Die Stadt stand auf, als Pegida noch gar nicht sichtbar war in München: Viele tausend Menschen, die Veranstalter sprachen von bis zu 25 000, gingen kurz vor Heiligabend 2014 auf die Straße, um gegen Fremdenfeindlichkeit und für Toleranz zu demonstrieren. Pegida selbst kam erst drei Wochen später: Zum ersten Aufmarsch fanden sich etwa 1500 Menschen ein, darunter auch Dutzende bekannte Neonazis - das war genau vor einem Jahr.
Wieder stellten sich ihnen 20 000 Münchner mit friedlichem und buntem Protest entgegen. Seither ist es deutlich stiller um die Rechtspopulisten geworden. Doch sie beschäftigen weiterhin Woche für Woche Polizei, Politiker und Bürger - auch an diesem Montag. Denn Pegida in München gilt als gefährlicher denn je.
Die Sicherheitsbehörden
Seit Oktober beobachtet der bayerische Verfassungsschutz die Münchner Pegida-Bewegung. Es dränge sich der Eindruck auf, dass "jedenfalls einige, die da in der Führung zugange sind, rechtsextremistische Züge haben", sagt Innenminister Joachim Herrmann. Im nächsten Verfassungsschutzbericht wird deshalb die Gruppierung um deren Vorsitzenden Heinz Meyer auftauchen. Gegen ihn wird seit drei Jahren ermittelt wegen des Verdachts, eine terroristische Vereinigung gebildet zu haben.
Münchens Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle erhofft sich durch diese Beobachtungen Fakten, mit denen man künftig juristisch besser gegen Pegida vorgehen könnte. Denn die Gruppierung sei zuletzt "immer rechtsextremer geworden", sagt er, es seien auch immer mehr Straftaten verübt worden. Auch die Münchner Polizei beobachtet, dass die Teilnehmer der rechten Aufmärsche zunehmend radikaler werden. "Pegida ist wahnsinnig aggressiv geworden", sagt ein Polizeisprecher. Die meisten der rechtspopulistischen Demonstranten seien "generell staatsfeindlich und polizeifeindlich" eingestellt.
Die Beobachter
Auch die "Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München" (Aida) beobachtet das Treiben der Pegida-Aktivisten genau. Die Gruppierung sei "von Anfang an sehr, sehr radikal", sagen Marcus Buschmüller und Robert Andreasch von Aida. So habe Aida dokumentiert, dass am 2. November einer der Pegida-Redner ausgiebig aus den "Protokollen der Weisen von Zion" zitiert habe, einem gefälschten antisemitischen Pamphlet, das die Nationalsozialisten heranzogen, um die Judenverfolgung zu legitimieren. Neonazis seien ohnehin ein "von Anfang an akzeptierter Bestandteil von Pegida", sagen Andreasch und Buschmüller.
Obwohl in jüngster Zeit immer wieder Ordner von Pegida Journalisten angreifen, schreite die Polizei nur selten ein, kritisieren die beiden. Die Polizisten drehten den Rechten bei Demonstrationen meist den Rücken zu. "Das zeigt doch, dass Pegida immer noch nicht als Bedrohung gesehen wird", klagen Buschmüller und Andreasch. Dabei sei längst zu beobachten, dass Pegida-Anhänger nicht nur "völkisch-rassistische Inhalte" verbreiten, sondern mittlerweile "das gesamte Spektrum des rechtsradikalen Gedankenguts".
Die Antifa
Manchmal ruft ein breites demokratisches Bündnis zu Gegenkundgebungen auf - so war es etwa am 12. Januar bei der ersten Pegida-Demo oder auch am 9. November, als erneut Tausende Münchner gegen den Aufmarsch der Rechtspopulisten und Neonazis am Gedenktag der Novemberpogrome auf die Straße gingen. An den anderen Montagen - 40-mal ist Pegida bislang durch München marschiert - sind es vor allem junge Menschen aus dem antifaschistischen Lager, die sich Pegida entgegenstellen. Das bekommen sie auch am eigenen Leib zu spüren. Unter den Pegida-Leuten seien "Schlägernazis", die im Anschluss an die Aufmärsche häufig in Gruppen den Gegendemonstranten auflauerten und sie attackierten, erzählt einer der Aktivisten. Die Gegendemonstranten wollen meist anonym bleiben, weil sie befürchten, "Hausbesuche" von Neonazis zu bekommen. Sie berichten von Fällen, bei denen Rechtsradikale Hauseingänge mit Naziparolen beschmierten, wenn sie vermuteten, dass in den Gebäuden Antifa-Aktivisten wohnen.
Andererseits werden auch auf Seiten der Gegendemonstranten immer wieder Straftaten registriert; von denen wiederum fühlen sich einige von der Polizei "kriminalisiert". Insbesondere Sitzblockaden würden oft mit Härte verfolgt. So sollen am 27. April insgesamt 25 Demonstranten, die am Stiglmaierplatz verhindern wollten, dass die Pegida-Gruppe weitermarschiert, von der Polizei abgeführt und angezeigt worden sein wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, Nötigung und Verstößen gegen das Versammlungsgesetz.
Die Polizei kann in diesem Zusammenhang keine Zahlen nennen, wie viele Gegendemonstranten festgenommen wurden; allerdings bestätigt ein Sprecher, dass es regelmäßig zu Platzverweisen oder auch Festnahmen zur Überprüfungen von Personalien komme. Ein Antifa-Aktivist spricht von Dutzenden Festnahmen im vergangenen Jahr. "Es gibt nur wenige von uns, die noch keine Strafe haben", sagt ein 30-jähriger Aktivist. Im Schnitt sind jeden Montag bei den Demos etwa 200 Polizisten im Einsatz.