Die Provokation war kalkuliert - und sie könnte strafrechtliche Folgen haben. Während im Gewerkschaftshaus mehrere Hundert Teilnehmer eines Antifa-Kongresses über Rechtsterrorismus diskutierten, zeigte Pegida München in Sichtweite ein Video, das sich wie das NSU-Bekennervideo bei Figur und Musik des "Paulchen Panther" bedient. Der Staatsschutz ermittelt jetzt wegen des Verdachts der Billigung von Straftaten.
Der Münchner Migrationsbeirat hat am Montag die Ermittlungsbehörden aufgefordert, auch wegen der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener und des Verdachts auf Volksverhetzung in dem Video zu ermitteln. Die versuchte Einschüchterung des politischen Gegners "durch Drohungen und Verharmlosung rassistisch motivierten Terrors" müsse Folgen für die Genehmigung zukünftiger Pegida-Versammlungen durch die Stadt haben. Drohungen gegen den Kongress hatten in den sozialen Netzwerken bereits zuvor die Anhänger rechter Gruppierungen geäußert. Trotz der angespannten Situation blieb es rund ums DGB-Haus friedlich.
Die Vorgeschichte
Die beiden konkurrierenden Polizeigewerkschaften überboten sich Mitte Oktober mit Kritik an dem Kongress im Münchner DGB-Haus. Auf den waren sie freilich nicht von sich aus aufmerksam geworden: Der rechte Blog "Journalistenwatch" hatte das Thema am 16. Oktober lanciert und behauptet, der DGB stelle seine Räume Verfassungsfeinden zur Verfügung. Chefredakteur des "Journals für Medienkritik und Gegenöffentlichkeit" ist Thomas Böhm. Böhm war zuvor Pressesprecher der inzwischen aufgelösten islamfeindlichen Partei "Die Freiheit".
Seit eineinhalb Jahren ist Böhm Geschäftsführer der ebenfalls islamfeindlichen "Bürgerbewegung Pax Europa" (BPE). Die BPE hielt am Samstag während des Antifa-Kongresses eine Kundgebung in der Fußgängerzone ab, in der die Kongress-Veranstalter als "Menschen, die Gewalt propagieren" bezeichnet wurden. Hauptredner bei der BPE-Kundgebung: Michael Stürzenberger, früher Vorsitzender der "Freiheit" und Landeschef der BPE. Über ihn heißt es im aktuellen Bericht des bayerischen Verfassungsschutzes: "Es liegen zahlreiche tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass Stürzenberger und der Personenkreis um ihn verfassungsschutzrelevante islamfeindliche Bestrebungen verfolgen." Der DGB merkte noch rechtzeitig, vor welchen Karren er gespannt werden sollte, und machte die Ausladung des Antifa-Kongresses rückgängig.
Der Kongress
Bis zu 350 Kongress-Teilnehmer zählte die Polizei, die Veranstalter bis zu 600 Besucher. Der Verfassungsschutz hatte am Tag zuvor noch gewarnt: "Mehrere linksextremistische Gruppierungen rufen auf ihren Internetseiten zur Teilnahme am Antifa-Kongress in München auf, darunter auch gewaltbereite autonome Gruppierungen, wie z. B. Antifa-NT, Antikapitalistische Linke München (al-m), Infogruppe Rosenheim, La Resistance Ingolstadt (Lara), Assoziation autonomer umtriebe Dachau (aaud)." Die Veranstalter des Kongresses freilich stellten auf ihrer Internetseite klar: Weder der Kongress noch seine Veranstalter oder Referenten stünden für Gewalt. Und alle Teilnehmer hielten sich daran.
Die Gegendemonstrationen
Die AfD brachte am Samstagmittag zwischen 50 und 80 Anhänger auf die Schwanthalerstraße. Den Auftritt des Bundestagsabgeordneten Wolfgang Wiehle ließ die AfD filmisch dokumentieren - von "Journalistenwatch". Am Montag nannte der stellvertretende Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion Peter Felser den störungsfrei verlaufenen Antifa-Kongress eine "unerträgliche Zumutung für die Öffentlichkeit und (...) nicht hinzunehmende Unterstützung eines gewaltbereiten Linksextremismus".
Eine Dauerkundgebung hielt die Münchner Pegida ab. Sie gefiel sich nicht allein in Anspielungen auf NSU und Oktoberfest-Attentat in ihrem Video, sondern ließ auch den einstigen Rechtsterroristen Karl-Heinz Statzberger als Redner auftreten. Das "Paulchen Panther"-Foto mit Pegida-Chef Heinz Meyer hatte die vom Verfassungsschutz beobachtete Gruppierung bereits im September bei einer Kundgebung in Augsburg mit dem Zusatz "Gruß vom Oktoberfest" gezeigt.
Die öffentliche Empörung blieb damals aus, am Samstag setzte Pegida mit dem Gedicht ("Von Wies'n bis DGB-Haus ist's nicht weit ... Das Paulchen jagt bald Antifa!") bewusst eine weitere Provokation drauf. Am Mittwoch hatte die Münchner Pegida in einem Tweet außerdem die Polizei scharf attackiert. Man habe es schon früher öffentlich gesagt, stand da zu lesen: "Trau keinem moslemischen Polizisten."