Club-Musik kann monoton sein, aber wie bei jeder Kunst ist sie eben so spannend, wie die Menschen, die sie machen. Nehmen wir zum Beispiel den allein wegen seines Namens schwer zu googelnden Künstler Objekt. Klingt etwas lahm, aber der DJ und Produzent ist auf einer irren Reise: Er wuchs als Kind britisch-amerikanisch-philippinischer Eltern in Tokio auf und lebte in Belgien und London, ehe er sich 2009 in Berlin niederließ - aber nie festklebte: Er gilt als eine der zu bestaunenden Sensationen in der Szene, wurde "DJ des Jahres" im Branchenblatt Mixmag, landete einen Breakbeat-House-Hit mit "Theme from Q", hat Freunde von Aphex Twin bis Radiohead, und wird rund um den Globus gebucht für seine bis zu acht Stunden langen, unvorhersehbaren Sets. Mal macht er Party quer durch ein Dutzend Genres, mal führt er seine Zuhörer "durch ein erschreckendes psychedelisches Wurmloch der Selbsterkundung", wie es heißt. Ja, Club-Musik kann auch herrlich überfordern.
Insofern wird es ein aufregendes Wochenende in München. Denn zum zweitägigen Club-Festival "Ritournelle" im Blitz und im Zirka Space reisen noch etwa 20 weitere Vertreter der weltweiten Club-Avantgarde an. Tobias Staab (der kommende Leiter des "Dance"-Festivals in München) hat "Ritournelle" noch zu seiner Zeit als Dramaturg an den Kammerspielen etabliert, um die Grenzen der avancierten Elektronik-Kultur auszuloten und - gerne tanzend - zu überschreiten. Zusammen mit Branimir Peco hat er auch diesmal wieder ein Programm entwickelt, das "kulturelle Erwartungshaltungen, Genres, soziale Normen und performative Ansätze infrage stellt".
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Gerne bricht man dabei aus westlich geprägten Hörgewohnheiten aus, etwa am Freitag im Blitz mit dem südafrikanischen Popstar Moonchild Sanelly und ihrem Stilmix aus Amapiano, Gqom, Grime, House und R'n'B (wem das alles nichts sagt, der möge sich trotzdem drauf einlassen); mit der in Londons Grime-Szene großgewordenen Rapperin Lady Lykez oder dem holländischen Bass-Detroit-Jazz-Guru Martyn. Die Münchner Szene stellt ihre Bassmusik-Weltmeister auf: Die Schlachthofbronx - gefeiert von 30 000 Fans in Mexiko ebenso wie auf der Mailänder Modewoche und im Herzkasperlzelt auf der Wiesn - gibt schon mal Hörproben ihres gewaltig Körper und Trommelfelle massierenden kommenden Albums "More Rave And Romance".
Zwei Konzerte der anderen Dimension gibt es am Samstag im Zirka Space: Das eine ein orchestrales Soul-Experiment des non-binären Techno-Models Desire Marea, das andere mit dem Dub-Techno-Pionier Moritz von Oswald, seinem Trio und ("Weltpremiere!") Gästen wie dem US-Pianisten Kelvin Sholar, der mit Stevie Wonder auftrat und von Spike Lee gefilmt wurde. Im Blitz geht es derweil die ganze Nacht Genre-sprengend weiter: zu bestaunen sind etwa Klangkunst-Installationen von Anton Kaun und Karin Zwack, aus Japan das Violent Magic Orchestra, das mit einem Stromverbrauch von 50 000 Watt ("wie 56 Verstärker") klassischen Black Metal, Kraftwerk-Klingklang und Videokunst verquickt, oder dem usbekischen Gaming- und Blockchain-Künstler Tim Novikov (Art Basel, Art Miami, Berghain). Er kooperiert mit der Berlinerin Pyur, die als Nachfahrin von Schamanen, klassische Komponistin und Stimmakrobatin "synästhetische Erfahrungen" teilt. Spannende Leute!
Ritournelle, Fr. & Sa., 20. & 21. Okt., 23 Uhr, Blitz Club, Museumsinsel 1, Sa., 21. Okt., 20.30 Uhr, Zirka Space, Dachauer Straße 110, www.blitz.club