zu investieren, war ihr zu riskant. Miami biete sportliche und akademische Möglichkeiten - wenn es denn bald losgeht.

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(Foto: Nila Thiel)

Bis zur zehnten Klasse war Sari Schade aus Königswiesen an der Montessori-Schule in Starnberg, dort habe sich unter anderem gelernt, sich selbst zu organisieren. In der Lernphase fürs Abitur, die coronabedingt zu Hause stattfand, habe ihr das viel geholfen. Mit einem Schnitt von 1,4 hat die 17-Jährige ihr Abitur gemacht und dafür vor allem in der elften Klasse "sehr viel gelernt, vor allem Mathe". Die letzten Wochen galt es dann, sich daheim vorzubereiten - wo allerdings noch vier Geschwister wohnen. Nicht immer leicht. Dafür ließ sich der gute Abschluss zuletzt in dieser Runde herrlich bei einem Picknick am See feiern, wie die Gautingerin erzählt. Sie will Astrophysik oder Biologie studieren, "doch eigentlich war der Plan, erst einmal wegzufahren". Das mache sie nun spontan.

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(Foto: Nila Thiel)

Eigentlich war der Plan, nach dem Abitur nach Neuseeland zu reisen. Jetzt plant Simon Süßmann aus Stockdorf mit seinen Freunden eine Deutschlandtour. Im September soll es losgehen, "am besten überall hin". Aber unbedingt nach Heidelberg, "eine tolle Stadt", wie der 18-Jährige sagt. Hier will er Jura studieren, allerdings erst von 2021 an. "Starten werde ich in München, weil ich definitiv kein Online-Studium machen will." Sein Abitur hat er mit einem rechnerischen Schnitt von 0,85 gemacht, Musik und Latein mündlich. Obwohl er sehr gut Klavier spielt, hat er auf ein Additum verzichtet. "Da muss man vorgegebene Stücke spielen, das wollte ich nicht." Dann lieber Religion schriftlich.

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

Hanna Hoogens Hobby ist Boxen. Am Lehrstuhl für neuromuskuläre Diagnostik in München hat sie geforscht, wie das menschliche Gehirn Bewegungen programmiert - um das dann auf einen Computer übertragen zu können. "Dafür hab ich mir selber Programmieren beigebracht", erzählt die 18-Jährige aus Fürstenfeldbruck. Ihr Plan war lange, Sport- und Gesundheitswissenschaften zu studieren, jetzt hat sie einen Platz für Psychologie in Maastricht. Ausschlaggebgens war ein Praktikum im Dezernat für militärpsychologische Forschung. Am 15. August bezieht Hoogen ein kleines Appartement in der niederländischen Stadt. "Das hat sich gelohnt", sagt sie über ihr 1,0-Abi.

In einem Monat will sie den Medizinertest machen, dann reicht es aber auch mit Lernen und Vorbereiten. Fabia Fuchslocher aus Alling im Landkreis Fürstenfeldbruck hat ihr Abitur mit 1,2 bestanden, "besser als erwartet", wie sie sagt. Dass Medizin ihr liegt, habe sie im TUM-Kolleg gemerkt, als sie an der Universität in München für eine Forschungsarbeit die Schwachstellen einer Blutkrebsart untersucht hat. Eigens für die Möglichkeit, schon während der Schule Uniluft zu schnuppern, war die 18-Jährige zur Oberstufe an das OvTG gewechselt. Sie zog bei ihrem Opa in Königswiesen ein, versorgte sich montags bis freitags selbst und hin und wieder auch den 90-Jährigen. "Ich glaube es war ganz gut, dass ich hier viel Ruhe hatte."

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(Foto: privat)

"Ich bin der Weltenbummler-Typ", sagt Pia Steinberger und beginnt von ihren vielen Sprachreisen und Urlauben zu erzählen. Klar, dass sie jetzt nach ihrem 1,0-Abitur wieder losziehen wird. Erst für ein halbes Jahr als Au-pair in die Nähe von Montpellier, danach soll es nach England gehen. Das geplante Studium - Lebensmittelchemie oder Medizin - habe Zeit. Die 19 Jahre alte Gautingerin will erst einmal ihre Sprachkenntnisse weiter verbessern, neue Kulturen und Menschen kennenlernen. "Corona hat zwar den zeitlichen Druck genommen, aber psychisch war die Ungewissheit schon belastend", sagt sie. Bevor sie abreist, wird noch gefeiert: Am Wochenende kommt die Oma aus Wien.

Dass in diesem Jahr überdurchschnittlich viele Schüler "sehr gut" abschneiden, beweise, dass das Home-Schooling und der dreiwöchige Präsenzunterricht gut funktioniert hätten. "Die Anwesenheitsquote in den Wochen vor dem Abitur war noch nie so hoch wie in diesem Jahr", sagt Wischnevsky. Sechs Schüler haben die Traumnote 1,0 erreicht, darunter auch die erst 15 Jahre alte Jeanette Plechinger aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck. Sie erreichte als beste Abiturientin 881 von möglichen 900 Punkten, was rein rechnerisch ein Schnitt von 0,7 ist. "Es ist eine solche Freude, diese jungen Menschen unterrichten zu dürfen, ihnen den Steigbügel zu halten und das Fenster zu öffnen", sagt Wischnevsky.

Alfred Lippl, Direktor am Ammersee-Gymnasium schlackern die Ohren angesichts der Gautinger Zahlen. Da werde er die 18 Prozent Einser-Abis in Dießen wohl dem Elternbeirat erklären müssen, sagt er. Doch das kriege er hin. Und auch die anderen Schulleiter fühlen sich vom OvTG nicht unter Druck gesetzt, Gauting sei nun einmal eine "Eliteschule", sagt Elmar Beyersdörfer vom Landschulheim in Kempfenhausen. Sorgen macht ihnen allen aber der seit Jahren steigende Abi-Schnitt im Land - auch Sylke Wischnevsky. "Es ist wichtig, dass das Abitur valide ist", sagt sie.

© SZ vom 04.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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