Protest gegen günstigere Kinderbetreuung:Familien zweiter Klasse

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Bei der Kinderbetreuung werden unterschiedliche Modelle ungleich gefördert. (Foto: dpa)
  • Im Herbst will der Stadtrat beschließen, dass Familien von September 2019 an deutlich weniger Geld für die Kinderbetreuung zahlen müssen.
  • Zumindest Familien mit für Münchner Verhältnisse wenig Geld sollen nichts mehr zahlen.
  • Die meisten Elterninitiativen blieben dabei aber außen vor.

Von Jakob Wetzel, München

Klaus Winkler fühlt sich von der Stadt missachtet. Der Münchner ist Vater zweier Söhne, von denen einer den Hort einer Elterninitiative in der Maxvorstadt besucht. Und was die Stadt München derzeit plant, könnte ihn eigentlich freuen: Im Herbst will der Stadtrat beschließen, dass Familien von September 2019 an deutlich weniger Geld für die Kinderbetreuung zahlen müssen. Anlass zur Freude aber sieht Winkler deshalb nicht. Denn für ihn gilt das alles nicht. Von der Entlastung sollen keineswegs alle Familien profitieren. Sie soll vielmehr davon abhängen, wie die jeweilige Kita von der Stadt gefördert wird. Und die meisten Elterninitiativen blieben dabei außen vor. Knapp 5000 Kinder sind betroffen.

Das Problem ist: Winklers Kita wird nach dem Fördermodell für Eltern-Kind-Initiativen (EKI) bezuschusst. Daneben gibt es seit 2011 die sogenannte Münchner Förderformel (MFF). Mit ihr sollen Kinder zielgerichteter unterstützt werden: Gefördert wird nicht mehr nach Gruppen, sondern kindbezogen; zudem müssen sich die Kitas unter anderem bei ihren Elternbeiträgen an der Höhe der städtischen Gebühren orientieren. Zu Beginn wünschte sich die Stadt, dass alle Initiativen der MFF beitreten, die EKI-Förderung sollte auslaufen. Doch für die Ehrenamtlichen bedeutet die Förderformel erheblich mehr Verwaltungsaufwand bei weniger Planungssicherheit. Deshalb beschloss der Stadtrat 2015, dass beide Varianten weiter nebenher existieren sollen. Die MFF werde nicht allen Elterninitiativen gerecht, hieß es im Beschluss. Die EKI-Förderung dagegen sei bewährt. Sie wird vom Kleinkindertagesstättenverein, der Elterninitiativen berät, auch nach wie vor empfohlen. Und so werden in München zurzeit 210 Elterninitiativen nach EKI gefördert, nur 14 nach MFF.

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Klaus Winkler sind diese Unterschiede vertraut; er war drei Jahre lang ehrenamtlicher Finanzvorstand seiner Elterninitiative und ist Sprecher des Arbeitskreises der Münchner Eltern-Kind-Initiativen. "EKI ist für die Stadt eigentlich das günstigere Modell, weil sie damit erheblich weniger Verwaltungsaufwand hat", sagt er. Und schon bisher würden Eltern ungleich behandelt, je nach Kita. Nach Einkommen gestaffelte Gebühren, das dritte Kind kostenlos: Dafür zahlt die Stadt nur in MFF-Einrichtungen, nicht in EKI-Kitas. In letzteren erhalten Eltern insgesamt weniger Zuschüsse, und das in München, wo sie meist jeden Betreuungsplatz nehmen müssen, den sie finden. "Ich kenne niemanden, der sich aussuchen konnte, wo er seine Kinder hinbringt", sagt Winkler. Doch die Ungleichbehandlung der Eltern werde durch die Pläne der Stadt nun noch verschärft.

Familien mit für Münchner Verhältnisse wenig Geld sollen nichts mehr zahlen

Denn das Bildungsreferat plant eine Gebührenreform: Horte, Krippen und Kindergärten sollen zwar nicht generell kostenlos werden, doch zumindest Familien mit für Münchner Verhältnisse wenig Geld sollen nichts mehr zahlen. Die Rede ist davon, die Einkommensgrenze der Familien, ab der überhaupt Gebühren erhoben werden, von bisher 15 000 Euro brutto im Jahr auf bis zu 50 000 Euro zu erhöhen. Zugleich soll die Grenze, ab der Beiträge in voller Höhe entrichtet werden müssen, von bisher 60 000 Euro auf 80 000 Euro Brutto-Jahreseinkommen steigen. Doch das gilt nur für Eltern, deren Nachwuchs in einer städtischen Einrichtung betreut wird oder eben in einer Kita, die nach MFF gefördert wird.

Das Bildungsreferat erklärt dazu, die geplante Entlastung sei eine freiwillige Leistung, und um Kinder gezielt fördern zu können, sei es zweckmäßig, diese Leistung an die MFF zu knüpfen. Zugleich würden damit gegebenenfalls mehr Träger bewogen, freiwillig der MFF beizutreten.

Die Stadt habe doch bereits 2015 begriffen, dass diese Förderformel nicht für alle Elterninitiativen passe, sagt hingegen Klaus Winkler. "Und jetzt fragen wir uns: Hat man das bei der Stadt jetzt wieder vergessen? Wir wollen gleich behandelt und gleich gefördert werden." Und auch der Kleinkindertagesstättenverein appelliert an den Stadtrat, Familien mit Kindern in Elterninitiativen ebenfalls zu entlasten. Wolle man das vielfältige Betreuungsangebot erhalten und Familien gerecht entlasten, sei es "nicht zielführend, Gebührenermäßigungen an eine Art der kommunalen Trägerförderung zu koppeln".

© SZ vom 09.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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