Pilotprojekt:Zwei Straßen sollen über den Sommer autofrei werden

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Winterstraße: Wo jetzt im inneren Kreuzungsbereich von Park- und Schwanthalerstraße Autos stehen, sollen sich im Sommer Fußgänger breitmachen. (Foto: Catherina Hess)
  • Im Herzen der Schwanthalerhöhe und auf dem Alpenplatz in Obergiesing soll es zwei Pilotprojekte geben.
  • Einmal werden Parkplätze abgezwackt, das andere Mal die Straße temporär gesperrt, um mehr sommerliche Lebensqualität in die dicht bebauten Vierteln zu bringen.
  • Vorbild ist Stockholm: Dort werden den Sommer über in ausgewählten Straßen die Autos verbannt.

Von Andrea Schlaier, Sonja Niesmann und Julian Raff, München

Heißt Sommer lernen tatsächlich von Stockholm lernen? Im Süden, an der Isar? In der schwedischen Hauptstadt werden von 15. Mai bis 15. September in ausgewählten Straßen die Autos verbannt, der frei werdende Raum gehört dann Flaneuren, Radfahrern, spielenden Kindern. München will dem Vorbild in der Saison 2019 probeweise für zehn Wochen nacheifern, und zwar mit zwei Pilotprojekten im Herzen der Schwanthalerhöhe und auf dem Alpenplatz in Obergiesing. Einmal werden Parkplätze abgezwackt, das andere Mal die Straße temporär gesperrt, um mehr sommerliche Lebensqualität in den dicht bebauten Vierteln zu schaffen. Im Liegestuhl auf der Fahrbahn im Westend sonnenbaden oder Erdbeeren aus dem kleinen Nachbarschaftsbeet zupfen - vieles scheint möglich zu sein. In einer gemeinsamen Sitzung des Stadtplanungs- und des Kreisverwaltungsausschusses fällt der Stadtrat am 22. Mai die Entscheidung.

Ideen, Nachbarschaft immer wieder neu und öffentlich zu zelebrieren, treffen auf der Schwanthalerhöhe für gewöhnlich auf fruchtbaren Boden. Das gilt auch für die "Summer Streets" aus Skandinavien, für die seit der Reise einer Münchner Stadtrats-Delegation 2018 nach Stockholm etliche Rathaus-Fraktionen glühen. Das zeigt sich an der Vielzahl entsprechender Anträge. Etwas überrumpelt von der frohen Botschaft, dass die Premiere auf Initiative der SPD-Stadträte Ulrike Boesser und Gerhard Mayer gerade in ihrem Viertel stattfindet, fühlt man sich auf der Schwanthalerhöhe aber schon. Schließlich sollen von 12. Juli an die Bürgersteige an der Kreuzung Parkstraße/Schwanthalerstraße in den Straßenraum hinein erweitert werden für, ja - für welche konkrete Nutzung eigentlich? "Wie soll die zum Start des Projekts geplante Bürgerbeteiligungsveranstaltung in der noch sehr knapp verbleibenden Zeit umgesetzt werden?", fragte Bezirksausschuss-Vorsitzende Sibylle Stöhr (Grüne) irritiert bei der Verwaltung nach und bat für die Mai-Sitzung ihres Gremiums um konkrete Handreichungen von einem Vertreter des Baureferates.

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Der stellt sich mit Heinz Grünberger auch ein und erläutert zunächst den technischen Aufbau: An der Kreuzung Schwanthalerstraße/Parkstraße vor dem Café Marais werden auf jeder Seite zwei Parkplätze, insgesamt sind es acht, weggenommen und die Trottoirs mit Hilfe von hölzernen Stegen in den Straßenraum verlängert. Damit entstehe zusätzliche Gestaltungsfläche von etwa 80 Quadratmetern. "Weil das für uns alles Neuland ist", sagt Grünberger, "werden wir Green City mit ins Boot holen und es mit ihnen realisieren." Die konkrete Ausgestaltung solle vorher eng mit den Anwohnern abgestimmt werden, bei einem Treffen noch vor den Pfingstferien.

Ob vorab denn auch die "Anrainer-Gaststätten" informiert würden, fragt Florian Kraus (Grüne), "wäre ja denkbar, dass sie sich beteiligen wollen". Obacht, warnt der Vertreter des Baureferates: "Es ist nicht Sinn der Sache, dass Freischankflächen entstehen." Thomas Hofstätter (CSU) verweist auf möglichen Anwohnerärger, weshalb das Gremium in die anstehende Versammlung der Nachbarn gleich auch einen Vertreter der städtischen Konfliktmanager von Akim einlädt. "Rechtzeitig zum Oktoberfest" verspricht Grünberger, "wird wieder abgebaut".

Zwangsbeglückt durch sommerliche Verkehrsberuhigung fühlen sich unterdessen nicht wenige Anwohner des Alpenplatzes in Obergiesing. Die kleine quadratische Grüninsel im Winkel zwischen Tegernseer Landstraße (TeLa) und Nockherberg soll im Pilotversuch ebenfalls von Juli bis Mitte September südseitig gesperrt und mit dem südlich angrenzenden Edelweißplatz zur Mini-Fußgängerzone vereinigt werden. Im notorisch zugeparkten Viertel fallen so 23 Parkplätze weg. Zwei Anwohnerversammlungen im Januar und März brachten kein klares Meinungsbild: Der Plan, die Edelweißstraße, eine Diagonale zwischen TeLa und Nockherberg, am Nordende zu sperren und so als "unechte Einbahnstraße" für den Schleichverkehr unattraktiv zu machen, kommt recht gut an.

Die Platzsperrung selbst bleibt umstritten, nicht nur wegen eingeschränkter Park- und Anfahrtsmöglichkeiten. Bereits heute fühlen sich Nachbarn von spielenden Kindern, Jugendlichen und Abendpublikum aus umliegenden Gaststätten in ihrer Ruhe gestört. Der Bezirksausschuss Obergiesing-Fasangarten verabschiedet sein Ja zur städtischen Sitzungsvorlage zuletzt mit rot-grüner Mehrheit, vor allem die CSU bleibt skeptisch. Ausschuss-Vorsitzende Carmen Dullinger-Oßwald (Grüne) weist erneut darauf hin, dass sechs von zehn Wochen Sperrung in die ruhige Sommerferienzeit fallen werden.

Die Grünen-Fraktion im Neuhauser Bezirksausschuss hätte gerne, was die anderen haben und beantragte, die Südliche Auffahrtsallee zwischen Gerner Brücke und Waisenhausstraße während der Sommerferien für Autos zu sperren und so eine "lebendige Sport-, Spiel- und Kulturstraße" zu schaffen. 2018 habe das Gremium dies bei seinem Kinderfest schon einmal einen Tag lang ausprobiert, so die Vorsitzende Anna Hanusch (Grüne), "und sehr viele positive Rückmeldungen erhalten".

Auch in anderen Vierteln genießt die Idee der Sommerstraßen Sympathie. Die Maxvorstädter Grünen haben bereits vor einem Jahr vorgeschlagen, Augusten- und Türkenstraße in den warmen Monaten zur Fußgängerzone umzufunktionieren, allerdings keine Mehrheit dafür bekommen; Stadtviertelpolitiker aus der Isarvorstadt möchten Gärtnerplatz und Reichenbachstraße gerne zur autofreien Zone machen.

© SZ vom 17.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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