Rammstein in München:Ein solides, breitbeiniges Rockkonzert mit viel Feuerwerk

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Viel Knall, Rauch und Feuerwerk gibt es im Olympiastadion. Und Rammstein heizt ordentlich ein. (Foto: Stephan Rumpf)

Wirklich Anstößiges hat es beim Rammstein-Konzert in München nicht gegeben. Dafür heizte die Band den Zuschauern mächtig ein.

Von Jürgen Moises

Haben nun viele Rammstein-Fans im ausverkauften Münchner Olympiastadion den Chorus von "Deutschland" mitgesungen? Und hat sich das irgendwie seltsam patriotisch angefühlt? Nun, einige haben bestimmt gesungen, aber die donnernden Gitarren und das Organ von Rammstein-Sänger Till Lindemann waren beim ersten der beiden ausverkauften Stadion-Konzerte in München dann doch zu dominant, um das genauer herauszuhören. Viel interessanter als dieses Lied, dessen Video für einiges Aufsehen sorgte, war sowieso die von Rammstein-Gitarrist Richard Z. Kruspe kreierte Remix-Version davon, die zuvor zu erleben war. Nicht unbedingt wegen der Musik. Aber man sah währenddessen vier der Musiker als leuchtende Strichmännchen auf der Bühne tanzen und mit verfremdeten Computerstimmen singen. Eine Referenz an die legendäre deutsche Krautrock-Truppe Kraftwerk?

Passen würde das jedenfalls zum neuen, unbetitelten Album, das die sechs Musiker auf ihrer aktuellen Stadiontour vorstellen. Denn darauf hört man tatsächlich ein bisschen mehr Elektronik, mehr Synthesizer, manche haben auch Referenzen an die 80er-New-Wave-Ikone Anne Clarke erkannt. Die für Rammstein typische Fusion aus Rhythmus, Elektronik und hypnotischer Monotonie führt aber auch sonst schon zu Krautrockbands wie Can, Neu! oder eben Kraftwerk zurück. Nur dass die Band aus Berlin als weltweit bekanntester deutscher Popkultur-Exportartikel den Krautrock mit krachenden Industrial-Metal-Gitarrenriffs und provozierenden, deutschen Texten über Liebe, Hass, Gewalt, Sex oder Tod kombiniert.

Konzert in München
:Wie Rammstein den Zuschauern einheizte

Bei Rockmusik, Knalleffekten und Feuerwerk feierten Rammstein-Fans im ausverkauften Olympiastadion. Die Bilder.

Von dieser Melange gibt es auch beim Konzert in München reichlich. Und natürlich sehr viel Feuerwerk, viel Knall und Rauch, der sich dann aber als schwarze Papierschnipsel entpuppt. Ein paar nette, theatralische Show-Effekte, die dürfen ebenfalls nicht fehlen. Dazu zählt etwa ein großer Kinderwagen, den Sänger Till Lindemann für das Lied "Puppe" auf die Bühne schiebt und der am Ende Feuer fängt. Die Puppe dazu, der Lindemann, wie er wild gestikulierend schreit, den Kopf abbeißen will, mag man sich gar nicht vorstellen. Bei "Mein Teil" wird mal wieder Keyboarder Christian "Flake" Lorenz vom als Metzger verkleideten Lindemann mit dem Feuerwerfer im Kochtopf gegrillt. Als Slapstick-Nummer ein Running Gag, an dessen Ende Flake seinen Peiniger von der Bühne schubsen darf.

Apropos Running Gag: Während des Konzerts sieht man Flake meist im Glitzerkostüm während des Synthesizer-Spielens auf einem Laufband laufen. Vielleicht weil er auf die Art die drei riesigen, spiralförmigen Scheinwerfer antreibt, die zu der von Florian Wieder, einem Münchner, gebauten Bühne gehören? Die versprüht, offenbar inspiriert von Fritz Langs Stummfilm-Meisterwerk "Metropolis", einen industriellen Steampunk-Charme, passend zur neuen Härte der Musik. Ansonsten wirken, das war schon an anderer Stelle über die aktuelle Tour zu lesen, das Opern- oder Operettenhafte, die theatralischen und bildlichen Überwältigungsstrategien, insgesamt etwas zurückgeschraubt. Und meist endet es damit, dass irgendetwas in Flammen aufgeht. Weil einem nach 25 Jahren die überraschenden Ideen ausgehen?

Überraschend war allerdings das Duo Jatekok im Vorprogramm. Zwei französische Pianistinnen die auf einer zweiten, kleineren Bühne Rammstein-Songs auf dem Klavier spielten. Bei den dahinperlenden Klavierläufen musste man teilweise doch etwas deutlicher hinhören, um die Stücke zu erkennen. Später haben die beiden dann nochmal ihren Auftritt. Da dürfen sie zusammen mit Rammstein "Engel" und "Ohne Dich" als akustische Balladen auf der kleinen Bühne interpretieren, inmitten eines Meeres aus leuchtenden Handys. Ein Moment, den man fast schon romantisch nennen möchte.

Davor und danach wird man als Zuschauer aber breitflächig von donnernden Gitarren überrollt. Till Lindemann lässt dazu sein dunkles "r" rollen, etwa bei alten Klassikern wie "Sonne", "Du hast" oder "Rammstein", die es neben zahlreichen neuen Songs wie "Tattoo" oder "Radio" ebenfalls zu hören gibt. Zur Freude der 70000 Fans, die diese euphorisch feiern. Wirklich Anstößiges, das gibt es nicht. Zwar sind mit "Deutschland" und "Ausländer" zwei neue Songs dabei, die im Vorfeld schon alleine durch ihre Titel und durch die zugehörigen Videos für Diskussionen sorgten. Im einen Fall geht es dabei im Quentin-Tarantino-Style durch den Morast deutscher Geschichte. Im anderen wird auf Sex-Tourismus und Kolonialismus angespielt. Aber die Videos gibt es auf der Bühne nicht. Und was sich in den Clips an kalkuliert wirkenden, provokativen Momenten im Meer der Zweideutigkeiten und Referenzen verliert, das geht live im Rausch der Gitarren unter.

Auch wenn Till Lindemann bei "Pussy" mit seiner Spermakanone durchs Publikum fährt, hat das nichts Provokatives mehr. Sondern es gehört schon zu jenen Markenzeichen, die man auf einem Rammstein-Konzert erwartet. Und was dann aus der Kanone aufs Publikum ejakuliert wird, das ist auch wieder nur Papier. Was bleibt, ist ein solides, breitbeiniges Rockkonzert mit Knalleffekten und viel Feuerwerk. Das heizt einem dafür wirklich ein. Weil nicht nur auf der Bühne, sondern auch über dem Publikum die Flammen auflodern, kann man die Hitze sogar in den hinteren Rängen auf der Haut spüren.

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